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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

3. 7. 2014 - 11:07

"They call it Madness"

Eine komische Tanzmischung aus Balz- Watschelgang, Schlägerpose und Workout. Ein Tanzkurz für ein abgesagtes Madness Konzert.

Nacht gegen Armut

ACHTUNG! Aus krankheitsbedingten Gründen muss das heutige Konzert "Nacht gegen Armut" mit Madness und The Toasters in der ARENA WIEN leider abgesagt werden!

Alle Infos auch hier.

Eigentlich sind Madness ein Witz. Aber ein Guter.

Es hatte in den Siebzigern die durchaus ernsthafte und hochpolitische Verschwisterung von Punk und Reggae stattgefunden, gipfelnd in einem legendären Konzert der Clash und Steel Pulse beim "Rock against Racism" 1978 und der Single "Punky Reggae Party" von Bob Marley und Lee Perry ("no boring old farts") oder dem späteren Engagement von Specials-Leader Jerry Dammers für den (damals noch von Frau Thatcher als "Terroristen" bezeichneten) African National Congress um Nelson Mandela.

Nebenbei gab es eine seit den Sixties bestehende britische Tradition von streng gestylten männlichen Arbeiterkindern, die von weißem britischen Pop nichts hielten und bei deren exzessiven Feierabendwochenenden das Hören von schwarzer Musik Vorschrift war, sei es die Obskuritäten aus dem US Soul sammelnde "Northern Soul" Bewegung und ihre anstrengenden "Allnighter" (die ganze Nacht durchtanzen) oder die Skinheads, die als erste die jamaikanische Musik ihrer Kollegen aus den Fabriken zu schätzen lernten.

Madness

Madness

Lange bevor ein findiger Geschäftsmann namens Chris Blackwell mit Reggae-Importen Millionen verdienen sollte, hörten diese rasierten (und noch nicht von der Rechten um Oswald Mosley vereinnahmten) Arbeiterjungs an ihrem Ausgehwochenenden auf Bier und Speed Bluebeat, Rocksteady und Ska und tanzten dazu eine komische Tanzmischung aus Balz- Watschelgang, Schlägerpose und Workout.

Dazu trägt man Kurzhaar oder GI Bürstenschnitt, Pepita- Sakkos, Schuhe mit dicken Kreppsohlen, zu kurze, enge Anzughosen mit Stulpen, weiße Hemden oder Poloshirts, dünne Krawatten, weiße Socken und einen "Pork Pie Hat" oder einen Panamahut. Gerne sind Stulpen, Revers, Hutband, Hemd oder Krawatte in Schachbrettkaro gemustert. Große Vorschrift: Das Outfit muss streng schwarzweiß gehalten werden (was, wie man hört, mittlerweile durch die "Nerdy Rude Boys" aufgeweicht wurde, die auch Hawaiihemden, kurze Hosen und sogar Tirolerhüte tragen sollen)

Man nennt sich - in Anlehnung an eine jamaikanische Gangster Subkultur der Sixties - "Rude Boy" und trinkt Bier oder Rum.

All das wurde 12 Jahre Später zu Madness eingedampft und so erfolgreich, dass "Our House" als einer der Kulturträger bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in London aufgeführt wurde.

Tanz

Also: Man kann lustig tanzen. Und das geht so:

Allein: Wir hüpfen von einem Bein auf das Andere, wiegen die Schultern auf und ab,schlingern dazu ein wenig mit den Armen, ähnlich wie beim guten alten Pogo, nur weniger raumgreifend. Wenn die Musik schneller wird laufen wir auf der Stelle, die Knie in Nabelhöhe, wie Jogger, die auf die grüne Ampel Warten.

Madness: One Step Beyond

Madness

Alle Zusammen: Wir stellen uns relativ breitbeinig hin, spreizen die Knie nach außen und begeben uns in eine Hockposition, etwas höher als in den italienischen muschellosen Autobahn-Toiletten. So als ob es in die Hose gegangen wäre watscheln wir in winzigen Schritten vorwärts, dazu schieben wir die angewinkelten Arme abwechselnd nach vorne. Wenn wir mehr als drei gleichgesinnte Finden können, wird der Gang in einer Art Schlange hintereinander durchgeführt, wobei der/ die Vorderste am aufrechtesten Geht und der/ die Letzte sich fast wie beim Limbo Tanz 45° nach hinten neigt (am besten zu sehen auf dem Cover von "One Step Beyond") - so schreitet man im Takt in einer bizarren Entengruppensex - Watschelbalzpolonaise durch den Tanzboden - Nah pop no style, a strictly roots.

Zu Zweit: Aus den obgenannten Elementen lässt sich ein trefflicher hormonsublimierender Männerschlägereitanz gestalten. Man stellt sich gegenüber, bläht Brust und Schultern auf und watschelt ebenso breitbeinig, aber aufrechter, aufeinander zu - wenn einer vorwärts geht, geht der Andere zurück. Abwechselnd schiebt man eine Schulter bedrohlich vor, die Schulter des Anderen weicht nach hinten. Wie beim Robot Dance friert man diese Bewegung immer wieder ein, was das ganze noch eckiger macht. Dazu simuliert man Schubser und Kopfstoß bzw. das Zurückweichen bei dem selben. Am Schluss reicht man sich die Hände. Vorgeführt hier bei einer herrlich weichen Version des berühmtesten Ballets der Geschichte:

Natürlich gibt es noch weitere Gründe für Madness: Der beeindruckende, riesige Backkatalog der Band, ihre Fähigkeit, von aufwühlend über zappelig - eckig bis sanft lullend zu spielen, die ganze Bandbreite der frühen Reggae Musik - von Blue Beat bis Lovers Rock, von Ska bis Rocksteady - mit Punk, Pop, Soul, Jazz und ein paar Saufliedern zu vermengen. Die begeisterten "Toasters" aus New York als Vorband, die sich schon fast ebenso lange wie Madness an der großen Skapunk Tradition abarbeiten.

Update: Madness-Auftritt verschoben!

Der Auftritt von Madness und den Toasters bei der 10. "Nacht gegen Armut" unter der Patronanz von First Lady Margit Fischer, die für in Not geratene Menschen Spenden sammelt, musste leider abgesagt werden.

Hier das offizielle Statement vom Managment:

"Due to illness todays MADNESS show at the Open Air Arena can`t go ahead as planned. We try to reschedule the show for early september. A further announcement about a rescheduled date will be done on Monday, 7th July. Tickets will be valid for the rescheduled date.