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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 7. 2014 - 20:59

The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 70.

Keine Favoriten? Von Stars enttäuscht? Durch Unklarheit verunsichert? Willkommen beim üblichen WM-Blues mittendrin.

Das ist das WM-Journal '14, die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.

Die Gesamtübersicht.

AF1: Brasilien - Chile
AF2: Kolumbien - Uruguay
AF 3: Niederlande - Mexiko
AF 4: Costa Rica - Griechenland
AF 5: Frankreich - Nigeria
AF 6: Deutschland - Algerien
AF 7: Argentinien - Schweiz
AF 8: Belgien - USA

Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

... und dann noch das finale Ranking der Ausgeschiedenen

9. Chile
10. Mexiko
11. Schweiz
12. Uruguay
13. Algerien
14. Griechenland
15. USA
16. Nigeria
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17. Ecuador
18. Portugal
19. Bosnien
20. Kroatien
21. Cote d'Ivoire
22. Italien
23. Spanien
24. Russland
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25. Ghana
26. England
27. Südkorea
28. Iran
29. Japan
30. Australien
31. Honduras
32. Kamerun

Es ist so wie in der Demokratiepolitik-Debatte: allenthalben Gejammer über halbvolle Gläser. Keine wirklichen Favoriten tät' es geben, das Level von oberer und mittlerer Oberklasse habe sich so angenähert, dass mittlerweile jeder jeden in eine Verlängerung zwingen kann. Ja, und da ist nichts Schlimmes dabei. Es ist ein Zeichen für zunehmende Qualität, für eine Verbreiterung der Spitzenklasse: es ist ein ganz volles Glas, das erst nach einem ersten großen gierigen Zug betrachtet und im Klageton des Vorwurfs als halbleer hingestellt wird.

Dass sich die ganz Großen, der brasilianische Hausherr mit Jungstar Neymar, das ganz auf Gott Messi ausgerichtete argentinische Team und auch der ewige europäische Favorit, Deutschland, noch schwer tun mit und an sich selber bedeutet nicht, dass in diesen Mannschaften nicht die Klasse schlummert, die es für Titel braucht. So wie beim letzten mal in Spanien.

Es tut auch gut, sich an neuen Bösewichten zu reiben oder ein Stück des Weges mit jenen Teams zu gehen, denen Erfreuliches zuzutrauen war, und die die Erwartungen erfüllen konnten, wie Kolumbien, Belgien oder Frankreich.

Es ist mir deutlich lieber, eine unentschlossene Ausgeglichenheit vorzufinden, eine Ausgangslage, die noch alles zwischen Favoritensieg und Überraschungs-Coup offenlässt und überall, auch beim holländischen Widerling, Qualitäten erkennen lässt, als Szenen wie bei erst durch die Patina der vergangenen Jahre überlagerten früheren Weltmeisterschaften zu erleben. In den 80ern und 90ern nämlich, als das Niveau der Titelträger vielfach deutlich bescheidener war.

2014 ist keine WM wie 1982, als man schon darüber froh sein musste, dass eine durchaus durchschnittliche italienische Mannschaft den deutschen Panzerfußball im Finale stoppte. Oder die WM 1986, als nach einem wahren Ausscheidungsrennen der wirklich großen Mannschaften dann ein ohne Maradona wohl auch nicht so recht konkurrenzfähiges Argentinien die nächste Rumpelfüßler-Abteilung von Schlimmeren abhielt.

Die deutlich besten Team dieser Tage, Brasilien rund um den besten Teamleader aller Zeiten sowie Frankreich rund um Platini sind - ebenso wie 1986 ganz wunderbare Dänen - in den Köpfen der Fans immer noch präsenter, sahen die Finalspieler aber nur im Fernsehgerät.

Oder die niveaulose WM 94 in den USA, mit dem ödesten aller Finalspiele jemals und exakt gar keiner Mannschaft, die einen Preis verdient hätte. Oder die aus jedem Gedächtnis verschwundene WM 02, von der nur ein Bild von Ronaldo und Kahn übrig bleib.

Überall dort war nicht ansatzweise die Dichte an Klasse und Können auf 10 oder 15 Mannschaften verteilt wie heuer. Und auch innerhalb einzelner Nationalteams herrschte ein Gefälle, das heute nicht mehr vorstellbar ist.

Und noch eines war so gut wie bei allen diesen Turnieren Fakt: dass vor den Viertelfinale gezetert wurde. Über das Niveau, dass die großen Stars und die Favoriten auslassen würden. Selbst bei der diesbezüglich perfekten WM, dem Quasi-Heimsieg-Durchmarsch von Brasilien 1970 in Mexiko gab es Gejammer.

Es gibt also sowas wie den WM-Blues mittendrin. Er wäre (Stichwort: Informations- und Wissensgesellschaft) zwar so leicht zu überwinden wie nie - aber in Zeiten der überkanidelten Kunst-Empörung und der Hysterisierung durch bewusste (und auch gern selber durchgeführte) Desinformation tritt der genau gegenteilige Effekt ein: alles ist so Oasch, wie es noch nie war. Da hilft dann auch die Bereitstellung von Thesen und Informationen, die das Gegenteil belegen wenig.

Dass sich z.B. alle acht Gruppensieger im Achtelfinale durchgesetzt haben, ist noch nie passiert - und ein Zeichen für Konstanz, Stärke und Gerechtigkeit. Das letzte mal dass alle Gewinner der Vorrundengruppen auch die erste K.O.-Runde überlebt hatten, war 1966 in England. Und da war die Fußballwelt noch so derart in Ordnung, dass es fast weh tat.