Erstellt am: 1. 7. 2014 - 21:36 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 69.
Das ist das WM-Journal '14, die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.
Was bisher geschah:
AF1: Brasilien - Chile
AF2: Kolumbien - Uruguay
AF 3: Niederlande - Mexiko
AF 4: Costa Rica - Griechenland
AF 5: Frankreich - Nigeria
AF 6: Deutschland - Algerien
AF 7: Argentinien - Schweiz
Das waren Belgien - Algerien(fm4.orf.at und Ghana - USA
Dann USA - Portugal und Belgien - Russland
Und schließlich noch das sportlich wertlose USA - Deutschland
Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Die Verlängerung - am Rande des völligen Wahnsinns
9 Lukaku ersetzt 17 Origi vorne; ob Vertonghen durchhält? Er wankt...
Und dann ist es der erste, von Lukaku rechts mit Wucht gegen die Foulversuche vorwärtsgetriebene Angriff, der mit einem Not-Pass auf De Bruyne endet, der den Bann bricht. De Bruyne tanzt noch kurz um die Abwehr herum und schießt flach ins lange Eck - 1:0.
Jetzt sind etliche weitere belgische Konter-Chancen garantiert: 95. Vertonghen, 97. Lukaku, 101. Lukaku, 104. Mirallas...
Ob hingegen die USA noch was zustandebringt... Doch: interessanterweise probiert man's zuerst spanisch, mit in der Zentrale durchstecken und so; und dann auch mit guten Flügelangriffen.
Aber in der letzten Minute der 1. Verlängerungshälfte setzt Lukaku dann einen De Bruyne-Pass ins kurze Eck - der fünfte Konter nach dem 1:0 bringt das 2:0
16 Julian Green ersetzt noch 11 Bedoya, ehe die Seiten gewechselt werden. Und just jener Green volliert einen Jones-Pass kurz nach Wiederranpfiff (107.) ins Tor - nur noch 2:1. Jones vergibt kurz danach eine Überzahlsituation zum Ausgleich - was ist denn jetzt los? Spielen hier noch die Köpfe oder nur noch der Autopilot?
Ein völlig jenseitiges Hin-und-Her jetzt, Lukaku hat das 3:1 auf dem Fuß. 22 Chadli kommt (111.) für Hazard 10, vielleicht um zu beruhigen. Er verursacht aber einen Freistoß, der mit einem feinen Trick fast den Ausgleich bringt. Studiert die echt Andreas Herzog ein?
Wie die USA aktuell bei jedem Vorstoß just in Ballnähe eine Überzahl herstellen kann, ist faszinierend, aber völlig unlogisch. Und passiert immer und immer wieder.
Und jetzt check ich's erst, es ist Absicht! Team USA wirft in diesen Situationen etwa fünf Leute bewusst in einen kleinen Teil des Strafraums und spielt dort rein. Was hätte Klinsmann mit einer solchen Spielweise schon vorher ausrichten können?!
Dass es jetzt trotzdem nicht reicht, passt schon.
Halbzeit 2: die totale belgische Überlegenheit greift nicht
Und wieder sorgt Belgien für den ersten Gefahrenmoment - Mertens per Kopf, Howard muss retten. Die USA bringen sich wieder durch ihr physisches Spiel eng am Mann ins Match rein - das tut keinem Gegner gut.
Die belgischen Angriffe werden dichter, vor allem die Läufe über links (mehr Vertonghen als Hazard) nehmen zu. Höhepunkt der zunehmenden Chancenbreite: Origis Lattenkopfball aus Minute 57.
Die darauffolgende US-Halbchance ist nur einem defensiven Aussetzer der Roten zu verdanken. Im Gegenzug hat Mertens dann eine echte Groß-Chance. Das war seine letzte Aktion, in Minute 60 ersetzt ihn 11 Mirallas, der auch am rechten Flügel spielt, aber deutlich mehr nach innen zieht als Mertens das tut.
Das Aufbau-Spiel der USA leidet auch unter den mangelnden Fähigkeiten von Cameron. Immer wieder muss Gonzales einspringen und dabei Löcher öffnen.
18 Wondolowski kommt (72.) für 19 Zusi. Gonzales verletzt sich (77.), spielt aber weiter. Die USA sind konditionell überraschenderweise schwächer. Und auch spielerisch mausetot.
Der belgische Druck steht kurz vor einer Entladung - irgendeine der wirklich guten Pass-Stafetten, egal ob übers Zentrum oder die Flanken, wird/muss ja einmal einen Abnehmer finden. Noch scheitern Origi (71.), Mirallas (76.), Hazard (79.), nochmal Origi (85.), nochmal Hazard (88.), Kompany (90.), wieder Hazard (91.) mit Riesenchancen.
In der Nachspielzeit kriegt Wondolowski einen Matchball, vergibt aber, wohl um der Gerechtigkeit willen.
Halbzeit 1: flamboyante Belgier rollen los
Erster Angriff, erste gute Szene von Origi, der schon damit mehr Gefahr bringt als Lukaku im ganzen Turnier.
Die von den TV-Stationen gestreute Variante mit Johnson rechts vorne und Cameron rechts hinten ist Schwachsinn - wie zu vermuten stand, macht Cameron (20) heute den Beckerman in der Zentrale: Team USA steht 4-1-4-1, mit Zusi rechts und Bedoya links. Jones halbrechts und Bradley halblinks teilen sich ihre Herrschaftsbereiche wie zuletzt flexibel auf.
Schnell hat sich eine Tempo-Gegenstoß-Partie entwickelt - jeweils eine Mannschaft nimmt volle Fahrt auf, und entwickelt mehr Wucht als Argentinien und die Schweiz über 120 Minuten zusammen.
Das belgische Mittelfeld ist so aufgeteilt wie ich es in Spiel 2 zuletzt gesehen habe: Witsel als Sechser, Fellaini als Box-to-Box-Achter halbrechts und De Bruyne als vekappter Spielmacher halblinks vor ihm. Hazard bleibt auf seiner Flanke links, Mertens rochiert derweil ein wenig weg von seiner rechten Seite.
Die erste Karte zieht Cameron in Minute 17, Ausdruck des belgischen Offensiv-Wirbels. Die USA wie immer über Standards gefährlich; die Gegenstöße aus dem Spiel sind zu unpräzise.
Fabian Johnson zerrt sich was (31.) - 2 Yedlin ist schnell bereit. Kompany fängt sich (41) eine Karte.
Kevin De Bruyne zeigt endlich was er draufhat, Edin Hazard könnte es ihm bald auch einmal gleichtun. De Bruyne sorgt derweilen für tolle Szenen über links und inszeniert ein minutenlange Powerplay.
In der Folge hält sich diese Konstellation in etwas geringeren Stärkegraden - das zuvor flamboyante Spiel flubbert der Halbzeit entgegen.
Die Aufstellungen
Belgien spielt in rot mit
1 Courtois; 2 Alderweireld, 15 Van Buyten, 4 Kompany (K), 5 Vertonghen; 8 Fellaini, 6 Witsel, 7 De Bruyne; 14 Mertens, 17 Origi, 10 Edin Hazard
Kompany kann also spielen, 3 Vermaelen ist verletzt, Van den Borre ebenso, Defour gesperrt. 9 Lukaku wird durch Origi ersetzt. In der Hinterhand sind noch 11 Mirallas, 19 Dembélé oder 20 Januzaj. Gelbgefährdet: Alderweireld, Witsel, Vertonghen.
Team USA in weiß mit
1 Howard; 21 Fabian Johnson, 3 Omar Gonzales, 5 Besler, 7 Beasley; 20 Cameron; 19 Zusi, 13 Jermaine Jones, 4 Bradley, 11 Bedoya; 8 Dempsey (K)
Der bisherige Sechser 15 Beckerman fehlt total überraschend, ihn wird wohl Cameron ersetzen. 17 Altidore bleibt auf der Bank, 2 Yedlin kam zuletzt immer von dort. Gelbbelastet: Gonzalez, Jones.
Schiri ist der Algerier Djamel Haimoudi, in der Arena Fonte Nova in Salvador. Es ist noch recht warm, mit hoher Luftfeuchtigkeit.
Was vor dem Match zu sagen ist
Bisher haben sich sieben Gruppensieger gegen sieben Gruppenzweite durchgesetzt.
Fehlt nur noch die Nummer 8.
Belgien hat sich von Titel des Geheimfavoriten ja verabschieden müssen, den hat mittlerweile Kolumbien geerbt. Die roten Teufel müssen mit einem nur halbwegs anerkennenden "ja, eh" auskommen - den hochgesteckten Erwartungen ist zu wenig an substanzieller Erfüllung gefolgt.
Andererseits: So schlecht war's bisher auch nicht. Gegen Algerien fand man deutlich besser zurück in ein schon fast abgegebenes Spiel als gestern über weiteste Strecken Deutschland. Gegen Russland war man klar besser und verstand es ruhig zu warten, aber nicht ganz so lange wie etwa gerade Argentinien. Und im recht bedeutungslosen letzten Spiel gegen wie wild anrennenden Südkoreaner bewahrten die Favoriten die nötige Ruhe um einen womöglich gar nicht verdienten Sieg zu lukrieren (so wie die holländischen Nachbarn).
Marc Wilmots hatte durchaus Besetzungsprobleme, fand nicht sofort die richtige Mischung.
Match 1 begann er mit 1 Courtois; 2 Alderweireld, 15 Van Buyten, 4 Kompany (K), 5 Vertonghen; 22 Chadli, 6 Witsel, 19 Dembélé; 7 De Bruyne, 9 Lukaku, 10 Edin Hazard - es wurde aber erst durch die Hereinnahme von Mertens und Fellaini ein Schuh draus.
Die standen dann in der Startformation von Spiel 2: 1 Courtois; 2 Alderweireld, 15 Van Buyten, 4 Kompany (K), 3 Vermaelen; 8 Fellaini, 6 Witsel, 7 De Bruyne; 14 Mertens, 9 Lukaku, 10 Edin Hazard - wie auch Lukaku, der wieder nicht entsprach und wieder (erfolgreich) durch den jungen 17 Origi ersetzt wurde.
In Spiel 3 schonte Wilmots dann einige Akteure und brachte 1 Courtois; 21 Vanden Borre, 15 Van Buyten, 18 Lombaerts, 5 Vertonghen; 16 Defour, 19 Dembele, 8 Fellaini; 14 Mertens, 20 Januzaj, 11 Mirallas.
Vanden Borre hat sich in diesem Spiel verletzt, Defour wurde gesperrt. Dazu ist mit den angeschlagenen Vermaelen und Kompany nicht zu rechnen.
Die Probleme der Belgier liegen nicht in der eventuell dezimierte Abwehr, sondern in der Offensive, wo die Torjäger des schnellen Spiels, De Bruyne und vor allem Edin Hazard nicht und nicht in die Gänge kommen. Lukaku vorne kann mittlerweile durch Origi gleichwertig ersetzt werden. Wilmots großes Plus ist sein wirklich guter Kader - das macht auch die mögliche Stärke im Verlauf des Turniers aus.
Der heutige Gegner USA gewann seinen Auftakt gegen Ghana glücklich, mit dieser Formation: 1 Howard; 21 Fab Johnson, 20 Cameron, 5 Besler, 7 Beasley; 11 Bedoya, 4 Bradley, 15 Beckerman, 13 J. Jones; 17 Altidore, 8 Dempsey (K).
Dieses 4-4-1-1 konnte Jürgen Klinsmann nicht weiter spielen, die Verletzung von Altidore zwang ihn im 2. Match, dem aberwitzigen Duell gegen Portugal, auf ein 4-5-1 umzustellen: 1 Howard; 21 Fabian Johnson, 20 Cameron, 5 Besler, 7 Beasley; 19 Zusi, 13 J. Jones, 15 Beckerman, 4 Bradley, 11 Bedoya; 8 Dempsey (K).
Dempsey ging ganz nach vorne, Zusi rückte ins offensive Mittefeld. Schließlich ersetzte Klinsmann in Partie 3 noch Abwehrspieler Cameron durch Gonzales, und den matten Bedoya durch Davies: 1 Howard; 21 Fabian Johnson, 3 Gonzales, 5 Besler, 7 Beasley; 15 Beckerman; 19 Zusi, 13 J. Jones, 4 Bradley, 14 Brad Davis; 8 Dempsey (K).
Entscheidend ist die Balance in der Zentrale: Beckerman spielt direkt vor der Abwehr, Bradley und Jones teilen sich die Räume davor auf und stoßen, je nach Verfassung, mal mehr mal weniger stark mit nach vorne. Dieses Dynamo treibt das Spiel an, dessen letzter Pass Clint Dempsey gilt. Altidore ist übrigens wieder fit, ob er von Klinsmann gleich wieder eingesetzt wird, darf bezweifelt werden.