Erstellt am: 28. 6. 2014 - 17:11 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 62.
Das ist das WM-Journal '14, die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.
Was bisher geschah:
Brasilien gegen Kroatien, Chile - Australien.
Brasilien - Mexiko,
Spanien - Chile und dann Nederland - Chile.
Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Ein würdiges Finale. Das leider nur ein Achtelfinale war.
Wichtig, um die Stimmung im Ausrichterland aufrecht zu erhalten. Schade um Chile.
Chile war in der Verlängerung enttäuschend, Brasilien eine ganze Zeit der 2. Halbzeit ziemlich im Eck. Insgesamt aber war das ein hochklassiges Match - ich bin nicht sicher, ob das hier noch getoppt wird.
Das Elferschießen
Brasilien beginnt mit 4 David Luiz: sicher, links, verladen 1:0.
Chile beginnt mit 9 Pinilla: direkt auf Cesar, mittig und zu flach!
19 Willian rollt den Ball links vorbei, zu überheblich, den Tormann, aber auch sich selber verladen. So ist Willian halt...
7 Alexis Sanchez schießt halblinks halbhoch und schwach, Julio Cesar hält.
6 Marcelo macht das 2:0, hoch und halbrechts, Bravo fast dran.
20 Aranguiz fetzt den Ball ins rechte Kreuzeck, toll, 2:1.
7 Hulk schießt Bravo an, zu mittig, scharf, aber dumm geschossen.
21 Diaz: 2:2, mittig, scharf, Julio Cesar fliegt weg.
Schütze 5 ist 10 Neymar: stoppt im Anlauf und trifft trotzdem flach links scharf, Bravo fliegt in die andere Ecke, 3:2.
Letzter Schütze ist 18 Jara: und der schießt an die rechte Innenstange. es bleibt beim 3:2, Chile ist raus, Brasilien durch
1. Achtelfinal - 1. Verlängerung, 20:02
Pinilla, der einzige große Chilene kriegt sowohl vorne als auch hinten jeden Kopfball. Nach 2 Minuten tritt Jô beim Versuch, an den Ball zu kommen, Tormann Bravo nieder: gelb. Jô ist überhaupt ein Stolperer.
Chile tut jetzt wenig, lässt die Verlängerung eher runterfließen. Brasilien unternimmt alles, das aber wenig ertragreich.
Die 2. Halbzeit beginnt um 20:22, mit 19 Willian statt 11 Oscar, eine sinnvolle Wahl, zumindest die des Ausgetauschten.
Brasilien probiert's weiter - Chile verliert 17 Gary Medel, den zentralen Abwehrmann, für ihn kommt in der 108. Minute 13 Jose Rojas, der sich wohl links in der Dreierkette einfinden wird, während Jara ins Zentrum rückt. Das war der letzte mögliche Wechsel. Danach igelt sich Sampaolis Mannschaft ein, sucht den Weg nach vorne gar nicht mehr. Nur einmal gelingt was - und dann setzt Pinilla seinen Schuss in Minute 120 an die Latte.
Eine 2. Halbzeit mit ungeahnter Intensitätssteigerung
Halbzeit 2: 19:06 on the way. Die Härte der 1. Halbzeit ist raus aus dem Spiel. Beide Teams bleiben in hohem Tempo und versetzen einander schnelle Stöße und Gegenstöße.
In Minute 54 erkennt Schiri Webb einen schönen Hulk-Treffer wegen Handspiel ab - zudem kriegt er bullige Angreifer auch noch gelb. Die Hektik nimmt zu. Luiz Gustavo holt sich eine Karte und eine Matchsperre fürs Viertelfinale.
In Minute 56 kommt 16 Felipe Gutiérrez, ein Achter, der in Spiel 3 Vidal ersetzt hatte, für Vargas, den Stürmer - versteh ich nicht... Vidal ist anschließend noch weiter vorne zu finden.
Man hat das Gefühl, dass dieses eh schon intensive Spiel von Minute zu Minute an Intensität zunimmt.
21 Jô wird Fred ersetzen (64.) das ist zweifach sinnvoll: 1) weil Fred scheiße heute 2) weil Jô ein Homeboy hier in Belo Horizonte. Eine Minute später kann Aranguiz einen tollen Vidal-Ball nicht unterbringen, Julio Cesar rettet.
Das ist die schwächste Phase der Selecao in diesem Spiel bisher: Offensiv kommt nix an, defensiv wackelt man gerade. Scolari will das durch die Einwechslung von 16 Ramires lösen (72.), der statt 5 Fernandinho kommt. Das bedeutet schon mehr Offensive. Jô verfehlt einen Hulk-Cross knapp, andere Zeichen bleiben aber aus. Brasilien müht sich ins Match zurück. Oscar ist heute komplett untergetaucht, also wird es an Neymar hängenbleiben. Und in den letzten zehn Minuten zeigt sich das dann auch. Chile ist nun übervorsichtig und will sichtbar in die Verlängerung kommen. Brasilien sucht hingegen die Entscheidung.
Der mittlerweile wieder erstklassige Claudio Bravo rettet bei einem tollen Hulk-Schuss.
In Min 87 ersetzt Stürmer 9 Pinilla den Notstürmer Vidal, der einfach nicht mehr kann.
Witzig, dass der deutsche Kommentar das brasilianische Spiel "richtig schwach" findet, die schwachen (und zurückgenommenen) Leistungen der Deutschen aber nie so kritisch hinterfragt hat. So ist das mit falsch verstandenem Patriotismus.
Eine untypische, harte, schnelle Halbzeit voller Klasse
Halbzeit 1 geht erst um 18.02 los, wegen der doppelten Hymnen-Überlänge wohl...
Dani Alves ist weiter grau.
Chile presst hoch, schon gegen die Innenverteidigung. Vidal floatet heute sehr frei, ist gerne vorne mittendrin in einem 3-4-3.
Brasilien interpretiert sein 4-2-3-1 heute vorsichtig - die beiden Defensiven stehen weit hinten drin, auch Oscar ist eher verhalten. Beide Mannschaften beginnen mit Härteeinlagen, wollen sich Respekt verschaffen - weshalb dann auch Neymar nach einen Foul gegen ihn weit hinten beginnt.
Auch Brasilien presst hoch, teilweise schon gegen den Tormann. Die Vorstöße über die Außen werden schnell und schnörkellos vorgetragen, die Angriffe übers Zentrum sind weniger kraftvoll, mehr verspielt.
Webb verweigert Hulk einen Elfer (13.) nach einer zarten Berührung - die Schwalbe von Fred zu WM-Beginn hat nachhhaltigen Schaden angerichtet. Die erste Karte kriegt Mena wegen eines Hands, er zieht damit eine Matchsperre fürs eventuelle Viertelfinale.
Brasilien gewinnt nach 15 Minuten die Überhand, auch weil Neymar wieder da ist. Und die hohen Bälle machen die kleinen Chilenen nervös. Folgerichtig das 1:0 in Minute 18: Nach einem Corner verlängert Thiago Silva und David Luiz hält am langen Eck den Fuß hin.
Neymar befindet sich am Rande des Revanchefouls und der Spielsperre, der Superstar ist von den chilenischen Attacken schon angenervt.
Nach dem Tor holt sich Chile die Spielhoheit, ganz automatisch. Brasilien jetzt im Kontermodus, vor allem mit dem schnellen Neymar. Der spielt heute, wo er will, nur nie auf seiner linken Seite.
Brasilien legt es heute eher auf ein 4-3-2-1 an, mit Oscar als Offensivpart in Mittelfeld, mit Hulk und Neymar als free agents hinter Fred. Defensiv stehn sie allerdings hinten mit drin, ein einem 4-5-1. Ist aktuell auch notwendig gegen die drängenden Rot-Blauen.
Nach 32 Minuten der Ausgleich nach einem Einwurf, einem Ballfehler von Hulk und dem schnellen Aufspiel von Vargas kommt der Ball zu Sanchez, der flach ins lange Eck schießt.
Chile bleibt am Drücker, Brasilien wirkt ein bissl geschockt. Nach 35 Minuten löst Neymar den Druck mit einem guten Kopfball. Und bald spielt sich die Selecao wieder in Überlegenheit, mit Neymar an vorderster Front. Auch Silva kriegt eine Karte, auch er fällt für ein eventuelles Viertelfinale aus. Dani Alves überlistet den heute ein wenig weniger guten Bravo fast mit einem Lob.
Interessant, dass beide Teams mit für sie ungewohnten Mitteln zu Torszenen kommen: mit langen weiten Bällen aus dem Halbfeld in die Spitze, auch für Kopfbälle gedacht. In der Nachspielzeit erarbeitet sich Chile nach gutem Pressing noch eine exzellte Chance.
Die Aufstellungen
Brasilien in gelb/weiß mit
12 Julio Cesar; 2 Dani Alves, 3 Thiago Silva (K), 4 David Luiz, 6 Marcelo; 5 Fernandinho, 17 Luiz Gustavo; 7 Hulk, 11 Oscar, 10 Neymar; 9 Fred
... und Scolari hat es doch getan: 8 Paulinho ist draußen, Fernandinho drinnen. Bravo.
Gelbbelastet: Thiago Silva, Luiz Gustavo und Neymar.
Chile in rot/blau mit
1 Claudio Bravo (K); 5 Francisco Silva, 17 Medel, 18 Jara; 4 Isla, 21 Marcelo Diaz, 20 Aranguiz, 2 Mena; 8 Vidal; 7 Alexis Sanchez, 11 Eduardo Vargas
Jorge Sampaoli hat also auf die Aufstellung von Match 2 zurückgegriffen, wird sie aber vorsichtiger einsetzen, ich schätze, dass Isla und Mena außen eher nicht so ganz weit vorne platziert sein werden. Wieder mit ohne 10 Valdivia.
Gelbgefährdet: F. Silva und Mena, Aranguiz und Vidal
Im Estádio Mineirão in Belo Horizonte leitet Howar Webb.
Was vor dem Match zu sagen ist
In der K.O.-Runde beginnt das Turnier noch einmal. Alles was davor passiert ist, gilt nicht mehr - was für die Gruppenphase galt, kann man sich in die Haare schmieren. Erst jetzt zeigt sich, wie Mannschaften mit dem Druck des Weiterkommens umgehen können.
Das erste Achtelfinale ist gleich das hochwertigste. Brasilien, immer noch und trotz aller Kritik der Turnier-Favorit, trifft auf die beste der hier hochgelobten und -gehandelten anderen südamerikanischen Mannschaften, Chile. Ich kann kein anderes Achtelfinal-Spiel erkennen, das dem ersten in Bezug auf Ausgewogenheit und Klasse das Wasser reichen kann.
Die Auslosung ist nicht nur in dieser Hinsicht scheiße - im Viertelfinale trifft der Sieger auf den Sieger des heutigen Abendspiels, auch eine südamerikanische Mannschaft.
Brasilien hat gegen Kroatien mühevoll reingefunden, sich gegen Mexiko dann schon recht blöd angestellt und schließlich gegen das bereits ausgeschiedene Kamerun auch erst spät freigeschossen.
Und das mit der mehr oder weniger immer selben Mannschaft:
12 Julio Cesar; 2 Dani Alves, 3 Thiago Silva (K), 4 David Luiz, 6 Marcelo; 8 Paulinho, 17 Luiz Gustavo; 7 Hulk, 11 Oscar, 10 Neymar; 9 Fred
In Spiel 2 ersetzte zuerst 16 Ramires dann 20 Bernard den verletzten Hulk.
In Spiel 3 bot der in Halbzeit 2 statt des stets enttäuschenden Paulinho gekommenem 5 Fernandinho eine gute Leistung.
Ob Luis Felipe Scolari seine festgefahrene Aufstellung ändern wird, darf trotzdem bezweifelt werden - es sei denn eine Verletzung zwingt ihn dazu: Fürs Achtelfinale ist David Luiz fraglich.
Chile hat gegen Australien mit einer zumindest teilweisen Gala-Vorstellung begonnen. Mit folgender Mannschaft, einem 4-3-3: 1 Claudio Bravo (K); 4 Isla, 17 Medel, 18 Jara, 2 Mena; 21 Marcelo Diaz: 20 Aranguiz, 8 Vidal; 7 Alexis Sanchez, 10 Valdivia, 11 Eduardo Vargas.
Für das endgültige Ende der großem spanischen Ära sorgte dann ein sensationelles 2:0 das mit einer leicht umgestellten Mannschaft, jetzt im 3-2-3-2
1 Claudio Bravo (K); 5 Francisco Silva, 17 Medel, 18 Jara; 21 Marcelo Diaz, 20 Aranguiz; 4 Isla, 8 Vidal, 2 Mena; 7 Alexis Sanchez, 11 Eduardo Vargas
Spiel 3, als man gegen die Holländer riskierte und verlor, fand ohne den die ganze Zeit schon angeschlagenen Vidal statt, diesmal eher in einem 3-5-2
1 Claudio Bravo (K); 5 Francisco Silva, 17 Medel, 18 Jara; 4 Isla, 16 Felipe Gutiérrez, 21 Marcelo Diaz, 20 Aranguiz, 2 Mena; 7 Alexis Sanchez, 11 Eduardo Vargas
Diese drei Aufstellungen zeigen nur einen Teil der chilenischen Variationsbreite. Die Joker dabei sind Vidal (Fitness vorausgesetzt) und der Zehner, Jorge Valdivia.