Erstellt am: 27. 6. 2014 - 10:47 Uhr
Vorratsdatenspeicherung von VfGH aufgehoben
Tipp:
Erich Moechel über die Verhandlungen vor dem Verfassungsgerichtshof am 12. Juni: Sicherheit von Vorratsdaten wurde nie überprüft
Der österreichischeVerfassungsgerichtshof hat die Vorratsdatenspeicherung in ihrer aktuellen Form für verfassungswidrig erklärt.
Die Gesetze für das Sammeln und Speichern von personenbezogenen Daten durch öffentliche Stellen, ohne dass diese aktuell benötigt würden, seien nicht mit der Verfassung vereinbar, so die Höchstrichter. Die Vorratsdatenspeicherung sei "nicht verhältnismäßig" und stelle einen schweren Eingriff in den Datenschutz dar. Vor allem die Verknüpfung der unterschiedlichen Metadaten sei dabei problematisch. Außerdem würden zu viele Personen ohne Verdacht überwacht werden - nämliche nahezu die gesamte österreichische Bevölkerung, so die Verfassungsrichter.
Presseaussendung des Verfassungsgerichtshofs: PDF
Eingeführt wurde die Vorratsdatenspeicherung von der österreichischen Regierung mit April 2012 aufgrund einer EU-Richtlinie. Begründet wurde die Maßnahme seitens der EU-Kommission mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Allerdings erfolgte seitdem keine einzige Abfrage der gesammelten Vorratsdaten wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung. Die meisten Abfragen im Jahr 2013 - insgesamt 113 - erfolgten wegen Diebstahls, 59 Abfragen gab es wegen Drogendelikten und 52 wegen Raubs. In den weiteren Fällen ging es um beharrliche Verfolgung, Betrug und gefährliche Drohung.
Sicherheitsvorkehrungen fehlen
In seiner ausführlichen Begründung für die Entscheidung schreiben die Höchstrichter, dass in den Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung zahlreiche präzise gesetzliche Sicherheitsvorkehrungen fehlen, unter anderem was die genaue Ausgestaltung der Speicherverpflichtung, die Voraussetzungen für die Zugriffe auf diese Daten und die Verpflichtung der Löschung dieser Daten beträfe.
Die „Streubreite“ der Vorratsdatenspeicherung überträfe die bisher in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu beurteilenden Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz, und zwar nicht nur hinsichtlich des betroffenen Personenkreises, sondern auch der Art der betroffenen Daten sowie der Modalität der Datenverwendung. Regelungen wie eine Vorratsdatenspeicherung können zwar zur Bekämpfung schwerer Kriminalität zulässig sein, so die Verfassungsrichter, aber nur, wenn sie im Einklang mit dem Datenschutz und der Menschenrechtskonvention stehen.
Keine Reparaturfrist
Die Frage, wie eine verfassungskonforme Regelung aussehen könnte, stelle sich für den Verfassungsgerichtshof jetzt nicht. Er gewährt der Regierung keine Frist zur Reparatur. Die Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung trete mit der Kundmachung, die unverzüglich durch den Bundeskanzler zu erfolgen habe, in Kraft.
AK Vorrat ist erfreut
Für Thomas Lohninger vom AK Vorrat, der die Verfassungsklagen gegen die Vorratsdatenspeicherung koordiniert hat, ist heute ein erfreulicher Tag. Der AK Vorrat habe es mit zehn ehremamtlichen Mitarbeitern und nur wenigen Ressourcen geschafft, ein Überwachungsgesetz für ganz Europa und auch dessen österreichische Umsetzung zu kippen. "Seit dem EuGH-Urteil, das uns auf ganzer Linie Recht gegeben hat, war mir klar, dass wir das auch in Österreich nur gewinnen können". Erstaunlich ist, wie ähnlich die heutige Urteilsbegründung des VfGH der jahrelang vom AK Vorrat vorgebrachten Argumentation gegen die Vorratsdatenspeicherung ist.
Der Aktivist freut sich auch, dass der Verfassungsgerichtshof der Bundesregierung einen Schuss vor den Bug gegeben habe. Lohniger: "Ein Satz des VfGH-Präsidenten lautete heute: 'Die technische Entwicklung schreitet schneller voran als die Gesetze'". Er habe die Regierung aufgefordert, bei der Gesetzgebung besser auf Grundrechte zu achten.