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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

5. 7. 2014 - 19:23

My body is here, right in front of you

Müllsammlerinnen, männliche Cheerleader und schwarze Schwäne - eine Programmvorschau auf das Impulstanzfestival 2014.

Müllsammlerinnen, Kinderprostituierte und missbrauchte Männer sind die ProtagonistInnen einiger der größeren Produktionen, die Impulstanz diesen Sommer auf die Wiener Bühnen bringt. Ganz schön schwere Kost für ein Festival, das ansonsten die Leichtfüßigkeit zelebriert. Doch im zeitgenössischen Tanz ging es schon immer darum, Position zu beziehen - und zwar räumlich, körperlich und ideologisch.

Opening

Das Impulstanzfestival findet von 17. Juli bis 17. August 2014 statt.

  • Hier geht's zum Performance-Programm.
  • Vom klassischen Ballett über Bondage-Yoga bis zum japanischen Todestanz Butoh kann man bei den Impulstanz-Workshops jede erdenkliche Tanzrichtung ausprobieren.
  • Alle die lieber individuell das Tanzbein schwingen, kommen bei den Impulstanz-Parties auf ihre Kosten - im Burgtheater Vestibül bei freiem Eintritt.

Passend dazu eröffnet die bereits 31. Ausgabe des Festivals mit einem dreckigen Haufen alter Kleider und einem Bewegungsrepertoire, das sich "Bastardtanz" nennt. In Tauberbach stellt Alain Platel mit seiner Compagnie Les Ballets C de la B (Belgien) die wahre Geschichte von Estamira nach, einer Mitte-60-Jährigen, die an Schizophrenie leidet und auf einer Müllhalde bei Rio de Janeiro lebt. Der Titel bezieht sich auf die Musik im Stück - Werke von Bach gesungen von einem Gehörlosenchor. Klingt zunächst bedrückend, die Kritiken allerdings überschlagen sich und sprechen von einem würdevollen Leben in einer würdelosen Umgebung. Tauberbach verspricht, ein schöner Kontrapunkt zum jüngsten Brasilien-Spektakel zu werden.

Black Swans

Zwei andere Produktionen führen in diesem Theaterfestivalsommer einen Diskurs fort, der mit der Aufregung rund um das Stück "Die Neger" bei den Wiener Festwochen begonnen hat. Ursache der Proteste gegen das an sich anti-rassistische Stück waren der Titel und das Blackfacing (Weiße mit bemaltem Gesicht spielen Schwarze). Swan Lake von Dada Masilo und The Dance Factory (Südafrika) ist hingegen ein Stück für ein rein schwarzes Ensemble. Sie brechen die angestaubte Ballettromantik mit zeitgenössischem afrikanischem Tanz, launigen Kommentaren über die Funktionsweisen von Choreographien und einem Pas de deux zweier Männer.

Newcomer

In ihrem Solo Yellow Towel arbeitet sich die karibisch-kanadische Dana Michel schließlich auf sehr unaufgeregte und witzige Weise an den Klischees über Black Culture ab - von der Blues-Trompete bis zum Gangsta-Rap.

Alle 8tension-Produktionen sind für den mit 10.000 Euro dotierten Prix Jardin d’Europe nominiert, bei dem erstmals auch ein Fan-Award vergeben wird, für den man online voten kann. Die Gala am 17. August moderieren Dirk Stermann und Doris Uhlich.

Letzteres ist übrigens ein Stück der 8tension-Reihe, die die Arbeiten von Newcomer-ChoreographInnen vorstellt und heuer einige der spannendsten Stücke präsentiert: Geumhyung Jeong aus Südkorea z.B. hat extra den Baggerführerschein gemacht und thematisiert ihren Fetisch für große Baumaschinen in Oil Pressure Vibrator. Daniel Kok aus Singapur, der schon als Militärausbildner und Pole Dancer gearbeitet hat, macht im Ringer-Outfit den Cheerleader of Europe und präsentiert eine Show über Utopien politischen Glücks. Pompons und Sprechgesänge inklusive: "My body is here / right in front of you / you can see it / and touch it / and you can smell it too".

If you don't understand dance, you understand our piece

Eine Produktion, die schon im Vorfeld ihrer Uraufführung bei Impulstanz für reihenweise Interviewanfragen bei Regisseur Lloyd Newson (Australien) geführt hat, trägt den schlichten Titel John.

Mit seinem ungeschönt dokumentarischen Anspruch ist Newson so etwas wie der Ulrich Seidl des Tanztheaters. Für John hat er 50 Männer zu Liebe, Sex und harten Zeiten befragt, folgt aber der Biographie eines einzelnen Protagonisten, der in seiner Jugend Missbrauch, Drogenabhängigkeit und Gefängnis erlebt hat. Die Frage lautet, ob man so einer Vergangenheit jemals entfliehen kann. Die Stücke des DV8 Physical Theatre, das Lloyd Newson 1986 gründete und nach wie vor leitet, zeichnen sich durch einen hohen Wortanteil und konkrete Bewegungen aus. "If you don't understand dance, you'll understand our piece.", sagt Newson.

Performer Hannes Langolf in Lloyd Newson's dance piece "John".

© Ben Hopper

Local scene

Neben all den internationalen Produktionen hat auch die heimische Szene einiges zu bieten. Shooting Star Florentina Holzinger meldet sich nach ihrem Unfall auf der Bühne mit einem Stück namens Agon zurück. Nachdem sie länger außer Gefecht gesetzt war, gibt sie sich darin umso kämpferischer und thematisiert den Prozess ihrer Genesung.

Kriegerisch geht es auch in Amanda Piñas (Chile) und Daniel Zimmermanns (Schweiz) neuem Stück War zu. Nachdem die beiden schon mit dem von ihnen gegründeten "Ministerium für Bewegungsangelegenheiten" von sich reden gemacht haben und sogar Bundespräsident Heinz Fischer zum Tanzen gebracht haben, erkunden sie in ihrer neuen Produktion das Bewegungsrepertoire des Hoko, des Kriegstanzes der Osterinsel und erörtern, in welchem Verhältnis traditioneller und zeitgenössischer Tanz stehen.

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Die genannten Produktionen sind wie immer nur ein Bruchteil dessen, was interessant erscheint. Schaut euch das Programm durch. Es lohnt sich.