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Anna Mayumi Kerber Nairobi

Reportagen und Geschichten aus Ostafrika.

29. 6. 2014 - 13:38

#freeAJstaff

Drei Journalisten. 24 Jahre Haft. Ein Urteil gegen die Medienfreiheit.

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich Peter Greste zum ersten Mal traf. Ich kann mich aber gut daran erinnern, wie er bei einem BBQ eine Schürze trug und Spargel auf dem Grill gewendet hat. Vorgestern wurde Peter in Ägypten zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Peter Greste, Mohamed Fahmy und Baher Mohamed sollen Terroristen geholfen haben. Sie sollen die nationale Sicherheit Ägyptens gefährdet haben. Auf Basis dieser Anschuldigungen erhielten die drei Journalisten Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren.

#freeajstaff

phil moore

Die Anschuldigungen basieren auf Gesprächen mit der Muslimbruderschaft, einer inzwischen verbotenen Organisation. Während der Recherche für einen Beitrag hatten die drei sich mit Mitgliedern der Gruppe getroffen.

Fahmy und Mohamed kenne ich persönlich nicht. Peter allerdings schon. Wenn auch nicht so gut wie viele meiner Kollegen und Freunde hier in Nairobi. Als Kollege, als Nachbar, als Freund.

Hub Nairobi

Die kenianische Hauptstadt Nairobi ist das Zuhause vieler Journalisten, die die gesamte Region abdecken. Hier hat die UN ihr regionales Hauptquartier, es ist Sitz zahlreicher NGOs und Botschaften, es gibt eine brauchbare Infrastruktur und gute Flugverbindungen in umliegende Länder. Nairobi ist ein Hub. Ein Hub für viele, die in der Region tätig sind. "Die Region" ist für manche das Horn von Afrika, für andere Ostafrika, für wieder andere Ost-, Zentral- und/oder Südafrika. Sub-saharisches Afrika. Afrika halt.

zoe flood

Viele von uns arbeiten unter widrigen Bedingungen. Die wenigsten haben Verträge. Man ist freischaffend. Kein fixes Einkommen, keine Versicherung. Von bezahltem Urlaub ganz zu schweigen. Und die meisten Medien zahlen bekanntlich schlecht.

Wir arbeiten zumeist in Ländern und Gegenden, die sich kaum jemand als Urlaubsziel aussuchen würde. Meist sind Waffen involviert. Politische Intrigen. Wirtschaftliches Versagen. Menschliches Leid.

Die Initiative #freeAJstaff wurde von meinen Kollegen hier in Nairobi ins Leben gerufen. Die Vereinigung ausländischer Korrespondenten hat eine Demo vor der ägyptischen Botschaft und eine weitere durch das Stadtzentrum der kenianischen Hauptstadt organisiert. Christiane Amanpour hielt am ersten Tag ein Schild mit #FreeAJstaff in die Kamera. Tausende weitere Kollegen und Mitstreiter sandten Fotos über Twitter, Facebook und andere Social Media — und tun dies weiterhin.

Kollegin Jessica Hatcher und Fotograf Phil Moore haben die Initiative ins Leben gerufen. Jess erzählt, wie:

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#freeajstaff #journalismisnotterrorism #journalismisnotacrime zib

orf

jamie taraby

Die ZIB Redaktion im ORF zeigte sich nach dem Urteil solidarisch. #Journalismisnotterrorism

Die New York Times druckte die Botschaft hier rechts auf der letzten Seite - an jenem Tag, an dem später das Urteil gefällt werden sollte.

Peter Greste wurde in Abwesenheit zum Vorsitzenden der Auslandskorrespondenten in Nairobi ernannt. Stellvertretender Obmann ist Gabriel Joselow. Gabe, Korrespondent für VOA (Voice of America), erklärt in einem Gespräch, warum dieses Urteil für uns alle relevant ist.

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Kenia hat seit einigen Monaten ein neues Mediengesetz. Es erlaubt uns allen, ein wenig weniger zu tun.

"Diese Mediengesetze zwingen Journalisten und Nachrichtenorganisationen zur Selbstzensur," sagte Tom Rhodes vom CPJ (Committee to protect journalists) Ostafrika. Sie seien ein ernsthafter Rückschlag für investigative Berichterstattung.

Es erlaubt der Regierung individuelle Journalisten mit Strafen über bis zu 5.500 US-Dollar zu belasten und Medienhäuser mit bis zu 230.000 US-Dollar. Im Visier sind Nachrichtenorganisationen und Reporter, die gegen die Regierung berichten. Und die kontroversen Regelungen stehen im Konflikt mit der in der Verfassung fest gehaltenen Medienfreiheit.

"Vor ein paar Wochen habe ich mit einem belgischen Fotografen gearbeitet", berichtet Olouch Robert Agumba. Er ist Freelancer und arbeitet regelmäßig für internationale Medienorganisationen. Gedreht haben sie an jenem Tag für ein europäisches Architekturmagazin. Sie endeten auf sechs Polizeistationen. Mussten Kopien von ihren Pässen und Presseausweisen machen lassen. Adressen angeben. "Sie werfen uns Terrorismus vor und können uns verhaften”, so Agumba. Offizielle Gebäude dürfen nicht fotografiert werden. Die Bilder könnten in die falschen Hände geraten. Die Anti-Terror-Polizei taucht binnen weniger Minuten bei jedem Shoot auf, den er derzeit macht, erzählt Agumba.

Und trotzdem. Wir fliegen in Krisengebiete. Mit notdürftiger Versicherung. Wir vertrauen Kollegen. Wir machen BBQs. Und drehen Spargel um.