Erstellt am: 25. 6. 2014 - 17:37 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 57.
Das ist das WM-Journal '14, die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.
Die letzten Gruppenspiele für C und D: zu Griechenland - Cote d'Ivorie und Italien - Uruguay gibt's was, zu Costa Rica - England und Japan - Kolumbien nicht.
Die letzten Gruppenspiele für A und B: Nederland - Chile und Kroatien - Mexiko hab ich gecovert, die Parallelspiele Australien - Spanien und Kamerun - Brasilien nicht. Vielleicht später noch, wegen mangelnder Bedeutung für den weiteren Verlauf, aber wohl eher nicht.
Tag 11 mit Belgien - Russland und Südkorea - Algerien sowie USA - Portugal
Tag 10: Argentinien - Iran, Deutschland - Ghana und Nigeria - Bosnia
Tag 9: Italien - Costa Rica dann Schweiz - Frankreich und schließlich Honduras -Ecuador.
Tag 8: Kolumbien - Cote d'Ivoire und Japan - Griechenland sowie Uruguay - England
Tag 7 brachte Kamerun - Kroatien, Australien - Niederlande und Spanien - Chile.
Tag 6: mit dem ersten Spiel der 2. Runde, Brasilien - Mexiko, dann noch mit Belgien - Algerien und Russland - Südkorea.
Tag 5 hatte Deutschland - Portugal, die erste Nullnummer bei Iran- Nigeria und dann noch Ghana - USA.
Tag 4 brachte die Schweiz - Ecuador, dann Frankreich - Honduras und schließlich das denkwürdige Argentinien - Bosnien.
Das sind die Spiele von Tag 3: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.
Das war die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die Spiele von Tag 2: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien
Vorab-Einschätzungen der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal
Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Das Ende der Gruppe F:
Argentinien hat sich just gegen den besten Gegner der Gruppe wieder gefunden und die beiden grausamen Auftritte davor vergessen machen können. Messi ist wieder bereit sich über den Mittelkreis hinaus zu bewegen, die Mannschaft dafür für ihn zu laufen, Di Maria und Co haben ihre passive Resistenz aufgegeben. Die blauweiße Maschine läuft, wenn auch noch nicht optimal - und dabei ist nicht die eh gute Abwehr das Problem, sondern die Konzentration auf den einen Trick, alles eng durch die Mitte zu probieren, anstatt sich auch mittels ausgewiesenem Flügelspiel variabel zu zeigen. Spiel 3 hat endlich gezeigt, dass ein Ausbau in diesem Turnier noch möglich ist.
Nigeria verliert gegen Argentinien, remisiert gegen den Iran und gewinnt gegen Bosnien - und überall, in allen Matches war etwas zu spüren von der funkensprühenden Klasse, die der blitzschnelle, hochvertikale Tempo-Fußball des Afrikameisters versprühen kann. Aber nicht genug davon. Auch da ist noch Luft nach oben.
Bosnien war gegen Argentinien zu grün und auch im direkten Duell um Platz 2 gegen Nigeria dann nicht nachdrücklich genug. Selbst in der Drangphase gegen Ende hatte ich nie das Gefühl, dass das noch was wird. Sowas hängt auch mit dem Glauben an sich selbst zusammen. Und so wird die Diskrepanz zwischen dem was man vorgibt anzustreben (posermäßig öffentlich) und dem was man sich in echt zutraut zu groß um nicht darin verlorenzugehen.
Der Iran war eine angenehme Überraschung: defensiv brillant organisiert, vorne auch akzeptabel; ein wenig glücklos - vor allem gegen Argentinien, wo man ein Remis wirklich verdient hätte. Overall durchaus ein Versprechen; und - wegen der geringen Erwartungen im Vergleich zu Japan und Korea - dann mit der besten Leistung eines asiatischen Teams.
Trotzdem ist es in Gruppe F ein wenig wie mit Gruppe C: Hier hätten es Italien, Spanien oder auch England ebenso wie Ghana oder Portugal ziemlich sicher geschafft sich durchzusetzen.
Halbzeit 2...
... beginnt wieder mit einem Tor von Musa - 2:2 nach einem exzellenten Durchsteckerpass marschiert er durchs Abwehrzentrum und schiebt flach ein (47.). Danach noch eine gelbe für Omeruo.
Und wieder zwei Minuten später das 2:3 durch Rojo, dem ein Cornerball auf den Fuß fällt. Danach Gelb für Oshinawa.
Die vielbeschworene Abwehrschwäche der Argentinier mag ich ebenso wenig sehen wie Tormann Romero als den ohnehin schon widerlegten "Schwachpunkt". Nigerias Offensive ist einfach schwer zu spielen, sowas kann passieren - Fernandez und Garay sind ein erstklassiger Duo für Innen, was den Aufbau und auch das Kopfballspiel betrifft, Zabaleta und auch der angeblich ungeeignete Rojo spielen auf ihren Seiten eine sehr gute Rolle. Im Vergleich zu Brasilien oder Deutschland ist zwar weniger Erfahrung drin - einen großen Abstand kann ich aber nicht erkennen.
Argentinien setzt nach der neuerlichen Führung nach, Messi zeigt einige wirklich gute Passes, und kriegt auch selber Einschusschancen. Higuain spielt linke Spitze, Lavezzi vornehmlich rechts.
Im Parallelspiel hat Bosnien, wie erwartet, alles im Griff, weshalb Nigeria dann eh auch bei einer Niederlage fix durch wäre.
In Minute 63 geht Kaiser Messi, für ihn kommt 19 Ricardo Álvarez, Kapitän ist jetzt Mascherano. Alvarez ist einer, der die Messi-Position könnte. 18 Babatunde hat eine Armverletzung, der lange 20 Uchebo, eher ein Center, wird kommen (64.). Odemwingie ortientiert sich jetzt nach rechtsaußen, Uchebo spielt neben/hinter Emenike.
Toller Freistoß-Trick der beiden Besten neben Messi heute: Di Maria und Lavezzi bringen den Ball aber nicht an Enyeama vorbei (77.), Garay verköpft kurz danach knapp - die Führung ist hochverdient.
In der 80. kommt 19 Uche Nwofor für den heute blassen Odemwingie. Noch einer diese vielen Power-Stürmer aus dem scheinbar endlosen nigerianischem Reservoir.
Die Schlussphase fahren jetzt beide mit halber Kraft, das Level ist aber ohnehin hoch/gut genug. Argentinien testet ein paar Dinge (Konter, Tricks, das Leben ohne Messi an sich), Nigeria muss sich in fast jeder Situation damit anfreunden, dass ein effektives Durchkombinieren schwer möglich ist, sich da doch ein Klasse-Unterschied aufmacht.
Letzter Wechsel schon in der Nachspielzeit: 6 Biglia für 9 Higuian.
Ganz prinzipielles und ein Zwischendurch-Fazit
Das finde ich jetzt interessant: in den TV-Kanälen wird die Leistung der Argentinier und vor allem die von Messi sehr kritisch bewertet. Wie ich finde nicht wirklich gerechtfertigterweise: denn wiewohl wir Zeuge einer vielleicht nur durchschnittlichen, oder mittelguten Leistung der Albiceleste werden - es ist die weitaus beste im Turnier.
Und: bei den vorigen Partien waren die Live-Kommentatoren und auch die Analysten deutlich unkritischer, blieben vage und resultatsgebunden.
Das ist typisch, leider. Und zwar nicht nur für Fußball-Journalisten oder Medien, sondern überhaupt - für Menschen.
Man traut sich erst dann kritische Anmerkungen zu machen, wenn man sich nach einer längeren Umsicht der Bestätigung dessen, was man zuvor nicht gewagt (oder auch: nicht erkannt) hatte, versichert.
Ich hasse das.
Und ich kann es dann natürlich auch nicht leiden, wenn sich dann der Mainstream spät (fast immer: zu spät) auf etwas draufsetzt, was dann schon gar nicht mehr stimmen muss.
So kommt es dass die bei weitem beste argentinische Leistung im Turnier dann von einer Zuspätkommer-Meute, die sich zuvor nix getraut und Angst vor der zeitgerechten Präsentation von Meinung hatte, runtergeredet wird; aufgrund ihrer schwachen Verfasstheit runtergeredet werden musste.
Das hasse ich auch.
Halbzeit 1: Argentinien ist angekommen
Erster guter Angriff (3.) - 1:0. Di Maria wird von Mascherano halblinks ideal freigespielt, zieht durch, Enyeama kann seinen Ball an die Stange lenken, den Abpraller fetzt Messi ins Netz.
Zweiter guter Angriff (4.) - 1:1. Musa setzt sich nach einem prima Tempo-Gegenstoß am linken Flügel durch und schlenzt einen Zauberball ins lange Eck. Kein Abwehrfehler, einfach zu perfekt gespielt.
Die Folge: Argentinien probiert's mit dem engmaschigen, auf Messi zugeschnittenen Barca-Style durch die Mitte durch. Angel Di Maria hat sich offenbar vorgenommen heute etwas zu zeigen. Da mag auch Messi nicht hintanstehen, setzt Higuain halblinks ideal ein - der scheitert an Enyeama, einem der wirklich sehr guten Keeper in diesem Turnier.
Sehr fesche Anfangsminuten.
Argentinien hat sich also bereit gefunden das Spiel zu machen, die Mittelfeldspieler kombinieren nach vorne. Nigeria hat den Fight angenommen und versucht seine Tempogegenstöße, Direktpass-Staffeln oder Weitschüsse anzubringen.
Das Wetter ist gut, die Fans singen ein freundliches Lied, ich bin zufrieden.
Nigerias Abwehr nimmt die Spielfeldverengung durchaus dankbar zur Kenntnis - dadurch können sie sechs Mann auf engem Raum auffädeln. Vorne spielen sie keckes Angriffspressing.
Argentinien schwingt sich zu teilweise tollen Pass-Kombinationen quer durch den gegnerischen Strafraum auf - entweder das klappt weil es heute um nix mehr geht oder aus einem der beiden noch möglichen Gründe, die ich weiter unten angegeben habe.
Taktgeber ist in jedem Fall Angel di Maria aus dem linken Mittelfeld heraus diktiert er das Tempo des Spiels und den Duktus der Angriffsaktionen.
22 Lavezzi muss für den raushumpelnden 20 Aguero kommen (38.)
In der Nachspielzeit hebt Messi einen 20-Meter-Freistoß an Enyeama vorbei in die Ecke: 1:2. Auch nicht unverdient.
Ausgangsposition in Gruppe F:
Argentinien ist durch. Für den Gruppensieg reicht ein Remis gegen Nigeria, bei einer Niederlage sind die Afrikaner erster.
Nigeria ist zudem auch mit einem Remis durch, sofern der Iran gegen Bosnien nicht gewinnt. Dem nützt nur der Sieg was, Bosnien ist raus.
Wenn Nigeria 1:0 verliert und der Iran 1:0 gewinnt, sind die beiden Mannschaften bis auf den Millimeter gleichauf, weshalb dann das Los entscheiden muss. Sowas ähnliches gab es schon einmal bei der WM 1990, als die Platzierung zwischen Iren und Holländern gelost werden musste: damals kamen allerdings beide weiter.
Die Aufstellungen
Nigeria spielt in einem lichten Grün wie in Spiel 2 mit
1 Enyeama; 5 Ambrose, 2 Yobo (K), 22 Omeruo, 13 Oshaniwa; 17 Onazi, 10 John Obi Mikel; 18 Babatunde, 8 Odemwingie, 9 Emenike, 7 Musa
Viererabwehr, zwei in der Zentrale und Odemwingie leicht hinter Emenike, mit Babatunde und Musa an den Flanken. Gelbgefährdet ist nur John Obi Mikel.
Am Blankett fehlt übrigens Victor Moses.
Argentinien spielt hellblau-weiß-gestreift weiter mit
1 Romero; 4 Zabaleta, 17 Federico Fernandez, 2 Garay, 16 Rojo; 5 Gago, 14 Mascherano, 7 Di María; 9 Higuain, 10 Messi (K), 20 Agüero
Der Klassiker, 4-3-3. Bestbesetzung. Nix Messi-Schonung, alle müssen ran, das wird spannend. Gelbgefährdet ist nur Rojo.
Im Estádio Beira-Rio in Porto Alegre pfeift Nicola Rizzoli, der verbliebene Italiener, die beiden bislang fairsten Teams im Turnier.
Was vor dem Match zu sagen ist
Das Fernduell zwischen dem bislang durchaus überraschend und gut aufspielenden Iran und der noch etwas unter seinem Wert agierenden Mannschaft von Nigeria ist sicher die wichtigste Sache in den Parallelspielen der Gruppe F um 18 Uhr.
Trotzdem ist eine Frage wesentlich drängender. Nämlich die nach der Befindlichkeit des großen Co-Favoriten Argentinien.
Menschen, die die Hoffnung auf ein ansehnliches Spiel dieser personell gutbesetzten und auch jenseits von Lionel Messi hochbegabten Mannschaft nicht aufgeben (und ich spreche da nicht nur von mir) sind gespannt auf den dritten Auftritt.
Rein formal hat sich seit der völligen Verheerung und Selbstverstümmelung, die Coach Alejandro Sabella seiner Truppe verordnet hatte, ja schon einiges getan.
Spiel 1 begann ja mit einem geradezu lächerlichen 5-1-3-1 mit 1 Romero; 4 Zabaleta, 3 Campagnero, 17 Federico Fernandez, 2 Garay, 16 Rojo; 14 Mascherano; 11 Maxi Rodriguez, 10 Messi (K), 7 Di Maria; 20 Agüero.
In Halbzeit 2 stellte er dann auf 4-3-3 um und brachte das Personal das auch Match 2 bestritt: 1 Romero; 4 Zabaleta, 17 Federico Fernandez, 2 Garay, 16 Rojo; 5 Gago, 14 Mascherano, 7 Di María; 9 Higuain, 10 Messi (K), 20 Agüero
Leider brachte das nur eine partielle Verbesserung. Zum einen, weil die Arbeitsverweigerung von Messi nur wenig nachließ. Zum anderen weil die Verweigerung des restlichen Teams einem muffigen Mittelkreis-Steher zuzuarbeiten zunehmend stärker wurde.
Diese Mannschaft ist nicht gesund. Etwas was schon lange in ihr brodelt ist ausgerechnet zum ungünstigsten Zeitpunkt, zur WM nämlich aufgebrochen.
Es gibt dafür zumindest drei Lösungen:
1) Messi kriegt sich ein, läuft zumindest ein wenig mehr als nur bei den zwei Aktionen mit denen er dann das Spiel gegen bislang noch zu wenig wehrfähige Mannschaften entschieden hat; und gibt so das Signal zu seiner Teamfähigkeit.
2) Die Mannschaft beendet ihre passive Resistenz und dient dem kindlichen Kaiserlein so wie er sich's vorstellt.
3) Sabella stellt Messi unter dem Vorwand der Schonung gar nicht auf und schaut was ohne seinen teilautistischen Kapitän geht.
Der Gegner ist in diesem Zusammenhang gar nicht so wichtig.
Nigeria wird zwar sein Bestes geben um den einen notwendigen Punkt zu erreichen, ist aber nicht wirklich in der Lage Argentinien in Top-Verfassung die Stirn zu bieten - kann maximal von internen Katastrophen profitieren.
Spiel 1 gegen den Iran bestritt Stephen Keshi im üblichen 4-3-3 mit 1 Enyeama (K); 5 Ambrose, 22 Omeruo, 14 Oboabona, 13 Oshaniwa; 17 Onazi, 10 John Obi Mikel; 5 Ramon Azeez; 7 Musa, 9 Emenike, 11 Victor Moses.
Gegen Bosnien stellte er auf eine Art 4-2-4 um, was den Sieg brachte. Mit 1 Enyeama; 5 Ambrose, 2 Yobo (K), 22 Omeruo, 13 Oshaniwa; 17 Onazi, 10 John Obi Mikel; 18 Babatunde, 8 Odemwingie, 9 Emenike, 7 Musa.
Oboabona ist ja verletzt, muss durch den alten Yobo ersetzt werden. Schlüsselspieler ist Peter Odemwingie, der sowohl an der Flanke als auch im Zentrum spielen kann, die beste Form hat Musa.
Noch kurz zum Iran, der von Bosnien keine muslimische Bruderhilfe erwarten kann. Bosnien braucht dringend einen erfolgreichen Abschied.
Iran war jedenfalls bislang immer in dieser Grundformation unterwegs: 12 Alireza Haghighi; 15 Montazeri, 5 Sadeghi, 4 Hosseini, 23 Pooladi; 14 Andranik Teymourian, 6 Nekonam (K); 7 Shojaei, 21 Dejagah, 3 Hajsafi; 16 Reza Ghoochannejhad.