Erstellt am: 25. 6. 2014 - 15:53 Uhr
Rechts und links extremer?
Grundsätzlich leben wir in einem sicheren Land - soweit die gute Nachricht vorweg im österreichischen Verfassungsschutzbericht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz gehört zum Innenministerium und beobachtet unter anderen Extremismus und Terrorismus im Land. Und die Vision des BMI ist, so heißt es zumindest im Vowort der Berichts: Österreich zum sichersten Land der Welt mit der höchsten Lebensqualität zu machen.
BMI/A. Tuma Abdruck honorarfrei
Der aktuelle Bericht spricht von einer Zunahme von Rechts- und von Linksextremismus und von einer steigenden Zahl österreichischer Syrien-Kämpfer: Hundert ÖsterreicherInnen sollen 2013 nach Syrien gegangen sein, um zu kämpfen, 44 sind wieder zurückgekehrt. Diese Rückkehrer sieht der Verfassungsschutz als potenziell gefährlich an. Zum einen weil sie radikalisiert sein könnten, zum anderen weil sie kampferprobt zurückkehren.
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus, so heißt es gleich am Anfang, existiert vor allem als "Motivlage für strafrechtsrelevantes Verhalten politisch motivierter Tätergruppen und Einzeltäter sowie als provokative Ausdrucksform frustrierter und/oder alkoholisierter Personen […], die isolierte Einzeltaten setzten."
Diese Einschätzung hat zu Empörung unter Linken geführt. Natascha Strobl, Organisatorin der Akademiker-Ball-Proteste und Ex-Vorsitzende des VSStÖ Wien kritisiert auf ihrem Blog zum Beispiel stark, dass Rechtsextremismus so relativiert werde und verschleiert werde, dass Rechtsextremismus eine Elitenideologie sei.
Ganz so stellt sich das im Verfassungsschutzbericht aber auch wieder nicht dar: Ein ganzer Abschnitt wird auch der so genannten neuen Rechten gewidmet, die sehr wohl im jungen, studentischen Umfeld und in den Burschenschaften rekrutiere: "Diese Personenverbindung versucht auf einer intellektuellen Ebene mit dem traditionellen Nationalismus zu brechen und vertritt die Idee des Ethnoplusalismus, eine Idee der neuen Rechten. Der Begriff Rasse wird dabei durch 'Kultur' ersetzt."
Damit werden wohl vor allem die Identitären beschrieben (aber nicht explizit benannt), die dieses Frühjahr immerhin einen Marsch durch Wien abhalten durften.
1.027 Anzeigen im Bereich Rechtsextremismus gab es 2013, was ein Plus von 107 gegenüber 2012 bedeutet. Der Verfassungsschutz führt das aber eher auf höhere Sensibilisierung der Öffentlichkeit zurück, als auf gesteigerte Aktivität.
Linksextremismus
Bezüglich Linksextremismus spricht der Bericht zunächst von kommunistischen Kaderparteien, die revolutionären Umbruch anstrebten, aber derzeit wenig Aktivitäten setzten. Lose Gruppen mit autonom-anarchistischen Verbindungen seien 2013 am aktivsten gewesen: "Aktivitäten fokussierten sich primär auf Proteste gegen 'Rechts', das österreichische Asylwesen, Kapitalismus-, Wirtschafts- und Sozialkritik sowie die Erlangung von 'Freiräumen'."
Damit scheint fast alles, wogegen oder wofür mensch sich engagieren kann, potenziell als linksextrem eingestuft zu werden (zu radikalem Tierschutz gibt es einen eigenen Absatz). Kritisiert wird auf Twitter oder von Natascha Strobl, dass der Protest gegen den Akademikerball als linksextrem, der Ball selbst aber nicht als rechtsextrem eingestuft wird.
Fixe linksextreme Gruppierungen und Strukturen gebe es keine, heißt es im Bericht, nur zu gewissen Themen wie Antifaschismus gebe es einen breiten Konsens. Die Anzeigen wegen linksextremer Straftaten haben sich von 2012 auf 2013 mehr als verdoppelt: von 198 auf 411. Das hängt vor allem mit dem Wiener Akademikerball und den Protesten dagegen zusammen, alleine 107 Anzeigen hängen damit zusammen. Diese Zahlen werden 2014 wohl noch einmal in die Höhe schießen, weil nach den heurigen Protesten ja fast 700 Menschen angezeigt wurden.
Gelassen
Der Verfassungsschutz gibt sich gelassen, was die angestiegenen Anzeigen betrifft: beim Rechtsextremismus sein man im langjährigen Durchschnitt, sagte Verfassungsschutzleiter Peter Gridling gestern bei der Pressekonferenz. Und die linkextremen Anzeigen gingen auf ein singuläres Ereignis, eben den Akademikerball zurück. Veranstaltungen wie dieser, werden Polizei und Verfassungsschutz aber weiterhin beschäftigen, heißt es im Bericht:
"Das Spannungsfeld zwischen Links- und Rechtsextremismus birgt weiterhin ein besonderes Gewaltpotenzial. Zusammentreffen zwischen den politischen Gegnern im öffentlichen Raum zu verhindern, stellt auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe für die Exekutive dar."