Erstellt am: 24. 6. 2014 - 18:30 Uhr
Häppchen-Feminismus
"Stand Up - Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene" von Julia Korbik ist im Verlag Rogner & Bernhard erschienen.
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"Stand Up" ist ein schön gestaltetes Buch - in Schwarz-Weiß-Neonorange gehalten. "I love Feminism" steht auf der Seite, damit auch ja keine Zweifel bei der Leserin aufkommen.
Verlag Rogner & Bernhard, Foto: Irmi Wutscher
Das Buch ist ein weniger ein Manifest nach dem Motto "So ist der Feminismus heute" oder "Wir wollen Folgendes!", sondern mehr Handbuch zum Nachschlagen von verschiedenen Themenbereichen, zu denen der Feminismus was zu sagen hat. In Teil eins werden die Basics geklärt: Was ist Sex und Gender, wie erkennt man Sexismus und was kann der Feminismus eigentlich?
Feminismus lässt Mädchen und Frauen erkennen, dass sie völlig in Ordnung sind und nichts an sich ändern, nicht noch fünf Kilo abnehmen, nicht leiser lachen, nicht Turnschuhe durch High Heels ersetzen müssen, nur weil die Gesellschaft ihnen Komplexe einredet. Feminismus ist die ultimative Waffe um den ganzen Mist zu durchschauen.
In acht Kapitel aufgeteilt geht es dann um feministische Theorie genauso wie um Körper, Politik oder Popkultur. Dabei geht die Vermittlung weg vom Gendertheorie-Seminar hinein in den Alltag: Unter Schlagworten verständlich zusammengefasst sind die einzelnen Abschnitte oft nicht mehr als zwei, höchstens drei Buchseiten lang. Zusätzlich gibt es Querverweise und Links, falls frau sich tiefer in die Materie einlesen möchte.
Verlag Rogner & Bernhard, Foto: Irmi Wutscher
Was Feminismus alles sein kann
Geschrieben hat es die 26-jährige Journalistin Julia Korbik, die beim Magazin The European eine feministische Kolumne schreibt. Den/die ideale LeserIn, sagt Julia Korbik, hat sie sich als junge Frau vorgestellt, die sich im Alltag manchmal fragt: Warum hat mich der Typ komisch angeschaut? Warum bin ich unter den Kollegen die einzige Frau und verdiene auch noch weniger? Diejenigen also, die sich grundsätzlich für feministische Themen interessiert, die aber noch nicht als solche wahrgenommen hat.
Gleichzeitig ist Feminismus aber auch etwas für Männer betont Korbik. Denn die können genauso von Geschlechtergleichstellung profitieren. "Viele haben ja Vorstellungen von Feminismus, dass es immer so ernst ist und dass alle Feministinnen unglaublich frustriert sind. Das Buch braucht man, um zu begreifen was Feminismus alles nicht ist, aber auch was Feminismus sein kann! Dass es eine großartige, vielfältige Sache ist und dass sowohl Männer als auch Frauen davon profitieren können!"
Verlag Rogner & Bernhard, Foto: Irmi Wutscher
Netzfeminismus in Buchform
Ergänzend zu den Texten gibt es viele Bilder und Grafiken. Teilweise sind es Memes oder Sprüche, die schon länger im Internet unter entsprechenden Hashtags kursieren. Ein bisschen wirkt das so, als würde Korbik versuchen, netzfeministische Inhalte in Buchform zu bringen und so weniger netzaffine LeserInnen an Bord zu holen.
Verlag Rogner & Bernhard, Foto: Irmi Wutscher
Denn der Austausch über das Internet ist es, der den Aktivismus junger Feministinnen heute vor allem auszeichnet, findet Julia Korbik. "Alles das, was man so unter Hashtag-Aktivismus zusammenfasst. Aufschrei war da ja sehr erfolgreich im deutschsprachigen Raum. Diese Art der Kommunikation und der Vernetzung ist es, die anders ist. Und auch die Themen haben sich gegenüber früheren feministischen Strömungen ein wenig verschoben."
Bei den Feministinnen der sogenannten vierten Welle gehe es zwar auch noch viel um Popkultur, vor allem die allgegenwärtige Celebrity-Kultur, aber auch um Verteilung von Arbeit, um Körperlichkeiten, um sexuelle Gewalt. Das Internet bietet aber nicht nur Möglichkeiten, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und die eigene Botschaft in die Welt zu tragen. Auch Konfrontationen laufen dort härter ab, als das vielleicht in Real Life der Fall wäre. Nicht nur schlecht, findet Korbik: "Natürlich macht man sich im Internet viel angreifbarer. Aber viele Leute bewegen sich ja gerade im Internet nur in ihren Blasen - die sogenannte Filter-Bubble. Ich glaube es ist manchmal ganz gut, wenn man aus dieser Bubble rauskommt und sieht, welche Argumente gewisse Menschen haben oder was die so denken." Auch sie selber müsse sich als Autorin einer feministischen Kolumne immer wieder mit Kommentaren der überwiegend männlichen Leserschaft konfrontieren "Da weiß man dann aber wieder, warum man sich überhaupt für Feminismus einsetzt und warum es wichtig ist, dass man das tut."
Wider die Hipster-Ironie
Verlag Rogner & Bernhard, Foto: Irmi Wutscher
Jeweils zur Überschrift passend werden feministische Ikonen mit einem knackigen Zitat und ein paar Biografie-Zeilen vorgestellt. Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir genauso wie wie Beth Ditto, Ellen Page oder auch Keira Knightley. Die sagt zum Beispiel:
Ich erinnere mich daran, dass ich Interviews gab und Leute mich scherzhaft fragten: "Du willst also sagen, dass du Feministin bist?" Als ob man Feminismus nur diskutieren könnte, wenn man sich darüber lustig macht.
Dieses Sich-Über-Alles-Lustig-Machen kritisiert Julia Korbik unter dem Schlagwort Hipster-Ironie auch sehr stark. Denn das mache jede Position unangreifbar, weil jeder Scherz ja nicht so gemeint war. "Das gilt ja nicht nur für den Feminismus, im Prinzip wird ja heute alles ironisiert und alles ist immer nur so ein Witz. Das ist ja ok, man muss nicht immer bierernst sein. Aber trotzdem sollte man manchmal innehalten und sich bewusst sein, über was man sich da gerade lustig macht!"
Das Buch selbst endet ganz unironisch mit feministischen Handlungsaufforderungen für den Alltag, von "Misch dich ein", über "Thematisiere Sexismus", bis zu "Such dir Gleichgesinnte":
"Es gibt so viele kleine Dinge, die man tun kann, um feministisch zu handeln. Das muss nicht immer die große Demo sein. Feminismus ist eine Haltung und wenn man sie nicht im täglichen Leben zeigt, wo dann?"