Erstellt am: 24. 6. 2014 - 17:00 Uhr
Die echteste Popmusik, like, ever
Mit ein bisschen gutem Willen kann man das neue Album von Lana Del Rey als eine Art Meta-Kommentar zu Glamour und dessen Schattenseiten verstehen, als eine Analyse der Sadness des Superstars. Lana Del Rey hat sich das selbst so ausgedacht, sie geht gerne in die Schmerzenszone, suhlt sich gerne im heißen Salz von Liebe und Kummer.
Dass die letzte Woche erschienene Platte namens "Ultraviolence" sich wie ein Streifzug durchs Popmuseum gestalten könnte, der in der Hype Machine endet, war schon mit der Vorabveröffentlichung der prächtigen Tracklist abzusehen. Tolle Songtitel, wie aus dem Lana-Del-Rey-Songtitel-Generator gespuckt: Hot, too hot to handle. "Money Power Glory", "Guns And Roses", "Fucked My Way Up To The Top" oder "Shades Of Cool" hat Lana Del Rey ihre neuen Stücke also genannt. Und genau davon handelt diese Platte, handelt die Figur Lana Del Rey.
Wir wissen es: Lana Del Rey hat sich erfunden und sich gemacht. Es wird inszeniert und sich selbst bespiegelt. Der Glam und Glanz von Popstars vergangener Zeiten ist verflogen, wir behaupten ihn uns jetzt also einfach mal selbst wieder herbei. Das Album "Born To Die" war 2012 noch ein Antesten, zwar schon dick aufgetragen, mit "Ultraviolence" kommt Lana Del Rey jetzt endgültig in der ultra-cartoonhaften Überzeichnung an. Brutal, unterhaltsam, lustig. Mittlerweile kann da schon auch einmal - wie gerade geschehen - ein früher Künstler-Tod romantisiert werden. Unglücklich ausgedrückt, doof oder auf Provokation gebürstet.
In den Liedern ist von der "Bible" die Rede, von "Heroin", von einem coolen Typen, der einen coolen "Chevy Malibu" fährt, von "Sirens", von "Jazz Singers". Die gesamte Platte ist von Motiven und Signalen der Popgeschichte durchsetzt. Lederjacken, ölige Haare, Strand, Risiko. Die Liebe ist ein locker sitzender Revolver. Musikalisch ist das alles supersolide gemacht, die Tube Schmalz wird schon doll gedrückt. Schwelgerischer Dreampop aus der Wüste, Sixties-R’n’B und -Soul, weihevolle Piano-Balladen, ein bisschen Country und Americana da und dort, kalifornischer Soft-Rock. Hundert Violinen.
Lana Del Rey hangelt sich souverän durch ihre Ausdrucksmodi. Gurren, Hauchen, Flüstern, naives goo-goo Girlie-Stimmchen, sexy gemeint. Insgesamt wird durch die ausdrückliche Bezugnahme auf Pop-Muster aus lange vergangenen Jahrzehnten ein recht angestaubtes oder einseitiges Weltbild transportiert: Die Frau weint, die Frau sehnt sich, läuft dem Typen hinterher. Er ist der Checker. Natürlich weiß Lan Del Rey das alles, sie hat viermal ironisch um die Ecke gedacht und ist wieder bei sich selbst angekommen.
Lana Del Rey
In fünf, sechs sehr guten Stücken (u.a. dem Hit "West Coast", "Old Money" oder "Cruel World") glückt hier die Verschränkung von gewitzter Stereotyp-Ausbeutung, Augenzwinkern und den tiefen, tiefen Emotionen. Anderswo kann die Textarbeit von Lana Del Rey bloß noch als absurde, komplett entgrenzte Dada-Kunst begriffen werden. Das Stück "Brooklyn Baby" scheint eine Annäherung an das brandgefährliche Thema "Hipster" zu sein: "My Boyfriend's in a band/ He plays guitar while I sing Lou Reed/ I've got feathers in my hair/ I get down to beat poetry". Nun gut. Es wird auch noch von einer "Jazz Collection" zu hören sein, die natürlich nicht anders kann, als "rare" zu sein. Man kann kaum genug von solchen Zeilen bekommen.
Texte aus dem Tagebuch eines Teenagers, die die große Welt des Abenteuers und der endgültigen Liebe nur aus goldenem Hollywood-Kino kennen. Schlecht und zu üppig aufgetragenes Make-Up, Bourbon und Coke. Eine wichtige Platte, die dem Mainstream mehr noch als der Vorgänger eine Auseinandersetzung mit der guten, alten "Künstlichkeit" in der Popmusik wenn schon nicht aufzwingt, dann doch sehr nahe legt. Lana Del Rey gelingt hier ein Verwirrspiel und eine aufsehenerregende Performance, deren großer Reiz der Umstand ist, dass nie ganz klar wird, ob die Künstlerin ihrem eigenen gespielten Witz noch folgen kann oder sich schon im Spiegelkabinett verrannt hat.