Erstellt am: 23. 6. 2014 - 21:24 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 53.
Das ist das WM-Journal '14, die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.
Gestern gab's Belgien - Russland und Südkorea - Algerien sowie USA - Portugal
Tag 10: Argentinien - Idan, Deutschland - Ghana und Nigeria - Bosnia
Tag 9: Italien - Costa Rica dann Schweiz - Frankreich und schließlich Honduras -Ecuador.
Tag 8: Kolumbien - Cote d'Ivoire und Japan - Griechenland sowie Uruguay - England
Tag 7 brachte Kamerun - Kroatien, Australien - Niederlande und Spanien - Chile.
Tag 6: mit dem ersten Spiel der 2. Runde, Brasilien - Mexiko, dann noch mit Belgien - Algerien und Russland - Südkorea.
Tag 5 hatte Deutschland - Portugal, die erste Nullnummer bei Iran- Nigeria und dann noch Ghana - USA.
Tag 4 brachte die Schweiz - Ecuador, dann Frankreich - Honduras und schließlich das denkwürdige Argentinien - Bosnien.
Das sind die Spiele von Tag 3: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.
Das war die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die Spiele von Tag 2: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien
Vorab-Einschätzungen der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal
Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Das Ende der Gruppe A:
Kamerun war zu zerstritten und hat sich zudem auch vorschnell aufgegeben: wie 2010 ist das der punktelose Heimflug.
Kroatien hat sich durch die Jammerei nach Spiel 1 selber aus dem Tritt gebracht, die eigene Leistung überschätzt und dann im kleinen Finale auch strategisch kein Mittel gefunden. Zurecht nur Dritter.
Mexiko ist eines der Überraschungs-Teams der WM: zwei glatte verdiente Siege und ein Remis gegen den Veranstalter, das den wie eine Niederlage wurmte. Und das aus einer Ausgangs-Position, die nichts erwarten ließ. Tolles Konzept von Miguel Herrera, mit einer Fünfer-Abwehr das Feld so breit machen, dass die Gegner darin absaufen. Und: hohes Tempo gehen können. Das wird auch im Achtelfinale gegen Holland interessant.
Brasilien ist Gruppensieger, weil zwei Gegner deutlich niedergerungen wurden, und man sich gegen Mexiko zumindest kein Gegentor einfing. Der Hausherr ist also ungeschlagen und kann in der K.O.-Phase neu beginnen. Das wird gegen Chile aber auch bitter notwendig sein.
Furioses Finale und dann doch klare Entscheidung
Weil ich vorher die Kopfball-Hoheit angesprochen habe - so fällt dann auch das 0:1 - nach einem Corner mit einem Rafa Marquez-Kopfball (72.). Belohnt endlich die Team-Leistung.
Kroatien hat noch genug Zeit um auszugleichen; aber ob sie noch den nötigen Sieg schaffen? Wie denn?
Kovac bringt 9 Jelavic für 3 Pranjic (74.), schaltet so eine Schwachstelle aus, stellt aber auf eine Dreierkette um. Und das geht gleich beim ersten Angriff schief - Guardado schießt aus halblinker Position das 0:2 (75.), nach einem Angriff über rechts und Assists von beiden Stürmern. Die Entscheidung, keine Frage.
Mexiko steht jetzt strikt im engen 5-3-2 um die kroatische Offensive zu blocken. Die Kroaten greifen jetzt zu viert ganz vorne an - Montero putzt einen Rebic-Ball vor der Linie weg.
21 Carlos Peña kommt für 19 Peralta (80.), Mittelfeld für Angriff, Umstellung auf 5-4-1, logisch.
0:3 dann in Minute 82, nach einem Guardado-Corner nach Chicharito-Kopfball, Kroatien ist tot. Und jetzt wird es im Kampf um den Gruppensieg interessant. Brasiliens Tordifferenz ist aktuell 6:2, die von Mexiko 4:0 - ein Tor noch da oder dort kann alles kippen lassen.
5 Minuten vor Schluss geht 18 Guardado, ihn ersetzt 8 Fabian. Und Brasilien führt andersweitig 4:1, Matchwinner dürfte Fernandinho, der Paulinho ersetzt hatte, sein. Mexiko also wieder klarer Zweiter in der Gruppe. Auch weil Perisic in Minute 87 nach einem starken Linkslauf verkürzt - 1:3.
Danach noch ein Ausschluss: Rebic trifft Penas Bein, zu harte Entscheidung.
Halbzeit 2 ändert nix am mexikanischen Übergewicht
Kroatien ist mit deutlich mehr Biss aus der Kabine gekommen - ob auch eine Idee dahintersteckt? Mal sehen.
... Nein: man probiert's immer noch mit einem Aufbau im 3-4-3 mit Rakitic zwischen den Innenverteidigern und Pranjic-Modric weiter ohne Bindung nach ganz vorne.
Pranjic ist als Achter definitiv keine gute Lösung, weder technisch noch taktisch. 20 Mateo Kovacic wird kommen, wohl für ihn - das ist ein folgerichtiger Wechsel. Und es ist die indirekte Lösung (58.) Kovacic kommt für 2 Vrsaljko -> 3 Pranjic rückt also links in die Abwehr zurück. Kovacic übernimmt zuerst eher die Achter-Position, macht keinen Zehner.
Interessant wie kopfballstark sich die doch ein wenig kleineren Mexikaner immer wieder präsentieren.
In Min 62 der übliche Stürmertausch: 14 Javier Chicharito Hernandez kommt diesmal aber für 10 Dos Santos.
Handselferalarm in Min 65: Srna blockt so einen Guardado-Schuss. Gut, Kroatien wird sich auf ausgleichende Gerechtigkeit berufen. Vasquez ist das Opfer - er muss nach der Aktion einen Gegenstoß verhindern und holt sich so eine Matchsperre fürs Achtelfinale, sofern es mit Mexiko stattfindet.
Mexiko schafft es weiter wunderbar das Spielfeld so breit zu machen, dass das kroatische Kurzpassspiel erst gar nicht aufgezogen werden kann. Und da Kroatien auch nicht probiert das Spielfeld wenigstens in der Länge schmal zu machen, sind die Wege unendlich weit. Das ist taktisch schwach von Coach Kovac.
In Minute 70 kommt 16 Rebic für 18 Olic, dessen Kräfte schwanden.
Halbzeit 1: Warum Mexiko das Spiel so gut im Griff hat
Fettes Stürmerpressing des kroatischen Dreier-Angriffs auf die Dreier-Kette des Gegners, da wird viel Arbeit auf die mexikanischen Außen und das zentrale Mittelfeld zukommen und hier die Balance herzustellen.
Es scheint so als würden Modric und Rakitic tatsächlich vor Pranjic spielen, als Achter direkt hinter der Offensivreihe - also fünf gefährliche Akteure.
Mexico wie gehabt - Dreier-Kette hinten, Dreier-Mittelfeld mit Umschalt-Potential davor, zwei Außenverteidiger zwischen den Räumen und Dos Santos leicht hinter und um Peralta herum.
Schnelle gelbe Karte für Rakitic, Zeichen für Anspannung. Kroatien hat die ersten Halbchancen, der Weitschuss an die Stange von Herrera in Minute 16 ist aber das erste echte Ausrufezeichen. Und Startsignal einer kleinen Offensive, die das kroatische Team etwas überrascht. Vor allem das starke, hohe Offensivpressing behagt Kroatien gar nicht.
Modric-Rakitic verlieren zudem zunehmend die Bindung zu ihren Stürmern: sie sind zu sehr vom gegnerischen Mittelfeld gebunden. Vielleicht wäre es schlauer nur einen der beiden nach vorne zu ziehen, damit sich zwei dann Herrera-Vasquez-Guardado widmen können, gegen die Pranjic allein natürlich machtlos ist. Ein richtiger Zehner als Verbindungsspieler wäre jetzt eben Gold wert - die Ersatzlösung greift (noch) nicht. Aktuell ist Rakitic Allein-Sechser, Pranjic halblinks aber recht wirklungslos, Modric halbrecht verliert sich zwischen den Linien.
Rakitic geht mittlerweile (30.) sogar meist zwischen Corluka und Lovren, versucht so die Außen nach vorne zu schieben, Kroatien bringt aber keinen Druck zustande - wohl auch weil Mexiko das Spiel so unglaublich breit macht, permanent den gesamten Platz belegt und so das auf Raumverengung angelegte kroatische Spiel verunmöglicht. Das sieht recht hilflos aus und braucht dringend eine strategische Lösung - Mexiko hat damit das Spiel erstaunlich gut im Griff, setzt sich mit schnellen Vorstößen und gutem Passspiel im Angriffsdrittel fest. Und el Tri reicht ja ein Remis zum Aufstieg.
Was die Mexikaner (auch) auszeichnet: Bei fast jeder Ballannahme dreht sich der in den Lauf gehende Spieler kurz in Richtung Zentrum, um so einen besseren Überblick über Abspielmöglichkeiten zu kriegen. Das ist das Gegenmodell zum altbackenen Kopf-runter-und-los, das man in der heimischen Liga oft noch sieht.
Fazit: tolle, hochklassige, schnelle Halbzeit mit - aus taktischen Gründen - klaren Feld-Vorteilen für Mexiko.
Ausgangsposition in Gruppe A:
Gewinnt Brasilien sein Schlussspiel gegen die bereits ausgeschiedenen doch durchaus bezähmbaren Löwen aus Kamerun, dann ist ihnen Gruppenplatz 1 wohl nicht zu nehmen. Der Sieger aus Kroatien - Mexiko ist auf jeden Fall weiter und wohl auch Gruppen-Zweiter, die bessere Tordifferenz erlaubt Mexico sogar ein Remis.
Brasilien könnte - auch per Tordifferenz - aber auch bewusst einen 2. Gruppenplatz ansteuern, falls sie im Achtelfinale lieber gegen Holland als gegen Chile spielen sollten.
Interessant wird es wenn Brasilien verliert: Bei einer Niederlage könnten nämlich sowohl Mexiko als auch Kroatien vorbeiziehen, sofern sie sich auf ein Unentschieden einigen.
Spiel Brasilien gegen Kamerun remis, gewinnt der Sieger aus dem anderen Duell die Gruppe, der Verlierer landet in jedem Fall im Aus. Und nur bei zwei Unentschieden wäre Brasilien Gruppensieger (und Mexiko als Zweiter weiter). Alles klar?
Ich werde mich auf Kroatien - Mexiko konzentrieren und die Spielereien rund um das Brasilien-Match erst einmal beiseite lassen.
Die Aufstellungen
Kroatien spielt in rot-kariert-weiß mit
1 Pletikosa; 11 Srna (K), 5 Corluka, 6 Lovren, 2 Vrsaljko; 10 Modric, 7 Rakitic, 3 Pranjic; 4 Perisic, 17 Mandzukic, 18 Olic
... und siehe an, Kovac folgt der logischen Empfehlung, zieht mit Pranjic einen neuen Sechser ein (dafür rückt Vrsaljko wieder nach hinten links) und bringt sein Star-Duo Modric-Rakitic so in eine Achter-Stellung. Optimal für ein druckvolles 4-3-3!
Gelbbelastet sind die beiden Innenverteidiger.
Mexiko spielt in grün-schwarz mit
13 Guillermo Ochoa; 22 Paul Aguilar, 2 Maza Rodriguez, 4 Rafael Marquez (K), 15 Hector Moreno, 7 Layun; 6 Hector Herrera, 23 J.J. Vasquez, 18 Guardado; 10 Giovani dos Santos, 19 Peralta
Das ist zum drittenmal dasselbe Starting-Lineup von Miguel Herrera. Zurecht.
Gelbe Gefahr für Moreno, Aguilar und Vasquez.
Das Match in der Arena Pernambuco in Recife leitet der Usbeke Ravshan Ermatov.
Was vor dem Match zu sagen ist
So sehr Scolaris Team Brasil noch nicht so wirklich im Turnier ist - gegen Kamerun sollte heute nichts schiefgehen. Die Afrikaner sind draußen, Star Eto'o angeschlagen und nicht spielbereit und somit damit beschäftigt von außen reinzugiften und die schon vorhandene Unruhe (wir erinnern uns an den Auszucker von Assou-Ekotto nach dem letzten Match); Coach Volker Finke weiß, dass er demnächst den blauen Brief kriegt und wird sich auch nicht überanstrengen, Alex Song ist gesperrt, die anderen nicht mehr motiviert oder ohnehin zu schwach für die Selecao.
Match 1 bestritt Finke mit 16 Itandje; 4 Djeugoue, 3 Nkoulou, 14 Chejdou, 2 Assou-Ekotto; 17 Mbia, 6 Alex Song, 18 Eyong Enoh; 8 Moukandjo, 9 Eto'o(K), 13 Choupo-Moting.
Spiel 2 dann mit 16 Itandje; 17 Mbia, 3 Nkoulou (K), 14 Chejdou, 2 Assou-Ekotto; 6 Alex Song, 21 Joel Matip, 18 Eyong Enoh; 8 Moukandjo, 10 Aboubakar, 13 Choupo-Moting
Ob Assou-Ekotto nochmal zum Einsatz kommt, ob das eher missglückte Version mit Mbia rechts hinten wiederholt wird, ist mehr als fraglich. Wahrscheinlich wird Mbia Alexandre Song als Ideengeber im Mittelfeld ersetzen müssen. Am 4-3-3 wird garantiert festgehalten
Brasilien wird auch nicht von seiner Strategie abgehen. Auch weil Felipe Scolari und Carlos Alberto Parreira gar keinen Plan B haben.
Match 1 bestritten 12 Julio Cesar; 2 Dani Alves, 3 Thiago Silva (K), 4 David Luiz, 6 Marcelo; 8 Paulinho, 17 Luiz Gustavo; 7 Hulk, 11 Oscar, 10 Neymar; 9 Fred - für Spiel 2 musste nur auf einer Position umbesetzt werden weil Hulk verletzt ausfiel, die Coaches entschieden sich für den als Offensiv-Flügel eher ungeeigneten Ramires und spielten mit 12 Julio Cesar; 2 Dani Alves, 3 Thiago Silva (K), 4 David Luiz, 6 Marcelo; 8 Paulinho, 17 Luiz Gustavo; 16 Ramires, 11 Oscar, 10 Neymar; 9 Fred, was eine durchaus verbockte Partie gegen Mexiko zur Folge hatte, in der auch die Hereinnahme des logischeren Ersatzmannes 20 Bernard nichts mehr brachte. Ein unerklärlicher strategischer Schnitzer jedenfalls. Der sich so oder in anderer Form durchaus wiederholen kann.
Im Parallel-Spiel geht es um deutlich mehr.
Kroatien hat zwei nicht so schlechte, aber auch nicht wirklich überzeugende Partien hinter sich, geht aber - und das ist ein womöglich fatales Problem - davon aus toll gespielt zu haben. Gegen Brasilien wurde man betrogen, gegen Kamerun klar gewonnen - ey Spitze oder?
Ich sage: nein. Die Kovac-Brüder haben ihrer flügelintensiv agierenden Mannschaft gute Ansätze und viel nachhaltigen Druck verpasst, aber die Problemzonen vor allem im Mittelfeld sind eklatant: in zwei Spielen haben sich dort, vor Modric-Rakitic, bereits drei Akteure erfolglosest probiert.
In Match 1 liefen 1 Pletikosa; 11 Srna (K), 5 Corluka, 6 Lovren, 2 Vrsaljko; 7 Rakitic, 10 Modric; 4 Perisic, 20 Kovacic, 18 Olic; 9 Jelavic auf. Mandzukic war noch gesperrt, Pranjic verletzt.
In Spiel 2 waren es dann also 1 Pletikosa; 11 Srna (K), 5 Corluka, 6 Lovren, 3 Pranjic; 10 Modric, 7 Rakitic; 19 Sammir; 4 Perisic, 17 Mandzukic, 18 Olic.
Eine Systemänderung würde sich angesichts der Probleme mit der zentralen Position anbieten, sie ist aber not likely - schon eher werden die Kovaces einen ihrer beiden Genies dahinter vorziehen: Modric und Rakitic könnten das ja auch.
Mexiko war gegen Kamerun schon recht gut im Spiel, lieferte aber dann gegen Brasilien ein wahres Meisterstück: man gewann die Auseinandersetzung 0:0 und fügte dem Hausherrn eine bittere, weil zwar nur gefühlte, aber umso tiefsitzendere Niederlage zu.
Basis dafür ist Miguel Herreras neues System, das so gut wirkt wie eine neue Frisur nach einer gescheiterten Liebschaft - und angesichts des letzten Seuchenjahres auch nötig war. Herrera hat ein 5-3-2 inszeniert in dem so gut wie alle Rolle typogerecht besetzt sind: toller Tormann, eröffnungsstarke Innenverteidiger, bissige Flügelzange, sichere Zentrale und raumgreifende Stürmer.
Im 1. wie im 2. Match waren das 13 Guillermo Ochoa; 22 Paul Aguilar, 2 Maza Rodriguez, 4 Rafael Marquez (K), 15 Hector Moreno, 7 Layun; 6 Hector Herrera, 23 J.J. Vasquez, 18 Guardado; 10 Giovani dos Santos, 19 Peralta
Herrera wird daran festhalten und die Qualitäten dieser sowohl auf Gegenstöße als auch auf selber aktiv aufgebaute Angriffe mittlerweile höchst fitte Truppe auch gegen einen technisch und kraftmäßig zumindest gleich starken Gegner wenden.