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Anna Masoner

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Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

23. 6. 2014 - 15:01

Videospiele aus der Retorte

Games sind heute vielfach aufwändige Kunstproduktionen, in die Graphiker, Komponisten, Sounddesigner und Programmierer sehr viel Arbeit stecken. Was wäre, wenn eine Software die Arbeit übernimmt?

Mehr Videospielkultur auf

Wenn er will, kann Michael Cook jeden Tag ein neues Videospiel zocken. Und zwar eines, dass noch niemand gespielt hat. Möglich macht ihm das die Spieleentwicklerin Angelina. Den Namen hat der Computerwissenschaftler von der Goldsmith University in London seiner selbst programmierten Software verpasst, einer Art künstlichen Intelligenz.
Noch sind ihre Erzeugnisse sehr simpel und ergeben meist wenig Sinn, wie Cook selbst zugibt. Es sind einfache 2D-Jump-and-Run Spiele, die in ihrer Optik an die 80er Jahre erinnern.

Spiel-Screenshot

Michael Cook

"Pong in einer Petrischale"

... nennt der Computerwissenschaftler sein ambitioniertes Projekt auf seinem Blog. Eines der neuen Kreationen:Vor einem nachtblauen Himmel und eingegrenzt von einer roten Mauer hat Angelina im Wasser schwimmende Schiffe und weiße Statuen platziert. Ziel des Spieles ist es, die Schiffe einzusammeln und den Statuen aus dem Weg zu gehen. Im Hintergrund ertönen Schiffsglocken und etwas unheimliche Musik.

Michael Cook demonstriert, wie Angelina an die Sache herangeht, wenn sie ein Spiel zum Thema Strand macht.
"Das erste, was Angelina macht, ist, dass sie sich Bilder, Töne und Musik zum Thema im Internet sucht. Sie sucht auch nach sprachlichen Beschreibungen von Stränden, etwa auf Twitter." Angelina fertigt also eine Art Notizbuch an. Dann erst legt sie los.

Software macht auf Evolution

Um das Spiel zu entwerfen, setzten Michael Cook und Angelina auf evolutionäre Programmierung. Eine Technik aus der Künstlichen Intelligenzforschung, die es bereits seit den 1950er Jahren gibt. Sie funktioniert im Grunde wie die Evolution in der echten Welt.

"Nehmen wir als Beispiel das Leveldesign. Gute Entwürfe bekommen sozusagen Kinder, vermehren sich und schlecht designte Levels sterben aus. Die Kinder von guten Leveldesigns werden immer besser und irgendwann bekommt man dann ein Spiel, das sich spannend spielt. Das alles basiert natürlich auf Regeln, die ich dem System gegeben habe."

Spiel-Screenshot

Michael Cook

An Geschmackssicherheit fehlts noch

Noch vertraut Angelina also nicht auf eigene Entscheidungen, sondern auf die Regeln ihres Schöpfers. Irgendwann soll sie aber selbst ihre eigene Meinung entwickeln und Spiele produzieren, die sich anfühlen, als seien sie von einem Menschen gemacht, glaubt Michael Cook. Und obwohl viele in der Branche sehr skeptisch sind, gibt es für ihn daran keinen Zweifel. Als Beispiel verweist er auf die 3D-Grafik. Dort sei man bereits an einem Punkt, an dem man kaum mehr zwischen einem Foto und einem echten Baum unterscheiden kann. "Das Beispiel ist vielleicht etwas platt. Spiele sind sehr komplex. Aber ich glaube, dass Angelina irgendwann Spiele entwickeln wird, die schön und organisch sind. Manche Menschen finden den Gedanken vielleicht beängstigend. Aber ich denke, diese Vision wird Wirklichkeit."