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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 6. 2014 - 16:16

Ich will so bleiben wie ich bin

Der Song zum Sonntag: Julia Holter - "Don't Make Me Over"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Die kalifornische Musikerin Julia Holter ist an dieser Stelle schon das eine oder andere Mal mit Bewunderung bedacht worden. Aber es kann kaum genug sein. Julia Holter ist eine der spannendsten, interessantesten, seltsamsten und aufregendsten Künstlerinnen der jüngeren Vergangenheit. Und prinzipiell überhaupt.

Julia Holter gelingt eine verwirrende und aufwühlende Ineinanderschmelzung von Champer-Pop, Indie, moderner Komposition, Folk und weirder Elektronik. Zwischen U und E, so dürfen wir durch das Werk von Julia Holter wieder einmal ausdrücklich erfahren, muss nun wirklich nicht immer kategorisch unterschieden werden. Alle drei Alben von Julia Holter, "Tragedy", "Ekstasis" und "Loud City Song", eines der besten Alben 2013, sind essenziell. Gar leicht anzuhören und zur spritzigen Nebenbei-Unterhaltung geeignet ist das Werk Holters dabei nur selten. Es ist schon recht außerweltliche, kaum fassbare Musik. Pop kann die an allen Theorien und Wassern geschulte Holter aber auch.

Julia Holter

Julia Holter

Letzte Woche hat Julia Holter für den Sommer die Veröffentlichung einer 7“ mit zwei Coverversionen angekündigt: Beide Stücke sind A-Seiten, weil sie beide so gut sind. Zum einen wird’s auf der Single die Nummer "Hello Stranger" zu hören geben: Im Original stammt der Song von Barbara Lewis, war im Jahr 1963 ein Hit und in der Variante von Julia Holter schon auf "Loud City Song" enthalten.

Der andere Song ist eine brandneue Aufnahme des ewigen Liedes "Don’t Make Me Over". "Don’t Make Me Over" stammt aus der Feder der kaum erreichten Hitfabrik Burt Bacharach/Hal David und war 1962 die erste Solo-Single der großen, großen Dionne Warwick. Die kongeniale Zusammenarbeit Warwick/Bacharach/David sollte übrigens noch einige unerschütterliche Evergreens wie beispielsweise "Anyone Who Had A Heart" oder "Make It Easy On Yourself" zeitigen.

Man könnte das Stück "Don’t Make Me Over" sicherlich auch als topaktuellen Kommentar zur Zeit lesen: In Fernsehshows werden Complete Makeovers an Menschen vorgenommen. In aller Öffentlichkeit wird verbessert, mehr geleistet, abgenommen, hochgeschminkt und gepimpt. Die Losung lautet Selbstoptimierung. I wanna be made. Die Erzählerin in "Don’t Make Me Over" fordert vom geliebten Gegenüber nun also, sie so zu akzeptieren wie sie ist.

Julia Holter interpretiert den Song nicht mit der bittersüßen Beschwingtheit des Originals, sondern richtet ihn zunächst recht spröde an: Außer einem einsamen, torkelnden Jazz-Bass und Holters Stimme ist vorerst wenig zu hören. Ein Rascheln, ein Streicheln an den Drums. Ab seiner zweiten Hälfte schaukelt sich der Song auf einem Bett aus Streichern zu einem glorreichen Pomp auf. Hier kommt der Text nicht wie ein unterwürfiges Bittstellen daher, sondern vibriert vor Stärke und Sicherheit. "Change" - muss auch nicht immer sein.