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Susi Ondrušová

Preview / Review

20. 6. 2014 - 16:18

Belle & Sebastian sind lieb

Ein Steh-Picknick in der Wiener Arena. Belle & Sebastian spielen viele Hits (aber nicht alle) und außerdem geht es um Kunstuni, einen neuen Film und die nächste Platte.

Die schottische Indie-Pop-Formation Belle & Sebastian ist auf Tour und hat in der Wiener Arena gespielt.

Eine Stadt entdecken

Kommt man als Tourist und Szeneinteressierter nach Glasgow, in die Heimatstadt von Belle & Sebastian, gibt es verschiedene Themen, mit denen man sich Smalltalk- oder Bigtalk-mäßig durchhanteln kann: Wetter geht natürlich immer, diese Woche wurden dort 25 Grad plus gemessen, das ist für uns nichts neues, für dort schon Ausnahmezustand, wenn einem im T-Shirt-Look plötzlich so richtig heiß ist. Wichtiger ist aber natürlich das Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands, das beschäftigt auch alle. („Wie wirst du wählen?“)

Kelvingrove Bandstand

Außerdem ist nach fast 60 Jahren Planungs- und Bauphase in der Haupstadt eine (!) Straßenbahnlinie eröffnet worden („Bist du schon gefahren?“). Glasgow hat auch ein neues Venue - das frisch renovierte Amphitheater im Kelvingrove Park. Das war schon als verfallener/verschlafener Bau sehr eindrucksvoll, im Juli finden dort u.a. Konzerte von Belle & Sebastian statt („Gehst du hin?“).

Ebenfalls Neuigkeiten architektonischer Art und nicht ganz unwichtig für die Stadtgeschichte: die in den 60er Jahren errichteten „Red Road Flats“ im Osten der Stadt (kurz auch im „I'm A Cuckoo“ Video zu sehen).

Einst als Vorzeigeprojekt einer modernen sozialen Wohnpolitik geplant und im Laufe der Jahre kläglich gescheitert, werden die Hochhäuser im Sommer dem Erdboden gleichgemacht. Dank zahlreicher Proteste der Stadtbewohner passiert das allerdings nicht im Rahmen einer feierlichen Zeremonie bei einer Live-Übertragung.

Craig Watson/SNS

Ende Mai hörte man außerdem traurige Nachrichten aus dem Westen der Stadt und sah ein neues trending topic: #GSAfire. Teile der vom Architekten Rennie Mackintosh entworfenen Glasgower Kunstuni sind abgebrannt („Hast du gespendet? Brad Pitt schon!“). Das hat für ziemlich viel Aufruhr gesorgt, ist das doch der Ort an dem nicht nur die zukünftigen Turner Prize-Nominees und Preisträger studieren, sondern auch die zukünftigen Franz Ferdinands. Ein KünstlerInnen-Treffpunkt, egal ob man dort studiert oder nur Parties, Konzerte oder Ausstellungen besucht.

Ondrusova

Belle & Sebastians Sänger Stuart Murdoch fragte gestern in der Arena, ob man davon auch hierzulande gelesen hat. Als Einleitung für Belle & Sebastians Song „Sukie in the Graveyard“. Die besungene „Sukie“ hängt gerne in der Kunstschule ab. „She didn’t enroll, but she wiped the floor with all the arseholes!” Ein Lied bei dem man nicht weiß, wie es ausgeht. Der „graveyard“ ist wahrscheinlich eine Metapher für den Untergang, geographisch könnte auch das wunderschöne Necropolis gemeint sein, das u.a. hier bewandert wird.

Es ist wie so viele Lieder von Belle & Sebastian eher eines das beschreibt statt zu erklären. Sucht man in einem Belle & Sebastian-Song nach einem motivierenden Schlachtruf, wird man nicht immer fündig. Man kann sich alles zurechtbiegen, aber Belle & Sebastian Songs sind traurig. Wir reden hier von einer Band, die ein ganzes Album über Sehnsüchte geschrieben hat: „If You're Feeling Sinister“. Stuart Murdoch ist Meister der lieblichen Melancholie und verpackt alles Traurige in Indiepop-Zuckerwatte. Beim Erstkontakt beginnt man zu schmelzen.

Patrick Muennich

Belle & Sebastian sind mit ihrer Stadt genauso eng verbunden, wie der Nino mit Wien oder The Smiths mit Manchester. Dass sie gestern in der Arena aufgetreten sind, unter wolkenbehangenem Himmel, der zwei Lieder lang Regenwasser entladen hat und dass die Band gestern in der schönen Arena auch Blick auf die Gasometer hatte, das mich Baumassen-mäßig als eines der wenigen Gebäude in Wien sehnsuchtsvoll an Glasgow denken lässt, war schon mal ein guter Einstieg in das Konzert.

Aber auch ohne geographische Fremdgeh-Phantasien war der gestrige Konzert-Abend ein ziemlich erinnerungswürdiger. Für manche wird der Grund dafür lauten: Naked Lunch, die im Vorprogramm aufgetreten sind.

Die nächsten Arena Open Air Konzerte

  • Seasick Steve am 26.Juni
  • Nacht Gegen Armut (Live: Madness) am 3.Juli
  • FM4 Hip Hop Open am 11.Juli
  • Marilyn Manson am 11.August
  • The National am 12. August
  • Elbow am 22. August

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Belle & Sebastian haben das Konzert mit einer B-Seite eröffnet, dem Instrumental „Judy Is A Dick Slap“. Gleich darauf folgte „I'm A Cuckoo“, was das Publikum schon mal in Tanzstimmung versetzte. Noch nicht genug, um mit Stuart Murdoch auf der Bühne zu tanzen; das sollte später folgen.

Die Setlist bot bis auf ein bis drei fehlende Lieblingssongs (Funny Little Frog, Get Me Away From Here, Rock School) einen ziemlich guten Querschnitt ihrer Karriere, geschmückt mit Anekdoten über die Kunstuni, Baseball, Urlaub am Land, Tattoos oder neues Album. Dieses hat die Band schon aufgenommen, zu hören wird es das allerdings erst nächstes Jahr geben. Unter anderem wegen all der Menschen, die mit ihren Kameras Videos von Konzerten machen und ins Netz stellen. Den Erstkontakt mit einem neuen Belle & Sebastian Song sollte man nie durch einen Audiofilter à la Waschmaschine haben.

Für eine Band, die in den 90ern gesagt hat, sie möchte so sein wie “Velvet Underground with a trumpet”, waren eindeutig zu viele Streicher und zu wenige Bläser beim Konzert zu hören, aber was soll man machen. Für „Boy With The Arab Strap“ und „Legal Man“ hat die Band schließlich ein kleine Menschentraube aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Es ist Belle & Sebastian Tradition, beim Konzert die Hierarchie zwischen Bühne und Publikum aufzubrechen.

Der Abend endete nach nur einer Zugabe und der Einladung in die Pratersauna zu kommen, wo Richard Colburn und Chris Geddes noch als DJs engagiert waren. Die Band zieht es weiter nach Deutschland zum Southside und Hurricane Festival. Im August sind sie außerdem auf dem ebenfalls sehr empfehlenswerten Off Festival im polnischen Katowice zu sehen.

2014 soll außerdem Stuart Murdochs erster Film „God Help The Girl“ in die Kinos kommen. In welche ist natürlich noch die unbeantwortete Frage. Im Film geht es um „a brief moment after you've realised what you want to do with your life!” Mehr weiß ich auch nicht.

Was ich auf jeden Fall weiß, ist dass die Idee ein Songcontest-Konzeptalbum (für jedes Land ein Lied) zu machen, nur ein „throwaway comment“ war. Wie auch Chris Geddes im FM4-Interview gemeint hat: hätten Belle & Sebastian so ein Konzeptalbum gemacht, würde das ein sehr gutes Album werden!