Erstellt am: 19. 6. 2014 - 16:35 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 39.
Das ist das WM-Journal '14, die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.
Tag 7 brachte Kamerun - Kroatien, Australien - Niederlande und Spanien - Chile.
Tag 6: mit dem ersten Spiel der 2. Runde, Brasilien - Mexiko, dann noch mit Belgien - Algerien und Russland - Südkorea.
Tag 5 hatte Deutschland - Portugal, die erste Nullnummer bei Iran- Nigeria und dann noch Ghana - USA.
Tag 4 brachte die Schweiz - Ecuador, dann Frankreich - Honduras und schließlich das denkwürdige Argentinien - Bosnien.
Das sind die Spiele von Tag 3: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.
Das war die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die Spiele von Tag 2: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien.
Vorab-Einschätzungen der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal
Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Schlussphase und Fazit
Nach dem 2:0 Rückstand, den aufzuholen ich den Ivorern definitiv nicht zutrauen mag, ersetzt 6 Bolly den heute irgendwie seltsam auffälligen Serey Die 20 - damit hat man jetzt drei Flügelspieler am Platz.
Einer davon, Gervinho zieht von links außen in die Mitte und ballert zum 2:1 ins kurze Eck (74.). Er ist wie so oft der einzige, der in solchen Situationen Courage genug für einen echten Act hat.
Kalou orientiert sich jetzt übrigens ins Zentrum, während Bolly seine Seite übernimmt, als verhaltene Doppelspitze mit/hinter Drogba. Lamouchi hat jetzt ein 4-1-1-4, mit einem Zusatz-Bonus des schon im ersten Match überaus auffälligen Serge Aurier auf der Rechtsverteidiger-Position.
15 Alex Mejía kommt dann für 8 Abel Aguilar, das ist der letzte mögliche Wechsel in Minute 80. Tioté kriegt noch eine Karte.
Kolumbien lässt sich für meinen Geschmack ein wenig zu stark hinten reindrängen; und sieht dabei nicht gerade sehr sicher aus. So was kann bei stärkeren Gegnern als den Ivorern (und die stehen im Achtelfinale bevor, egal wer aus der Gruppe D da kommt) schnell in die Hose gehen.
In jedem Fall sollte es Kolumbien damit geschafft haben, egal wie das zweite Match um Mitternacht ausgeht. Und das ist wegen der Verve, die dieses Team auch in Spiel zwei zumindest zeitweise ausstrahlte, verdient.
Die Ivorer, die einfach zu schleppend ins Spiel kamen und sich lange zu sehr hängen ließen, brauchen noch einen Erfolg gegen Griechenland, dann kann sich Japan wohl auf den Kopf stellen. Und dafür müssen Aurier und Gervinho reichen.
Gruppe C liefert also bislang durchaus Erwartetes. Auch kein Fehler.
Halbzeit bringt zuerst more of the same und dann echt mehr
... (ab 19:05) nicht anders als zuvor. Die Angriffe der Gelben sind druckvoller, mit Witz und Elan geschaltet. Die der Grünen erfolgen teilweise im Trab, es mangelt ihnen an Ernsthaftigkeit.
20 Juan Quintero ersetzt (53.) den heute links eher wirkungslosen 14 Ibarbo. Das gibt dem Chames, James Rodríguez, die Chance auf seine zweite Position; er kann ja auch blendend über den linken Flügel. Quintero wird ins offensive Zentrum rücken, das System bleibt.
Zwei Minuten später zieht Zokora die Matchsperre gegen Griechenland; das war zu erwarten. Er ist ja kein gelernter Innenverteidiger, sondern ein Sechser, ein Stratege, und einige nötige Fertigkeiten hat er nie gelernt - seine Foul-Quote ist entsprechend hoch.
Genau zu dieser Zeit haben die Ivorer ihre beste Phase, drängen den Gegner minutenlang hinten rein und bedrohen damit den bisherigen Frieden in den kolumbianischen Platzhälfte.
Kolumbien antwortet mit einem Lattendings von Cuadrado aus spitzestem Winkel. Wie ja überhaupt das Dribbling auf der Toroutlinie zum Lieblingsspielzug der Kolumbianer gehört - auch weil von dort der Zug aufs Tor schweinegefährlich ist.
So, 60., jetzt kommt 11 Drogba für 12 Bony, überfällig das. Und im ersten Spiel brachte allein dieser Fakt den Umschwung.
Diesmal auch, aber für die anderen: 64.: Corner Cuadrado, Kopftor Rodríguez, im direkten Duell gegen Drogba noch dazu - 1:0.
Lamouchi wechselt nach, 8 Kalou kommt für 15 Gradel, in der 68. ist also die alte Ordnung, der alte Einser-Sturm Gervinho-Drogba-Kalou wieder hergestellt.
Nützt aber auch nix: in der 70. setzt Teo Gutiérrez nach einem Serey Die-Fehler endlich einmal einen Nebenmann gut ein - Quintero macht mit einem schönen Flachschuss ins linke Eck das 2:0.
So geht Halbzeit 1:
Serey Die vom FC Basel heult die Hymne durch, so bewegt ist er. Das Match ist natürlich ein Heimspiel für die Gelben.
Gervinho spielt heute links (er kann ja alles) weil Gradel rechts (rochiert wird später dann dezent), Yaya Toure orientiert sich weit nach vorne, fast auf der Höhe der beiden Flügelspieler - macht eher ein 4-2-3-1 diesmal.
Das Flügel-orientierte kolumbianische 4-2-3-1 blitzt und strahlt in der früh nachmittäglichen Sonne. Wer ist noch einmal Falcao? Nahezu in jeder Szene, bei jeder Ballberührung lässt sich die große Lust, den Ball sofort bestmöglich (und meist flach) vertikal nach vorne zu spielen, erkennen. Die Flügel rochieren so gut wie gar nicht.
Wie zu erwarten war, fehlt der allerletzte Biss, die allerletzte Konsequenz - beide wissen um die Kraft der drei bereits erreichten Punkte. Kolumbien ist so bei 80 Prozent, die sonst orange, heute grünen Elefanten haben Probleme, in diese Bereiche vorzustoßen, kommen erst langsam auf eine akzeptable Drehzahl.
Insgesamt ergibt das einen leichten Punkte-Vorsprung für Kolumbien, einen Ansehens-Vorteil, nicht mehr. Der ist aber doch deutlich sichtbar. Die ivorische Offensive existiert außerhalb von Gervinho nicht, ist abhängig von Improvisation. Gradel ist keine Verstärkung, Bony gefühlt ohne Ballkontakt.
Die Aufstellungen
Team Colombia in gelb-weiß
1 Ospina; 18 Zúñiga, 2 Zapata, 3 Yepes (K), 7 Armero; 8 Abel Aguilar, 6 Carlos Sánchez; 11 Cuadrado, 10 James Rodríguez, 14 Ibarbo; 9 Teo Gutiérrez.
Wie zu erwarten war bleibt Jose Pekerman, der argentinische Trainer, in der Formation des ersten Erfolgs.
Elfenbeinküste in grün mit
1 Barry; 17 Aurier, 5 Zokora, 22 Bamba, 3 Boka; 9 Tioté, 19 Yaya Touré (K), 20 Serey Die; 15 Gradel, 12 Bony, , 10 Gervinho.
Sabri Lamouchi erstaunt. Er bringt nicht nur nicht den allseits und vor allem von sich selbst geforderten Kapitän 11 Drogba, er verzichtet auch auf dessen Leutnant 8 Kalou, der durch Gradel ersetzt wird. 13 Ya Konan ist verletzt.
Aufführungsort: Estádio Nacional de Brasília, Brasília, Spielleiter ist der große Howard Webb. Gelbgefährdet sind Sánchez bzw. Zokora und Bamba, die Innenverteidiger.
Was vor dem Match zu sagen ist
Viele Spiele, in denen das vielleicht Schönste, was der Fußball zeigen kann aus dem Stadion über die TV-Schirme weltweit geflossen ist - nämlich die scheinbar schwerelose Leichtigkeit des Seins, das Vorgaukeln von Anstrengungslosigkeit angesichts heftigst erarbeiteter künstlerisch wertvoller Einlagen - gab es bisher nicht. Gestern wieder ein paar chilenische Momente; und dann noch letzten Samstag die schönen 15 Minuten der anderen Südamerikaner, denen aus Kolumbien, deren Namen alle gleich oder zumindest ähnlich klingen, von deren Existenz im Schatten von Brasilien und Argentinien man aber nur alle vier Jahre Notiz nimmt. Alles andere Feine war Kampf, Wucht und Finesse - die frische leichte Schönheit war bislang nur dort zu finden.
Gut, es war nur Griechenland, das die, wie viele (zu viele) Südamerikaner, vor allem zu viele hier bei dieser WM, gern in blau-gelb (Brasilien und auch noch Ecuador) Antretenden zu bekämpfen hatten. Und die halten weiter ihren traurigen Rekord des immer währenden Ausscheidens in der Gruppenphase.
Und, ganz ehrlich, ich wüsste nicht, was oder wer das verhindern könnte bzw. warum man das verhindern sollte.
Ja, nochmal: der griechische Fußball hat sich entwickelt, ist nicht mehr ganz so holzfüßig und hinterdrein wie noch zu seiner absurden Hochblüte - von Attraktivität, Finesse, Leichtigkeit oder gar Kunstfertigkeit aber weiter entfernt als die Erde vom Mond. Aber dazu vor Mitternacht mehr.
Ich führe das nur deshalb aus, weil sich aus diesem Negativ ein schöner Abdruck des Fußballs den Kolumbien spielt herstellen lässt.
Klar, jetzt fliegen und fließen die durchaus auch übertreibenden Zuschreibungen tief - das hat damit zu tun, dass sich die Fan-Seele und noch mehr die der Nacherzähler, der Reportierenden, jene Zunft, die eigentlich nur noch aus Versehen Journalisten oder Reporter genannt werden, wie wohl sie doch in Wahrheit PR-Chronisten einer Branche sind, die ihre Umfelder gut im Griff und ihr Image also fest an der Kandare hat, nach diesen Erscheinungen sehnt, wie das gelangweilte Konsumentenvolk nach dem populistischen Erlöser. Soll heißen: diese Herzensfavoriten der künstlerischen Leichtigkeit, die jenseits der um die Krone kämpfenden Schwergewichter und ihrer durchpsychologisierten Beschaffenheit wenigstens für ein paar Viertelfinal-Momente etwas Erbauliches beisteuern, ohne dafür Kampfreden, alte Verbundenheiten oder gar fußballerisch-martialische Elemente herbeireden zu müssen, sind uns wichtig. Es ist vielleicht keine Liebe, Baby, es ist dieser kurze, wage- und anmutige, nach Blüten und Cocktails duftende Sommerflirt.
Diese Begehrlichkeiten löst die Begegnung mit dem kolumbianischen Fußball in uns aus. Und es war nicht anders bei den letzten Turnieren, bei ihrem heutigen Gegner, der Cote d'Ivoire. Dem, wenn man so will, ein wenig ablegten Sommerflirt von 2006 und '10, dem mittlerweile etwas ranzigen Gigolo, der abblätternden Strandschönheit.
Das hat zum Einen damit zu tun, dass wir solche Erinnerungen im Nachhinein gerne runterspielen, vor allem, wenn es um die Rechtfertigung gegenüber dem regulären Partner geht; aber auch vor uns selber.
Im konkreten Fall liegt die Schuld aber auch beim Flirtobjekt: es hat unsere Zuneigung nur oberflächlich konsumiert und nur in sein Äußeres, in sein Ego, aber zu wenig in seine Substanz investiert.
Und so steht uns mit dem Symbolbild Didier Drogba ein in die Jahre gekommener Gockel gegenüber, dessen Leidenschaft wir zwar erahnen können - anstecken lassen wir uns davon nur noch in leiser Nostalgie. Sein Gegenüber ist noch gesichts- und superstarlos, bleibt ganz Körper, und ideale Projektionsfläche für eine Art Winnetou-Fußball, edel und wild, pur und geerdet, eins mit den Elementen und trotzdem in der Moderne angekommen.
Es trifft also der alte auf den neuen Lover. Der eine kann nur mittels alter Tricks gewinnen, sonst sticht ihn der Junge gnadenlos aus. Beide haben ihre erste Balz gewonnen, spielen also bereits um den Aufstieg; der Verlierer kommt noch einmal in die Bredouille.
Kolumbien bestritt die 1. Partie mit - 1 Ospina; 18 Zuniga, 2 Zapata, 3 Yepes (K), 7 Armero; 8 Abel Aguilar, 6 Carlos Sanchez; 11 Cuadrado, 10 James Rodríguez, 14 Ibarbo; 9 Teo Gutiérrez- und wird wohl kaum etwas dran ändern.
Cote d'Ivoire/Elfenbeinküste begann Spiel 1 mit - 1 Barry; 17 Aurier, 5 Zokora, 22 Bamba, 3 Boka; 9 Tioté, 19 Yaya Toure (K), 20 Serey Die; 10 Gervinho, 12 Bony, 8 Kalou. 11 Drogba kam erst in Halbzeit 2. 13 Didier Ya Konan verletzte sich.