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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 6. 2014 - 17:08

The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 32.

Der Erstauftritt des letzten der Geheimfavoriten, der sich gegen Algerien schwerer tut als geglaubt #BELvsALG

Das ist das WM-Journal '14 die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.

Die Gesamtübersicht. Gestern war Deutschland - Portugal, die erste Nullnummer bei Iran- Nigeria und dann noch Ghana - USA.

Vorgestern gab's Schweiz - Ecuador, dann Frankreich - Honduras und schließlich das denkwürdige Argentinien - Bosnien.

Das sind die Spiele von Tag 3: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.

Hier die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die Spiele von Tag 2: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien.

Einschätzung der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal

Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Das finale Fazit

Fast hätte Belgien die Serie der Mannschaften, die in den letzten Tagen angerannt sind und dabei nicht viel oder gar nichts erreicht haben, fortgesetzt.

Dass sie nicht in die Fußstapfen von Nigeria und vor allem Ghana getreten sind, lässt sich durchaus als Qualitäts-Merkmal festhalten. Denn es hatte schon schlecht ausgesehen. Die hochgelobten Geheim-Favoriten waren in ihrer Statik erstarrt, fast beleidigt, dass es nicht sofort auf Knopfdruck klappte (vor allem Hazard und auch De Bruyne wirkten wie Kiddies in der Trotzphase).

Und es war interessant mitanzusehen, wie einige richtige personelle Wechsel und auch ein paar kleine taktische Umstellungen die Fehler der 1. Halbzeit asuzumerzen und dann doch noch einen Sieg rauszuspielen. Denn, und das zeigt diese WM wieder schön, gegen ein solides und kluges Defensiv-Konzept Mittel zu finden, überhaupt welche und dann noch die richtigen, ist eine der schwersten Herausforderungen überhaupt.

Belgien ist das, gerade noch, trotzdem sehr verdient, gelungen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und verdient ordentliche Anerkennung.

Algerien hat aufgezeigt. Und wenn das Team seine größte Turnierschwäche der letzten Jahre (eher aufgeben, wenns nicht so gujt klappt) ablegt, dann ist in Gruppe H trotzdem noch was drinnen für sie.

note to self: Spiele noch drehen ist bislang das große Narrativ dieser WM.

Gerade noch von der Schippe gesprungen (76. - 93.Min)

Für die letzten 15 Minuten ist klar: Belgien will jetzt mehr.

Was tut Algerien? Absichern oder dagegenhalten? Ich nehme keine große Veränderung wahr: man steht jetzt defensiv 4-5-1, bleibt bei Gegenstößen aber im 4-2-4

Dass Momentum enstcheidet dann aber: bei einem der von mir in der 1. Halbzeit schon erwarteten Re-Konter in der 80. Minute setzt de Bruyne links Hazard ein, der verlagert auf Mertens rechts und der schiesst eines der wenigen netzbauschenden Nicht-Flachschußtore dieser WM - 2:1.

In der 84. kriegt Fellaini noch so einen Kopfball fast unter. Fellaini darf seine Rolle völlig frei interpretieren, taucht überall wo er will auf., und lukriert weitere Chancen.
Letzter Tausch: 9 Ghilas für 12 Medjani, ein Stürmer für einen Sechser, jetzt spielt's Hollywood, mit einem 4-1-5 Zumindest theoretisch. Denn Belgien lässt jetzt nichts mehr zu.

Wie Marc Wilmots das Spiel noch dreht (46. - 75.Min)

19:01, Wiederanpfiff. 14 Dries Mertens, ein Flügelspieler für rechts kommt statt 22 Chadli - das kann nur bedeuten, dass De Bruyne ins Zentrum geht; die Variante, die ich von Beginn an erwartet hatte. Weil er dort flexibler ist und beide Flanken verstärken kann.

Erste Erfolge: algerische Unsicherheit nach einem Corner. Und wilde Mertens-Vorstöße über rechts. Was das Spiel ein wenig öffnet, algerische Gegenstöße häufiger macht.

Die schwache Leistung von Center Lukaku hat Folgen: Jungspund 17 Origi (er ist übnerhaupt erst 19) ersetzt ihn in der 58. Minute. Jetzt muss nur noch Hazard seine Weinerlichtkeit ablegen und de Bruyne endlich seine Radius ausspielt, dann setzt das die Offensive in ein neues Licht.

Jetzt kommt auch noch Fellaini, ich wüsste nicht wozu - ich hätte mir einen Januzaj oder Mirallas für die Schlußphase in der Hinterand belassen. So wird nur der eh gute Dembele positionsersetzt, naja...

Also: (65.) 8 Fellaini für 19 Dembele, eine Minute später kommt Jungstar 13 Islam Slimane für 15 Soudani, ein Mittelstürmertausch. Und wieder eine Minute später scheitert Origi nach einem Fehler allein vorm Tormann, das ist jetzt die zweite reele Chance in Halbzeit 2. Etwas wenig noch.

In der 70. Minute kapiere ich warum Wilmots Fellaini gebracht hat - weil er ein guter Kopfballspieler ist und bei Offensiv-Szenen als zweiter Center mit nach vorne geht. Eine Flanke von de Bruyne, die erste gute, findet seinen Wuschelkopf - und das ist das 1:1. So gesehen hat Wilmots mit seinen drei Wechseln das Spiel gedreht. Und ich bin durchaus zufrieden damit unrecht gehabt zu haben.

Danach der Wechsel bei Algerien 8 Lacen für 21 Mahrez, das ändert die Ausrichtung nicht dramatisch. Lacen orientiert sich auch nach links vorne.

Ein Halbzeit-Fazit und anderes mehr

Dass ausgerechnet die als flexibel, flink und ideenreich bekannten Belgier sich hier so hölzern anstellen ist einigermaßen überraschend. Klar ist der Gegner gut eingestellt, klar wird die Defensive zelebriert - aber mit etwas mehr Paßgenauigkeit, besserer Kombinatorik, mehr Dopplung an den Flügeln lässt sich auch dagegen etwas machen.

In der 44. zeigteChadli mit Hazard über links was ich meine - ich könnte mir vorstellen, dass Coach Wilmots in der Halbzeit genau mehr davon bei seinem Team bestellt. Sonst bahnt sich nämlich eine unangenehme Überraschung, samt frühem Turnier-Out an.

Tormann Rais MBohli, das nur zur Klarstellung, pflegt seine Bart-Glatzen-Kombi schon deutlich länger in dieser schicken Aufmachung als die westlichen Nachmacher wie Tim Howard oder Robert Almer oder auch Raul Meireles, die ollen Hipster. Mbohli war halt schon immer hip.

Weiß lässt Rot auflaufen und kontert effektiv

Algerien doch, wie nach der Aufstellung zu ersehen, mit zwei Sechsern vor der Abwehr und vier recht weit vorn platzierten Offensiven - wirkt eher wie ein 4-2-4. Mit Taider als Freigeist hinter den drei Anfreifern. Mutig. Drängt Belgien auch ordentlich rein in der Anfangsphase.
Defensiv steht Algerien dann 4-4-2, der linke Mahrez wird da auch mit zurückgezogen.

Belgien hat wohl nur Witsel im defensiveren Mittelfeld, Dembele orientiert sich (halblinks) deutlich weiter nach vorne. Den zweiten Achter macht ein wenig überraschend Chadli, De Bruyne spielt primär rechts. Da werden Rochaden noch möglich sein. De Bruyne, der Alleskönner, bleibt aber tendenziell auf seiner Seite.

Nach einer weißen Anfangsphase bekommt Belgien das Spiel langsam in den Griff, beißt sich allerdings im guten Defensivkonzept von Halilhodžić fest. Vielleicht deshalb zieht sich Dembele jetzt auch eher zurück, um von halblinks aus der Zentrale mit mehr Raum/Anlauf was unternehmen zu können. Nach 20 Minuten kommt der erste Torschuß.

Und nach 24 Minuten, nach einem eigentlich schon erledigten Gegenangriff über rechts hält links drüben Vertonghen Feghouli vor dessen Kopfballversuch fest - Karte und Elfer. Feghouli, von dem bis dorthin genau nichts zu sehen war, täuscht Courtois und schiebt den Ball flach neben ihn - 0:1.

Das Tor wird an der Spielanlage nichts ändern - Belgien wird aktiv, Algerien reaktiv weiterspielen, sein Konterglück suchen. Belgiens beste Szenen werden dann wohl Re-Konter-Versuche sein. Passiert dann aber nicht.

Bentaleb holt sich mit einem Foul an Dembele eine Karte (34.), danach schießt Witsel noch einmal weit und gut - kein Zufall, da gerade die beiden im Zentrum aktuell die Aktivsten einer sonst statischen Mannschaft sind. Leider kriegt dann nicht Witsel die Ausführung der Standards, sondern De Bruyne und Vertonghen.

Die Aufstellungen

Belgien in rot, eh klar, mit
1 Courtois; 2 Alderweireld, 14 Van Buyten, 4 Kompany (K), 5 Vertonghen; 22 Chadli, 6 Witsel, 19 Dembélé; 7 De Bruyne, 9 Lukaku, 10 Edin Hazard.

Etwas überraschend spielt Oldie Daniel Van Buyten in der Innenverteidigung statt Vermaelen. Und statt Chadli war eher Mirallas erwartet worden. Dass Fellaini nicht von Beginn spielt, war klar.

Algerien in schmuckem Weiß spielt mit
23 Mbolhi; 22 Mostefa, 2 Bougherra (K), 5 Halliche, 3 Ghoulam; 12 Medjani, 14 Bentaleb; 19 Taider; 10 Feghouli, 15 Soudani, 21 Mahrez

Taider spielt also, als einzig Offensiver im Mittelfeld. Statt des erwareten Lacen kommt nämlich Bentaleb als zweiter Sechser dazu. Soudani ist heute der Center, Coach ist der Franko-Bosnier Vahid Halilhodžić.

Schiri ist Rodriguez/Mexico, Ort das Estádio Mineirão in Belo Horizonte.

Was vor dem Match zu sagen ist

Wen hatten wir jetzt favoritenmäßig schon...
Da war das brasilianische Top-Team mit dem Heimvorteil, der Co-Favorit Argentinien mit der Arbeitsverweigerung, der deutsche Nachbar, der nur eine Halbzeit spielen musste, der taktisch und überhaupt gesamteindrucksmäßige Italiener. Da waren die ausbaufähigen Vorstellungen von Frankreich und England, die Debakel der Iberer und von Uruguay und der Zwei-Trick-Auftritt der Holländer.
Und neben den usual suspects hatten wir ein paar urgeheimen Geheimfavoriten: Chile und Kolumbien, die haben auch (partiell) entsprochen. Fehlt nur noch einer: Belgien, Kopf der Gruppe H, seit bereits Wochen Tipp all jener, die sich bei einem echten Auskenner einen abgeholt haben um auch mitrden zu können.

Spott beiseite - der Tipp besteht zurecht.
Belgien hat alle Voraussetzungen für ein gutes Turnier, zumindest einmal für eine gute Gruppenphase. Ihre Gegnerschaft besteht aus drei eher zögerlichen Teams, die einen geradezu dazu einladen sich überrollen zu lassen. Und genau das ist die Stärke der neuen jungen roten Teufel von Marc Wilmots.

Belgien hat etwa zur selben Zeit den Um/Neuaufbau beschlossen wie Österreich. Und ist damit schon deutlich weiter, zwei Jahre etwa. Das hat mit der noch besseren Personalsituation zu tun. Belgien hat nicht nur einen, sondern etwa acht Alabas, exzellente junge Spieler mit großem Potential (Courtois,Lukaku, de Bruyne, Hazard, Januzaj) und ausbaufähige Mitt-Zwanziger (Dembele, Fellaini, Witsel, Chadli), die noch nicht an ihrem Zenit angekommen sind. Dort steht etwa Leitwolf Vincent Kompany und der ist auch erst 28.

Wilmots spielt ein knackiges 4-3-3 mit zwei wie Achter handelnden Sechsers, einen Angelpunkt-Zehner davor und zwei echten Flügeln, wobei Hazard oder de Bruyne mehrere dieser Positionen können.

Wenn es einen minimalen Schwachpunkt gibt, dann die Tatsache dass mit Vertonghen einer Linksverteidiger spielen muss, der das nicht wirklich ist. Zudem sind Witsel und Fellaini, die Zentralspieler gern Formschwankungen unterlegen.

Player to watch: Thibault Courtois, der derzeit beste Tormann der Welt.

Algerien wird heute in zumindest eienr Disziplin gleichwertig sein: im System. Ihr 4-3-3 sieht genauso aus wie das belgische. Naja, fast - vor dem Sechser Carl Medjani spielen zwei Achter. Der Dreier-Angriff jedoch will so belgisch wie möglich sein, ist auch vergleichsweise ein Prunkstück: rechts Sofiane Feghouli, der Star des Landes, im Zentrum der junge Islam Slimani und links wieder einer, den wir bei Dinamo Zagreb schätzengelernt haben, Soudani.

Strategisch interessant ist die Linksaudrichtung der Abwehr von Coach Vahid Halilhodžić: der linke Verteidiger hat viele Freiheiten nach vorne, Abwehrchef Bougherra orientiert sich dann dorthin und fertig ist eine oft eingeübte Dreier-Abwehr. Ob dieses Mittel gegen den Dreier-Angriff von Belgien eine gute Idee sein wird, darf aber bezweifelt werden.

Das algerische Spiel sieht auf den ersten Blick ein wenig träge, der Deutsche nennt das pomadig aus, ist aber durchaus französisch, also athletisch geprägt - viele der Teamspieler sind junge Franzosen, die für die Heimat der Eltern spielen.

Player to watch: Saphir Taïder, Jungspound von Inter, der - falls er spielen darf - ins linken Mittelfeld Dynamik reinbringt.