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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 6. 2014 - 23:27

The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 31.

Tag 5 und das andere, auf seine Art auch nervende Duell in der Deutschland-Gruppe #GHAvsUSA.

Das ist das WM-Journal '14 die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.

Gestern gab's Schweiz - Ecuador, dann Frankreich - Honduras und schließlich den denkwürdigen Erstauftritt Argentinien - Bosnien.

Das sind die Spiele von Tag 2: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.

Hier die Gesamtübersicht, die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die Spiele von Tag 2: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien.

Einschätzung der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal

Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Genervtes Fazit

Das mit der Effektivität, das nervt. Es war schon nach dem Deutschland-Spiel zu hören, weil auch da die Zahlen erzählen, dass die Sieger kaum mehr Chancen als Tore hatten. Und jetzt der Sieg gegen den Spielverlauf hier.
Mich nervt das deswegen, weil diese forschen, fast zynischen Sprüche immer nach unverdienten Erfolgen auftauchen und sich dann spöttisch an einer Oberfläche festkrallen, unter der das blanke Nichts lauert. Und im nächsten Match, wenn der hier unverdiente Sieger dann umgekehrt mit Entscheidungen hadert oder vielleicht sogar als die um einen Tick bessere Mannschaft verliert, dann kommen die Schatten, die dunklen Brüder dieser Sprüche auf, das wehleidige Gewimmer, das öde Klagelied desjenigen, dem es einfach an Selbsteinschätzung fehlt. Das seh ich spür ich jetzt schon, es wird den USA passieren, mit Garantie und es kann auch Deutschland treffen. Und sie nerven mich jetzt schon, die Reaktionen danach.

Wobei die wahrscheinlich nicht einmal von Klinsmann und Co selber kommen werden, sondern von den ihn vereinnahmenden deutschen Medien und ihren hiesigen Kopisten.

Gegen Frohlockungen hat ja keiner was. Nur die zynische Verkennung von Realität, die Umdichtungen, das kriegsgewinnlerische Erfinden von heldenhaften Narrativen, die jeder Beschreibung spotten, die müssen nicht sein. Sind es aber meistens. Die Verantwortlichen, die in einer solchen Situation demütig bleiben und der Öffentlichkeit eine reele Einschätzung geben, kann man an einer Hand abzählen.

Nebenbei war es ein schlechter Tag für Fußball-Afrika. Zuerst Nigeria und jetzt Ghana minimieren ihre eigentlich gar nicht so schlechte Chance aufs Achtelfinale drastisch; und sind großteils selber schuld. Ghana kam mit einer unklaren Aufgabenverteilung im offensiven Mittelfeld ins Trudeln, dazu fehlte es an Kombinations- und Pass-Qualität. Und letztlich war man dem körperlichen Widerstand der USA nicht gewachsen; und das sind die exakt selben Probleme, die Nigeria mit dem Iran hatte.

Team USA habe ich im Vorfeld nichts, aber auch gar nichts zugetraut. Das war, so scheint es, eine Fehleinschätzung. Denn das wenige, was sie heute vorzeigen konnten (Tempo, Verve, Druck) war schon deutlich mehr als ich mir vorstellen konnte. Da leiste ich Abbitte. Ein großes kreatives Team, wie es gern behauptet wird, wächst da aber keines heran, nur eine BertiVogtsmäßige Truppe.

2H: Ghana drückt an, und es kommt auch was raus

1:06, Brooks (6) kommt für Besler (5), dessen Oberschenkelgriff tatsächlich eine Verletzung bedeutet hatte. Schon der zweite erzwungene Wechsel für Klinsmann. Und der nächste Humpelkerl ist Bedoya.

Ghana verändert erst einmal nichts. Doch: Andre Ayew bleibt deutlich weiter hinten als in Halbzeit 1, operiert jetzt als zentraler Teil eines Fünfer-Mittelfelds. Bruder Jordan und Atsu rocherien weiter auf den Flügeln.

Muntaris Fernschuss eröffnet in der 55. eine neue Angriffs-Phase, der Wille dazu ist merkbar da. Gyan erhöht den Dampf mit zwei guten Chancen.
Und dann kommt (59.) 9 Prince Boateng für 13 Jordan Ayew. Das bedeutet dass sich Atsu rechts und Andre Ayew links festspielen, Boateng zentral hinter Gyan agiert. Das ist ein 4-2-4, aber weil Opare und Aasamoah die Außenverteidiger so offensiv interpretieren, verfügt Ghana jetzt über 6 Angreifer.

Chancen jetzt im Minutenakt, meist von Gyan. Schüsse aus allen Lagen, gegen Tim Howard keine erstrangige Idee. Wieder Powerplay, rund um den Strafraum, Einkesseln ohne Feuermachen. Es fehlt der letzte Punch, die Genauigkeit der Flanke, das optimale Zuspiel auf den gierigen Gyan.

Nach 70 Minuten kommt 5 Essien (es war also angeschlagen) für 19 Rabiu, ein Positionswechsel. Bedoya macht's nimmer lang. 19 Zusi wird kommen, für ihn? In der 77. ja, endlich. Erlösung! Der dritte erzwungene Wechsel für die USA. Apropos: Die große Stimmung von Halbzeit 1 konnte sich nicht halten, dazu war die Mannschaft zu schwach.

Auch in der 77. kommt 14 Adomah für 7 Atsu, ein Außenspielerwechsel in Position, der letzte im Spiel.

Und dann kommt auch noch endlich die eine nötige Aktion, in Minute 83 nimmt Andre Ayew nach einer guten Paß-Serie über seine Seite einen Gyan Fersler mit dem Rist ins kurze Eck - 1:1. Verdient. Mehr als verdient. Überaus verdient.

Der postwendende Führungstreffer der US-Boys durch einen Brooks-Kopfball nach Zusi-Corner ist das dann weniger, aber was zählt das. Nichts - 1:2, und mehr als 5 Minuten wird es nicht mehr gehen. Das kippt Ghana jetzt nimmermehr.

Kurzes Halbzeit-Fazit

Wie wäre das Match ablaufen ohne die Blitzführung? Wahrscheinlich ähnlich, nur ein wenig weniger pushy, Ghana würde es ruhiger angehen, die USA etwas mehr Kreativität einsetzen. Insofern: schade.
Denn so betrügt uns zum drittenmal an diesem Tag etwas um ein ein echtes Match, eines das besser, interessanter sein könnte. Diesmal war's immerhin ein sportlicher Grund.

Ein Blitztor killt die 1. Halbzeit

So, nach 40 Sekunden tankt sich Dempsey von links durch und erzielt das schnellste Tor der WM. Und macht die Ausgangspositionen allesamt zu Abfall. Jetzt geht es im total für die USA eingenommenen Stadion für Ghana um Schadenbegrenzung und schnelle Beruhigung.

Ghana in einem 4-4-2, das sich bei Angriffen zu einem 4-2-4 verdichtet. Und weil seit einiger Zeit nur noch Ghana spielt, sehe ich meist das. Atsu und Jordan Ayew rochieren auf den Flügeln. Andre Ayew spielt um Gyan herum.

Ähnlich ist das bei Team USA. Dempsey spielt um Altidore herum, dahinter stellt sich eine zweite Viererkette auf. Bradley ist also kein Zehner mehr, sondern mehr Sechser denn je, neben Beckerman.Dazu Jones auf der linken Seite, Bedoya rechts.

Der ghanaischen Überlegenheit setzt Klinsmanns Team nur noch Konter gegenüber. Altidore legt sich nach 20 Minuten mit einer Zerrung hin, das ist bitter. Sein Ersatzmann wäre 9 Johansson, der kommt auch.

Die erste Karte fängt sich Rabiu in Minute 30 ein - bis dorthin ist dieses flotte Match gut unterwegs, die Positionen sind aber bezogen, an der Ausrichtung hat sich nichts geändert: Ghana macht das Spiel, agiert aber zu ungenau, die USA steht dagegen und sucht den Konter, findet ihn aber nicht oft.

Besler greift sich auch an den Oberschenkel.
In der Nachspielzeit geraten Jones und Muntari, die Hitzköpfe aneinander - und statt da wie im anderen Gruppenspiel sich durch einen Ausschluss wichtig zu machen, appeast SR Eriksson und mahnt nur. Well done.

Die Aufstellungen

Ghana in weiß mit superschickem Kragen mit
12 Kwarasey; 4 Opare, 21 Boye, 19 Jonathan Mensah, 20 Asamoah; 13 Jordan Ayew, 17 Rabiu, 11 Muntari, 7 Atsu; 10 Andre Ayew, 3 Gyan (K)

Ob das so aussehen wird? Bin nicht sicher. Opare ist ein Linker, aber Asamoah wird, wie erwähnt, wohl links hinten spielen. Rabiu ersetzt Essien (was ist mit dem?), die Ayew-Brüder besetzen wohl die Flügel, und Atsu spielt neben Gyan. Oder doch Andre Ayew?
Prinz Boateng in jedem Fall, wie vermutet, auf der Bank; auch Inkoom und Afful, die man eigentlich als Außenverteidiger erwartet hat. Dazu John Boye und nicht Sumaila in der Innenverteidigung. Und der Norweger Kwarasey und nicht Dauda im Tor.

USA in red (& white 'n' blue) mit
1 Howard; 21 Fab Johnson, 20 Cameron, 5 Besler, 7 Beasley; 11 Bedoya, 4 Bradley, 15 Beckerman, 13 J. Jones; 17 Altidore, 8 Dempsey (K)

Dempsey dürfte rechts vorne spielen, Dread-Hippie Beckerman als Sechser, Jones eher daneben, Bradley davor in der Zentrale, oder? Alles anders, siehe oben...

Auf der BankZusi und der Münchner Youngster Green. Watch out for Tim Howards hippen Bart.

Der Ort: das Estádio das Dunas in Natal. Schiedsrichter ist Jonas Eriksson aus Schweden.

Was vor dem Match zu sagen ist

Und wieder hat ein erstes Gruppenspiel die ursprüngliche Ausgangsposition des zweiten Matches völlig neu ausgerichtet. Jetzt, wo Portugal zerzaust und um einige Spieler beraubt im Jammertal der Selbstzerfransung haust, tun sich für die anderen zwei neue Chancen auf: sowohl Ghana als auch die USA wittern Morgenluft.

Ghana ist als Viertelfinalist und jedermanns Darling der WM 2010 ein Geheimtipp der Herzen. Außerdem hat das Team seit damals kaum an Qualität verloren und an Erfahrung gewonnen.
Allerdings ist das System in der Zwischenzeit ein neues. Statt dem 4-2-3-1 von der letzten WM und auch dem letzten Afrika-Cup hat James Appiah, der auch schon langjährige Coach mittlerwiele auf 4-4-2 umgestellt. Asamoah Gyan bekommt also einen Partner.

An den Flügeln setzen Kwawdo Asamoah und Andre Ayew, der Neffen des großen Abedi Pele, nach. Das ist gleich ein Hinweis auf eine ghanaische Besonderheit: durch die große Fußball-Historie des Landes ist die Unsitte der vielen mitquatschenden Exspieler, Strippenzieher und "Experten" in Ghana besonders weit verbreitet.

Die andere Neuerung ist die Umrüstung von Sulley Muntari, dem ehemaligen Bad Boy der Truppe zum zweiten Sechser neben Michael Essien. In dieser Formation ist dann kein Platz mehr für den spielerisch sowieso als Fremdkörper anzusehenden Kevin Prince Boateng. Und auch das kann ein Problem werden. Allerdings kann Appiah den Prinzen auch bringen und Asamoah wie schon öfter auch als Linksverteidger bringen. Das würde der ohnehin nicht so stabilen Abwehr etwas bringen.

Die Stärke Ghanas ist in jedem Fall ein prallen Kader (Atsu, Mubarak, Waris für die Offensive, Badu und Rabiu noch für die Sechser-Positionen).

Team USA wird sich da schwertun. Denn, Jürgen Klinsmann hin oder her, diese Truppe macht einen deutlich schwerfälligeren Eindruck. Das war auch im Test letztens in Österreich zu sehen - ähnlich enttäuschend und flachatmig wie Uruguay.

Seit damals gibt es eine Umstellung: Michael Bradley, bis dorthin Sechser wurde von Klinsmann auf die vordere Position einer Mittelfeld-Raute gesetzt, gibt also einen Zehner. Ich frage mich wie sich das im Zusammenspiel mit Clint Dempsey auswirkt, der bisher sowas wie der vorderste Spieler hinter Altidore der Solo-Spitze war. Wird Dempsey auf die Seite, nach rechts rücken?

Jedenfalls ist das neuen 4-4-2 (mit Raute) ebenso möglich wie das alte 4-2-3-1. Der neue Sechser wird aber wohl Kyle Beckerman sein. Klarer Schwachpunkt ist die Abwehr dahinter, da hat Klinsmann ewig herumgedoktort.

Die Stärke der Amis ist ihre gute Kondition, die ihnen erlaubt lang hohes Tempo zu gehen - davon war gegen Österreich zwar auch nichts zu sehen, es wird aber glaubhaft vermittelt, dass man das auf dieses Turnier hingetimt hat. Und sowas glaube ich Klinsmann lieber.

Players to watch: der erwähnte Beckerman und der "neue" Sulley Muntari.