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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

17. 6. 2014 - 01:08

Gründerzeit

Nova Rock Tag 3, Verspätet: Die Gründer und die Versöhnung: Black Sabbath, The Offspring, Soundgarden, Bad Religion,...

Das Nova Rock 2014

Unter den Flügelmonstern
Eine Ankunft unter großem Himmel und einige Fragen, religiöse und herzensbildende Grundsätzlichkeiten verhandelnd.

Mitmachstaub
Tag Eins. Crazy Town, Irie Révoltés, Steel Panther, Casper, Limp Bizkit und The Prodigy

Novelties
Samstagnachmittag - Emergency Case, Ghost, Awolnation

Bedingungslose Liebe
Geschichten von Maiden ... für jeden

"So schlecht, dass es schon wieder gut ist"
Hasseling with The Hoff

Gründerzeit
Tag Drei. Die Gründer und die Versöhnung: Black Sabbath, The Offspring, Soundgarden, Bad Religion,...

Allzu lang hab ich mich am Sonntag mit der Hoff- Geschichte aufgehalten. Ich konnte verstehen, aber nicht glauben, dass sich bei so einem Festival die meisten Menschen auf einen Trash-Act als Highlight einigen können würden. Und an diesem Sonntag waren zuviele Acts, die ich schon mal gesehen hatte, so gibt es von mir zu vielen nur wenig zu lesen, dafür umso mehr schöne Foto-Impressionen von Florian Wörgötter und Christian Stipkovits.

Was auffällt: War der Samstag der Tag der Novelties, regieren heute die Gründerfiguren: Bad Religion, die Begründer des politischen Mainstreampunks (und noch immer dessen Hauptvertreter), Fettes Brot, die Begründer des launigen norddeutschen Spaß-HipHop (und immer noch deren Meister, trotz Deichkinds großem WM-Lied-Wurf), Offspring, die Begründer des Millionärsfunpunk, Soundgarden, die Begründer des feschen Hollywood-Grunge-Metal, Dropkick Murphys, die Begründer der US-Version von schnapsseliger irischer Massenmobilisierung (und ihre unbezwingbaren Könige), Crowbar, die Begründer von etwas, das ich nicht verstehe, das aber Kollegen Holzmann und seine konsequenteren Härtlingsfreunde nachhaltig weggeblasen haben soll.

Black Sabbath, die Begründer von allen Werten, die hier etwas zählen: Glaube und Religion, Architektur und Theater, Meditation und Exzess.

Und Ozzy Osbourne, der Begründer des Tierkopfabbeiß- Sports, des Schinken-in-Nachbars-Garten-Werfens und Kinderverarschens vor Fernsehkameras. Und, man steinige mich, der beste lebende Sänger des Harten Rock.

Ozzy macht viele gute Witze. Einer, den ich nicht verstehe, geht so: Er engagiert einen 19jährigen Gitarristen, macht ihn weltberühmt, klaut ihm seine halben Riffs, baut auf ihm seine dritte Karriere auf. Als der Gitarrist eine Band formt, die so klingt wie Ozzys, wirft ihn dieser raus, weil seine (Ozzys) Band jetzt zu sehr nach dessen Band klingen würde. Den Witz verstehen wohl nur der Madman und Zakk Wylde selbst:

Fettes Brot machen die allerbesten Witze. Sie sind die möglicherweise besten Stand-Ups im deutschen Sprachraum, die unbesiegbar schlagfertige Großfreundestruppe des Wortwitzes. Sie bezeichnen Festivals als "hormonelle Herausforderung" und sind bass enttäuscht, als das Ösi-Publikum die nachfolgenden Zeilen von "tief in der Sahara auf einem Dromedara" nicht ganz selbstverständlich laut mitsingen kann (hier darf ich als Frühgeborener helfen: "ritt ein deutscher Forscher durch den Dattelhain - Da sah der Mumienkeiler ein Mädchen namens Laila, magische Erregung fährt ihm ins Gebein." ... man muss zumindest 30 sein, um das zu wissen).

20 Superhits später gibt es noch den Ratschlag "Nicht zuviel Popel fressen!" - Danke, Brot.

Ich bitte das nochmal zu verzeihen, aber wegen meiner kurzfristigen Besessenheit mit "Ein Auto, ein Computer, ein Mann" konnte ich auch The Offspring nicht sehen. Ich war hier fast der einzige. Dave Dempsey erzählt mir genau recherchierte Anekdoten, die davon handeln, dass Dexter Holland sein drittes Flugzeug mit einer Hypothek auf seine anderen beiden bezahlen will und jetzt bald gar keines mehr hat. Oder so ähnlich. Spießigerweise schießt mir so etwas wie "DassollnochPunksein" durch den Kopf, ich bin noch zu sehr im Kulturpessimismus von Hoff gefangen. Offspring spielen ihr Erfolgsalbum "Smash" und die rote Bühne platzt fast, mehr Leute haben jetzt echt nicht mehr Platz.

Denkste: Für Freunde des Hochgeschwindigkeits- Trinkliedes irischer Provenienz ist Platz in der kleinsten Hütte. Die rote Bühne platzt jetzt. Hier ist mein Alter im Weg, ich habe noch die Pogues gesehen, und ich mag das Brett der Dropkick Murphys nicht. Aber ich scheine der einzige zu sein. Alle ergeben sich dem Chant und sind glückselig. Schön, davon zu hören, dass sich bei einem Festival wie diesem Leute ausgerechnet im Pogo verausgaben. Mir fällt kein Grund ein, warum die nicht später spielen (oder statt Hoff), sie sind die härtesten Crowdpleaser, die es gibt.

Florian Wögötter

Danach sind hier alle zurecht ausgelaugt und wenden sich wieder Penispistolen und Ferkelkostümen zu. Wenig Menschen sind noch hier, bereit, sich in Sanfterem zu wiegen. Die Sonne geht unter und es legt sich zum ersten mal an diesem Tag so etwas wie solemne Eleganz über das Gelände. Die fescheste Rockband der Grunge-Zeit ist herabgestiegen, der Mann der so aussieht, wie Eddie Vedder aussehen wollte (und auch aussieht) und seine alten Freunde spielen eigentlich energetische, druckvolle Musik mit irrem Gesang, in diesem Kontext wirken sie wie die Tindersticks. Der Sound ist etwas dünner als bei den Wikingern und Gewichtestemmern der letzten Tage, aber schön, warm und breit. Vielleicht einem guten kalifornischen Instinkt folgend, spielen Soundgarden ihren logischen Festivalhit "Black Hole Sun" genau dann, als hinter ihnen der letzte rote Strahlenkranz der burgenländischen Sonne den Abend beschließt. Das ist einer der besten Momente bisher.

Ich scharre dennoch mit den Füßen, ich glaube schon das kleine "huhu" von Mr. Osbourne zu hören. Die Messe beginnt pünktlich.

Und sie ist dezent. Die Eleganz von vorhin bestimmt ab sofort das Feld. Das altbekannte purpurne Logo und ein langer schwarzer Vorhang sind zu sehen. Dieser reicht bis zum Boden, er bläst sich ein wenig auf. Dahinter ahnt man eine schwarze, karge Bühne. Dann ertönt ein hässliches Krächzen, ein böser Rabe lacht sein bekanntes Lachen. Der Vorhang geht hoch. Ein Ton und ein langer Drumroll eröffnen den Reigen: "Generals gathered in their masses." Der Lärm ist ohrenbetäubend, die Menge stimmt sofort ein: "just like witches at black masses." Ozzy hat sie sofort und sie liegen ihm zu Füßen. Sämtliche 200 Metalvarianten dieser drei Tage (und the Hoff) sind nur mehr schemenhafte Erinnerungen an eine nicht so perfekte Welt. Jetzt regiert er.

Bill Ward säuft offenbar zu viel oder ist zu dick, weshalb hier ein enthemmtes Tier namens Tommy Clufetos ihn ersetzt, der bei der ersten Black-Sabbath-Auflösung noch nicht geboren war, aber seitdem immerhin für Alice Cooper gespielt hat. Er sieht aus wie Jesus auf polnischem Acid und ist große Klasse.

Geezer Butler, der Mann mit dem runtergestimmten Bass, der Intellektuelle und Wordsmith der Band, von dem fast alle Texte stammen, trägt diese "Lava" (Sabbath-Hauptmetapher in Seventies-Kritiken) durch den Staub des Nova. Er sieht aus wie ein gütiger Zeichenlehrer und ist große Klasse.

Tony Iommi, der Architekt dieser "dunklen Vision" (Sabbath-Hauptmetapher in Seventies-Kritiken), ist vielleicht der überzeugendste, weil minimalste Leadgitarrist der Geschichte, nachdem er zwei Fingerkuppen bei einem Arbeitsunfall in einer Metallpresse eingebüßt hatte und seit 40 Jahren mit künstlichen Fingerkuppen spielt. Er sieht aus wie ein gütiger Geschichtelehrer und ist die britische Zurückhaltung und Lässigkeit in einer Person. Wie große Klasse der ist, brauche ich nicht zu sagen.

Und Ozzy Osbourne, allem Blödsinn von Fledermauskopfabbeißen, TV-Dummheiten und Madman-Inszenierungen zum Trotz, ist selbst als alter Tatterer nach wie vor die überzeugendste Figur am verkehrten Kreuz, die unbarmherzige Stimme des maliziösen, hinterhältigen Bösen, ein kleiner, dürrer, gefährlicher, zu allem entschlossener Anbeter des Abseitigen und Untergründigen.
Seine Stimme ist nicht gewaltig oder überwältigend, aber dieses vogelartige Krächzen, diese tonlose, schnarrende Aufzählung von Teuflischem lässt alle Opernsänger oder Tiefgrunzer des Genres wie hündische Adepten erscheinen, die nur versuchen, der Grausamkeit dieses seines Tons gerecht zu werden. Er sieht aus wie ein grausamer Folterknecht, er sieht aus wie Ozzy Osbourne, er klingt wie der Rabe, der die Kunde des Untergangs kreischt und ist einmal mehr große Klasse.

Er verbeugt sich mehrmals vor uns. Dabei schenkt er uns doch all das böse Schöne aus der Tiefe: "N.I.B.", "War Pigs", "Iron Man". Nach jeder Nummer flötet Ozzy ein Leises "huhu". Es dauert ein wenig bis die Menge ihm antwortet: "huhu".

Die Zugabe mussten wir uns verdienen. "Go Crazy" befiehlt der Herr und wir gehorchen. "Paranoid". Aus. Große Klasse.