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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 6. 2014 - 20:30

The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 30.

Tag 5 und noch eine ordentliche Enttäuschung: Nigeria kommt nicht in die Gänge #IRNvsNGA

Das ist das WM-Journal '14 die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich.

Gestern gab's Schweiz - Ecuador, dann Frankreich - Honduras und schließlich den denkwürdigen Erstauftritt Argentinien - Bosnien.

Das sind die Spiele von Tag 2: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.

Hier die Gesamtübersicht, die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die Spiele von Tag 2: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien.

Einschätzung der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal

Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Ein eh noch leise beschönigendes Résumé

Noch einmal Schwamm drüber über eine heutige Partie, noch einmal schnelles Vergessen. Wobei diesmal die Ausrede, dass man die wahre Stärke, das wahre Gesicht aufgrund der Geschehnisse gar nicht erkennen konnte, wegfällt. Die beiden Gesichter waren klar zu erkennen; und beides gefällt mir nicht.

Der Iran verfügt über eine erstklassige Defensive, aber sonst eher nichts. Gegen Bosnien und Argentinien, selbst gegen das gestrige ist das nicht zu machen, dieses ewig-auf-ein-0:0-spielen.

Das reißt auch Nigeria runter; und zwar ein wenig überraschend. Klar sind die Afrikaner nicht die allerbesten Gestalter, sondern blendende Dagegenhalter und Dagegenwerfer. Trotzdem wäre diese Partie zu gewinnen gewesen, wenn nicht einige wesentliche Punkte zum letztlich öden Rinnen geführt hätten, welches wir wie beim Restaurant-Tisch neben dem Häusl akustisch miterleben mussten. Zum einen hat Keshi sein Problem mit dem kreativen Akteur vor Mikel und Onazi nicht gelöst und experimentiert da munter weiter. Zum anderen standen die erwähnten Sechser zu weit hinten drin, von wo aus die Spieleröffnung dann nur entsprechend letschert gestaltet werden konnte. So kann man die Vorzüge des nigerianischen Tempo-Gegenstoß-Fußballs nicht ausspielen.

Es hat also ein effektiver Matchplan gegen den schwächsten Gruppengegner gefehlt. Und das ist schon fatal.

Sieger dieses Matches ist also Bosnien.

Halbzeit 2: nicht mehr einseitig, sondern beidseitig matt

Im nigerianischen Kreis vor dem Anpfiff um 22:03 führen nicht die mittlerweile schon zwei Kapitäne das Wort, sondern Chelseas John Obi Mikel, das ist der Chef am Platz. Oboabona musste in die Klinik, und nach wenigen Minuten liegt Oshaniwa am Boden und krümmt sich, ehe Entwarnung gegeben wird.

Die Mannschaft aus dem Iran ist jedenfalls mit einer klaren Botschaft aus der Kabine gekommen: Sie wollen jetzt mitspielen! Und sie tun's. Und das bringt auch Nigeria besser ins Spiel, weil sie ihre Tempo-Gegenstöße anbringen können. Wo's fehlt ist dann beim vorletzten Pass, der - wenn er nicht perfekt gespielt wird - Opfer der peniblen iranischen Abwehr wird. Zudem nützt man weder die große Spannweite noch die hohe Geschwindigkeit über die man verfügt.

In der 53. kommt 23 Ameobi für 11 Victor Moses, ein Stürmertausch. Warum nicht schon zur Pause? Ameobi kommt jetzt über rechts, das zwänge Musa nach links.

Im Verlauf der zweiten Halbzeit ist es der Iran, der das spielt, was Nigeria möchte - Powerkonter. Natürlich nicht zu Ende, dazu sind die Bemühungen zu wenig gefinkelt.

8 Odemwingie kommt (70.) für 15 Azeez, der's nicht gebracht hat, wohl als Ideengeber hinter den Spitzen. An sich ist der in der Sowjetunion geborene ja ein Flügelspieler.

Teymourian kriegt (75.) eine Sammelkarte für sein viertes oder fünftes Foul, wie es der Schiri schön anzeigt. Es ist die erste im Spiel.

9 Alireza Jahanbakhsh kommt (77.) für 21 Dejagah, ein echter Stürmer für den gedachten Regieführenden. Wir sehen jetzt womöglich ein 4-4-2! In jedem Fall aber verstärkte iranische Versuche. Dann in der 89. kommt noch 7 Shojaei für 2 Heydari, whatever.

Eine dann doch sehr einseitige 1. Halbzeit

Technische Fehler bei der iranschen Abwehr... Nigeria ist gezwungen das Spiel zu machen, wird eingeladen.

Die Moses-Frage ist geklärt: Nigeria spielt ein 4-3-3, Moses ordnet sich links ein, Musa rechts, Emenike im Zentrum.

Mir gehen Mikel und Onazi zu viel zwischen die Abwehr um von dort aufzubauen, das ist zu durchsichtig. Oshaniwa macht seine Sache bislang gut, das macht eine Sorge weniger. Azeez spielt tatsächlich eine Art Zehner vor Mikel und Onazi, das macht eine Art 4-2-1-3.

Kein Musa-Tor nach 8 Minuten, Foul am Keeper gepfiffen. Ist aber der Auftakt für eine Druckphase mit griffigem Flügelspiel und gefährlichen Hereingaben. Nigeria sieht da durchaus angsteinflößend aus. Kombinations- und laufstark ist das.

Beim Iran hält sich Dejagah vornehmlich links auf, oder zumindest halblinks, aber keinesfalls zentral. Er bleibt aber ebenso wie seine Kollegen meist schon beim zweiten Pass hängen, kommt kaum über die Mittellinie. Defensiv steht man 4-5-1, deswegen steht man immer 4-5-1. Die seltenen Vorstöße werden eher nur zu zweit bestritten, das können sich die Holländer leisten, der Iran nicht.

Oboabona wird lange draußen behandelt - und es ist eher wurscht, weil seine Absenz wegen der Spielanlage nicht auffällt. In der 30.Minute ersetzt 2 Yobo den doch zu angschlagenen 14 Oboabona. Ich halte Yobo, einen Verteidiger ganz alten Stils, ja für eine Gefahr für die eigene Mannschaft, schon seine Kader-Nominierung ist mir schleierhaft. Auch dass er Enyeama gleich die Kapitäns-Schleife abnimmt, ist absurdeste alte Ego-Schule.

Nigeria zieht sein Powerplay noch ein wenig zu nervös auf, am besten geht es bei Standards und Flanken von weit draußen. Der Iran hat nach 33 Minuten seinen ersten Moment, der bleibt aber flüchtig.

Fazit

Naja, das war doch wenig; und nicht hauptabendreif. Nigeria ist dominant und klar besser und könnte auch schon führen, tut sich gegen eine sehr vorsichtige, wenig konstruktive iranische Mannschaft schwer, scheitert aber auch an der eigenen Minder-Präzision im Durchkombinieren und zu wenigen Tempoläufen, die durch geschicktes Herauslocken durchaus zu lukrieren wären.

Die Aufstellungen

Iran in weiß mit
12 Alireza Haghighi; 15 Montazeri, 5 Sadeghi, 4 Hosseini, 23 Pooladi; 14 Andranik Teymourian, 6 Nekonam (K); 2 Heydari, 21 Dejagah, 3 Hajsafi; 16 Reza Ghoochannejhad

Trainer Carlos Queiroz mit einem 4-2-3-1, bei dem Dejagah mit vor in die Spitze stoßen kann. .

Nigeria in grün mit
1 Enyeama (K); 5 Ambrose, 14 Oboabona, 22 Omeruo, 13 Oshaniwa; 17 Onazi, 10 John Obi Mikel; 5 Ramon Azeez; 7 Musa, 9 Emenike, 11 Victor Moses

Stephen Keshi wie erwartet: Ramon Azeez ist der offensive Part im Mittelfeld. Ob Moses hinter oder neben Musa und Emenike spielt, wir werden's sehen.

Sciri Vera ist aus Ecuador, der Spielort die Arena da Baixada, Curitiba, das Wetter ist gut.

Was vor dem Spiel zu sagen ist

Schön blöd - gestern zur Hauptabendzeit gab's Honduras und heute den Iran. Nicht unbedingt das, was man einen Heuler nennt.

Mir ist das egal, ich freu mich.
Zum einen auf ein Wiedersehen mit dem Afrika-Cup-Gewinner Nigeria, die im Vorjahr auch den Confederations-Cup bestritten haben. Das ist ein junges Team, das die traditionelle Abhängigkeit von egozentrischen (gern auch alternden und ihre Schwäche durch noch mehr Arroganz übertünchenden) Stars aufs Abstellgleis geschoben hat und einen superfrischen Offensiv-Konter-Fußball spielt, mit einer zukunftsträchtigen Innenverteidigung, einem von John Obi Mikel geleiteten Überbrückungs-Mittelfeld und drei echten Spitzen. Sie waren Außenseiter, haben sich aber gegen die altbackenen Spielanlagen ihrer kontinentalen Konkurrenz durchgesetzt. Nigeria hat bei der WM nichts zu verlieren, kann nur überraschen.

Ich freu mich aber auch auf den Iran. Und zwar weil ich tatsächlich nichts über diese Mannschaft weiß, nur ein bissl was Angelesenes. Vielleicht öffnet sich da ja eine Wundertüte.

Der Portugiese Carlos Queiroz wird aber eher auf Nummer Sicher gehen, von ihm wird ein 4-2-3-1 mit dem zentralen Joker Dejagah erwartet, also nichts Weltbewegendes. Kapitän Teymouran und der andere Sechser, Nekounam, sind die Chefs, der in Holland geborene Ghoochannejhad die einzige Spitze. Der in den USA geborene Steven Beitashour wird wohl nur auf der Bank sitzen.

Stephen Keshi, Nigerias Teamchef hat etwas mehr an personeller Qualität zur Verfügung. Enyeama ist Afrikas bester Goalie, die Innenverteidigung mit Oboabona und Omerou sollte auf jedem Scouting-Zettel eines großen Vereins stehen. John Obi Mikel, der Taktgeber, hat mir Onazi einen tollen Mitstreiter im Mittelfeld und vorne gibt es mit Moses, Emenike oder Musa tolle Möglichkeiten.

Probleme macht einerseits der Ausfall des sehr guten Linksverteidigers Elderson Echiejile, dessen Offensivkraft einen Gutteil der nigerianischen Qualität ausmacht. Sein Ersatzmann Oshaniwa ist eine Unbekannte. Zum anderen hat Keshi den heimlichen Star seines Afrika-Cup-Sieges, Sunday Mba, tatsächlich nicht nominiert. Da muss was vorgefallen sein - denn so einem Ausfall setzt sich niemand freiwillig aus. Und noch ein Held von 2013 ist draußen: Ideye Brown. Dafür sind zuvor Verfemte wie Peter Odemwingie oder Ameobi retour; und auch das alte Schlachtross Joseph Yobo ist immerhin im sonst egomanenfreien Kader.

Das ist nicht mehr ganz mein favourite team aus dem Afrika-Cup, auch vom 4-3-3 geht man womöglich stärker ab als geglaubt (hin zu einem 4-2-4 oder 4-2-3-1) was zu einer Verwässerung dieses puren, quellklaren Systems führt, aber trotzdem ist diese Spielanlage am weitesten vorne in ganz Afrika, radikaler selbst als die von Ghana.

Men to watch: Dejagah auf der einen, Oboabona, Omerou und Onazi auf der anderen Seite.