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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

15. 6. 2014 - 20:20

The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 27.

WM-Tag 4. Wieder ein Ex-Weltmeister gegen einen mittelamerikanischen Zwerg. Und dann kommt alles ganz anders... #FRAvsHON

Das ist das WM-Journal '14 die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich - weil nachher kanns jeder besser wissen.

Das sind die Spiele von gestern: Kolumbien - Griechenland & Uruguay - Costa Rica & Italien - England & Cote d'Ivoire - Japan.

Hier die Gesamtübersicht, die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die gestrigen Spiele: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien.

Einschätzung der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal

Das WM-Journal ist Teil des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Das Fazit

Irgendwo in meinen Previews steht es drin: Honduras ist der womöglich größte Außenseiter des Turniers, noch hinter dem Iran und Costa Rica. Dass sich diese Gefühligkeit so bewahrheitet wie heute, war keine Absicht, und es ist auch nicht fair, dass es heute just so kommen musste.
Wieder so ein Elfer, eine rote Karte, ein Torlinientor - da kann keine Außenseiter-Chance aufkommen, das tötet jeden Spaß ab. Wenn der Außenseiter tatsächlich zu Kanonenfutter wird, dann findet das eben niemand lässig.

Ich hoffe, dass sich das alles nicht auf die restlichen beiden Spiele der Honduraner auswirkt. Da können ihre Karten nämlich neu gemischt werden; und ein Punkt ist durchaus möglich.

Frankreich schleicht sich von hinten, ganz unauffällig, aus der Tiefstapelei -Ecke wieder in den Fokus. Das war gut, das war frisch, das ist jugendlich und trotzdem taktisch robust, originell asymmetrisch und fein egofrei.

Ich erwarte Frankreich als Gruppensieger in Pool E und sehe schon das Viertelfinale leuchten. Und für die Heim-Euro 2016, die mit Österreich, sind sie dann klarer Mitfavorit. Also schwammdrüber über diese komische Partei da gerade eben.

Und dann das Torlinien-Technik-Tor und der Bruch

Da ist der Tausch zum Beginn von Halbzeit 2: 14 Oscar Boniek Garcia kommt für 11 Bengtson und auch 2 Chavez kommt für den verletzten 5 Bernárdez, das erwartete 4-4-1 also.

Und dann mit der ersten echten Aktion kommt das 2:0 - ein weiter Pass von halbrechts, Benzema setzt den Ball volley an die lange Stange, von dort kommt er in die Arme des Tormanns und überschreitet für's freie Auge nicht sichtbar laut Torlinientechnik, die Goallinie. Ich hab den Ball nicht drinnen gesehen, auch in der dritten Wiederholung nicht, war nicht mit vollem Umfang drüber. Die Technik sagt: doch.
Das Tor gilt.
Einen schöneren Beweis für die Problematik dieser Technik gibt's nicht. Denn: die Diskussionen und Betrugs-Vowürfe, die man ja mit der Einführung weghaben wollte, die bleiben. Verschwörungs-Theoretiker haben ihre helle Freude.

Jetzt ist das Spiel natürlich endgültig gelaufen - diesen Nackenschlag überlebt keiner.

Die Fakten noch: da war einmal gelb für den Boniek getauften Garcia, in der 57. kommt 18 Moussa Sissoko für den gelbangeschlagenen Pogba, und dann kurz drauf 20 Claros für den schwachen 17 Najar. Auf dessen Position geht jetzt der Boniek-Garcia, Claros spielt halblinks neben Garrido, und Espinoza hat jetzt die Lizenz zum vorne-neben-Costly stören. Das ist ein 4-3-2, eine sehr kluge Formation, besser als das normale 4-4-1. Aber es ist jetzt eh zu spät.

Mit Cabaye nimmt Deschamps (66.) den zweiten Gelbbelasteten runter und bringt 12 Rio Mavuba (schöner Vorname!).
Ein Benzema-Schuss in den Winkel bringt in der 72. Minute das 3:0.
In der 78. bringt Deschamps 9 Giroud für 8 Valbuena, und dann ... whatever...

Kurzes Halbzeit-Fazit

Das sollte es gewesen sein: Einsnull vorne, der Gegner einen Mann weniger und eh schon in Ehrfurcht unterwegs - was soll da noch passieren?

Normalerweise nichts, aber auch Uruguay lag zur Halbzeit vorne und verlor dann noch gegen Costa Rica. Gut, im Vergleich zu den abgewrackten Urus sind die doch recht jungen Franzosen zu ideenreich, zu spritzig, zu gut vorbereitet und eingestellt um sich das auf diese Art noch nehmen zu lassen. Eigentlich.

Soll ich mich festlegen? Es wird keine weitere Sensation passieren.

Honduras wird eine der Spitzen raustun und einen zentralen Mittelfeld-Mann reinbringen, also auf 4-4-1 umstellen; das ist so ein Naturgesetz.

Geduldiges Warten auf die Führung (30. - 49.Min)

Ein giftsprühendes Rudelding wie eben kann ein Spiel seinen Fluss verlieren und kippen lassen - scheint hier nicht der Fall zu sein. Frankreich ist sich mittlerweile seiner Sache sehr sicher, der Gegner nach den zwei Lattentreffern eingeschüchtert. Allerdings fehlt den französischen Angriffen vor allem über die Mitte die Präzision - und auf den rechten Angriffswirbel hat man sich besser eingestellt.

Bei den wenigen Gegenangriffen stehen 4 Weiße meist 6 Blauen gegenüber, da geht dann nicht viel.

In den letzten Minuten der Halbzeit erhöht Frankreich die Schlagzahl, man will unbedingt mit einer Führung in die Pause gehen.

Und in Minute 43 ist es dann soweit.: Palacios schubst Pogba, Elfer und gelb/rot. Und wieder kriegt ein Großer (wie Spanien, Brasilien oder Uruguay) einen Penalty, den man nicht so ganz unbedingt geben muss. Naja. Palacios geht gefrustet, Benzema wird schießen, 45. Minute, hoch in die Mitte, 1:0.

In der Nachspielzeit noch eine Karte für Cabaye und die Ahnung, dass heute noch einer vom Platz fliegen wird.

Eine durchaus inspirierende Anfangsphase... (1.- 29.Min)

Cabaye geht schon in der ersten Szene zwischen die Innenverteidiger zurück, das macht die Abwehr breit und weist auf die heute noch offensivere Einstellung beider Außenverteidiger hin. Dazu Pogba halbrechts, Matuidi halblinks, Griezmann als Ribery-Ersatz Linksaußen. Valbuena rückt dann als fast zweite Spitze in de Mitte, wenn Debuchy vorstößt, also sehr sehr oft.

Auf sich aufmerksam in den ersten Minuten macht aber der Gegner in weiß. Mit Unterstützung des Publikums. nach fünf Minuten übernimmt aber Frankreich die Spielleitung und setzt sich vor allem mit Angriffen über rechts in Strafraumnähe fest. Mit einer schnellen gelben Karte für Evra, den einzigen überlebenden Rüpel-Anführer von 2010.

Costly und Bengtson spielen überraschend viel auf einer Höhe, es lässt sich manchmal sogar ein 4-2-4 erkennen, wenn das Mittelfeld Pressingspiel andeutet. Das ist deutlich offensiver als es der Gegner erwartet hat - das Mittelfeld reagiert entsprechend zögerlich. Dafür funktioniert die Debuchy-Valbuena-Offensivachse super, die Izaguirre ordentlich in die Defensive drückt.

Aus der gefühlt zehnten Freistoßflanke von rechts entsteht die erste wichtige Szene, ein Lattenschuss von Matuidi (15.). Der 2. Lattentreffer kommt nach einem weiten Cross von links durch einen Kopfstoß von Griezmann. Und danach spielt die Equipe Tricolore sukzessive ihre Überlegenheit aus, reißt mit weiten Wechselpasses die gegnerische Abwehr auf. Honduras scheint sich zu fügen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.

In der 26. Minute Rudelbildung nach einem schlimmen Foul von Palacios, der in Pogba rumstochert, worauf sich der wütend Luft macht. Beide kriegen eine gelbe Karte und nach zwei Minuten ist alles vorbei. Nur die Stimmung ist jetzt mies.

Die Aufstellungen

Frankreich spielt in dunkelblau mit den Hahn auf der Brust mit
1 Lloris (K); 2 Debuchy, 4 Varane, 5 Sakho, 3 Evra; 19 Pogba, 6 Cabaye, 14 Matuidi; 8 Valbuena, 10 Benzema, 11 Griezmann

Das ist fast wie erwartet: Deschamps verzichtet auf Koszielny und Remy, bringt dafür wie erwartet Sakho und etwas überraschend den jungen Grissemann von Real Sociedad.

Honduras kommt in weiß mit einem schönen H auf der Brust
18 Valladares (K); 21 Beckeles, 5 Bernárdez, 3 Figueroa, 7 Emilio Izaguirre; 17 Najar, 19 Garrido, 8 Wilson Palacios, 15 Espinoza; 11 Bengtson; 13 Costly

Nur der Einsatz von Andy Najar von Anderlecht ist ein bisserl unerwartet, sonst spielt die beste Elf.

Man spielt im Estádio Beira-Rio in Porto Alegre, der Schiri ist ein Einheimischer mit dem schönen Namen Sandro Ricci.

Was es vor dem Spiel zu sagen gibt

Wäre es die französische Team der WM 2010, dann würde ich ihnen zutrauen sich im direkten Anschluss an Uruguay als nächster Big Name gegen einen der Underdogs aus Mittelamerika zu blamieren.
So aber denke ich, dass sich das nicht wiederholen wird. Die Zeit der Stinkstiefelei ist vorbei, die Zeit für eine neue Generation der weniger bekannten Spieler und künftigen Stars gekommen. Das bedeutet: keine Unterschätzung von niemandem.

Frankreich: Didier Deschamps hat auf Nasri verzichtet, mit Ribery fällt ihm noch ein weiterer Star aber auch ein weiterer Problemboy verletzt aus - da bleibt dann eine echte Mannschaft übrig. Und weil heuer keiner viel von Frankreich erwartet, ist umso mehr drinnen.

Man spielt ein 4-3-3, das manche auch als 4-1-4-1 bezeichnen. Ich bleibe deshalb beim 4-3-3, weil sich Cabaye nicht wirklich wie ein klassischer Sechser benimmt, sondern durchaus Box-to-Box-mäßig vorstößt, und weil Valbuena und der Ribery-Ersatz (Remy?) eher Flügelstürmer als Mittelfeldspieler sind.

Mit Matuidi und vor allem Pogba stehen zwei hochtalentierte Achter vor/neben Cabaye, mit Benzema gibt es einen ganz modernen Center und auch die Abwehr ist mit Varane/Koscielny (oder Sakho) innen und Debuchy/Evra außen ganz prima besetzt. Dazu Tormann Lloris - klingt doch nach stürmischer Qualität oder?

Deschamps Verzicht auf Nasri ist auch eine bewusste Abkehr vom davor gern genommenen 4-2-1-3, dass das französische Spiel aber allzu abhängig von einer Einzellaune gemacht hatte.

Honduras hat all diese Qualitäten nicht. Woher auch?

Teamchef Luis Fernando Suarez hat sein 4-4-1-1 zwar nicht konventionell, sondern durchaus keck aufgestellt, er verfügt mit Izaguirre über einen Top-Linksverteidiger, mit Palacios und Espinosa über Premier-League-erfahrene Spielgestalter und mit Bengtson und Costly über überraschende Angreifer, das aber kann aus dem Aschenputtel noch keine Prinzessin machen.

Nur: all das galt in weitaus größerem Ausmaß (deutlich weniger Legionäre) auch schon 2010 - und dann warf Honduras die Schweiz mit einem hochverdienten Remis aus dem Bewerb. Auch Aschenputtel kann also tanzen.
Player to watch: Izaguirre von Celtic.
Und bei Frankreich natürlich Paul Pogba von Juve im Mittelfeld