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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

15. 6. 2014 - 16:12

Bedingungslose Liebe

Nova Rock, Tag 2, Geschichten von Maiden ... für jeden

Das Nova Rock 2014

Unter den Flügelmonstern
Eine Ankunft unter großem Himmel und einige Fragen, religiöse und herzensbildende Grundsätzlichkeiten verhandelnd.

Mitmachstaub
Tag Eins. Crazy Town, Irie Révoltés, Steel Panther, Casper, Limp Bizkit und The Prodigy

Novelties
Samstagnachmittag - Emergency Case, Ghost, Awolnation

Bedingungslose Liebe
Geschichten von Maiden ... für jeden

"So schlecht, dass es schon wieder gut ist"
Hasseling with The Hoff

Gründerzeit
Tag Drei. Die Gründer und die Versöhnung: Black Sabbath, The Offspring, Soundgarden, Bad Religion,...

Wieder Fragen auf dem Weg zu Iron Maiden: Wie alt wird diese Musik klingen? Wieviel Ehrfurcht und Liebe vermag die ansonsten so Geschichtsbewusste Metal Community der Band entgegenbringen, die - nach Black Sabbath - am meisten mit früher Innovation in Verbindung gebracht wird?

Gemeinsam mit den (musikalisch) ähnlich gelagerten Judas Priest (und man muss sagen, mit den Scorpions) hatten die Maidens in den Siebziger Jahren die Hälfte der musikalisch und mythisch relevanten Metalversatzstücke erfunden: Das Mädchenoutfit (lange Haare, enge Hosen, Schmuck), die offensive Art mit offensichtlichen Lächerlichkeiten umzugehen, indem man Effeminiertes als übermännlich umdeutet, das Theatralische - allein die Tatsache, dass das Metalleben sich teilweise in einer Art Eskapismus-Himmel abspielt, den Nichteingeweihte gar nicht verstehen können, all das Übermenschliche, Transzendente, den Krieger- und Monstermythos, all die Teufel, Götter, Gräber und Wächter oder auch die darin nicht so recht reinpassen wollende Endzeit-Sozialkritik ("Wir werden alle sterben, wegen der Bombe oder der schmelzenden Polkappen" - bitte einsetzen). Nicht zuletzt durch Maiden definiert: Die streng proletarische Herkunft. Mit den Britrockern wurde Heavy Metal endgültig zur maßgeblichen proletarischen Kultur, die in ihrer Versiertheit, ihrer Komplexität und ihrer Identitätsstiftung der bürgerlichen Kultur in nichts nahesteht.

Und musikalisch sowieso: Die durch alle Oktaven des männlichen Spektrums jodelnde und kreischende Opernsängerstimme, die als superschnell empfundenen Drum Breaks und die in dauerndem, ebenfalls in lächerlicher Geschwindigkeit Lead-Spiel konkurrenzierenden drei Gitarren, die dazwischen abgestoppte 1/32-Beats vorgeben - all das war Vorschrift, bis die Bad Brains und die "großen Vier" des Thrash kamen und den Wertewandel vollzogen und die nach Theaterschminke riechenden englischen Arbeiter stinkig und schmierig aussehen ließen.

Und steng genommen sehen sie immer noch so aus: Bruce Dickinson ist der erste Musiker des Nova Rock mit einer Kuzhaar(!)perücke, die mehrstöckige Rumturn-Bühne wurde wohl am ehesten dafür errichtet, um zu beweisen, wie fit der Kerl noch agitieren kann (was man echt zugeben muss), seine dauernd herausgepressten hohen Schreie sind altersbedingt nicht gerade erschreckend. Der Sound ist so breiig, dass man zwei von drei Gitarren meist gar nicht hören kann. Gegen supertighte Spätgeborene wie Amon Amarth oder Hatebreed hat man bei diesen gemütlichen Walrössern sogar den Eindruck, der Headliner sei leiser als die Vorbands, weniger Druckvoll, so als wäre es ihnen Wurst.

Dann drehe ich mich um und sehe mit einer Träne in den Augen, dass ich alles falsch wahrgenommen habe: Eine riesige Menge eines nur um ein wenig älteren Publikums liebt, liebt, LIEBT Iron Maiden... Seit dem ersten Tag, seit gestern, schon immer. Sie begrüßen die kleinen pyrotechnischen Einlagen, sie "screamen" brav mit, sie sind rührend erschrocken als das Plastikmonster Eddie auftaucht. Die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, schon gar nicht in der Metal Community, die - wie gesagt - sich der Historizität ihrer Kultur bewusst ist und den Ältesten den gebührenden Respekt zu zollen bereit ist. Und wo die Liebe hinfällt, in Phasen des Suchens und der Verletzlichkeit, da geht sie nicht mehr fort. Und die Musik ist wurster als die Liebe.

Natürlich musste ich das sehen, tut mir leid für die erfolgsgewohnten Mando Diao, die ja auch interessant gewesen wären, weil sie scheinbar zum ersten Mal in ihrer Karriere nicht auf Fehlervermeidung und Hübschheit, sondern auf instrumentale Experimente und Hübschheit setzen. Hier ein bisschen Hübschheit, bevor der fragwürdigste Act in der - im übrigen heuer zehnjährigen - Geschichte des Nova Rock den Headliner gibt....