Erstellt am: 15. 6. 2014 - 02:49 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 25.
Das ist das WM-Journal '14 die einzige seit Jahren schon live unternommene strategisch-taktische Einschätzung der Matches in Österreich - weil nachher kanns jeder besser wissen.
Hier die Gesamtübersicht, die Eröffnung mit Brasilien gegen Kroatien und die gestrigen Spiele: Mexiko - Kamerun, Spanien - Niederlande und Chile - Australien.
Einschätzung der 32 Teilnehmer: England, USA und Australien - Belgien und die Niederlande - Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria . Frankreich und Algerien - Deutschland - Argentinien und Uruguay - Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland - Iran, Japan, Süd-Korea - Mexiko, Costa Rica und Honduras - Brasilien - Italien und die Schweiz - Kolumbien, Ecuador und Chile - Spanien und Portugal
Das WM-Journal ist Tei des daily blumenau, das seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst hat. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Das zweite Duell in der Gruppe C, die Gruppe ohne klaren Favoriten, bestreiten die gern unterschätzten Japaner von Alberto Zaccheroni gegen die Elfenbeinküste unter Sabri Lamouchi. Und die gelten taxfrei als Favorit, nicht nur in diesem Match, sondern überhaupt. Und auch als chancenreichste Afrikaner bei diesem Turnier.
Ich bezweifle das.
Ähnlich wie andere bereits gestürzte Könige sind die orangen Elefanten nämlich überm Zenit. Drogba, Zokora, Boka, auch Kalou etwa. Nur Yaya Toure von Man City ist bereit und Gervinho und andere offensive Talente; die sich wiederum nicht so recht entfalten können, weil Chef-Elefant Didier Drogba das nicht zulässt. Lacina Traore, die größte Gefahr für seine Position, durfte erst gar nicht mit nach Brasilien. Es ist wieder so ein Strukturproblem mit einem Team unter der Knute eines exzentrischen Einzelkönners. Kamerun ist unter anderem daran schon gescheitert.
Ob es die Ivorer besser machen?
So, und die Aufstellung überrascht diesbezüglich enorm. Denn statt Drobga, der nur auf der Bank Platz nimmt, spielt einer der erwähnten Nachrücker, Wilfred Bony von Swansea. Vielleicht ist Drogba wirklich verletzt, vielleicht hat man den gestrigen Warnschuss gehört. Außerdem ist Toure Kapitän, nicht Zokora, wie sonst in Drogbas Abwesenheit, auch ein Zeichen...
Cote d'Ivoire spielt in orange mit
1 Barry; 17 Aurier, 5 Zokora, 22 Bamba, 3 Boka; 9 Tiote, 19 Yaya Toure (K), 20 Serey Die; 10 Gervinho, Bony, 8 Kalou
Das ist ein 4-3-3 mit Yaya Toure als zentralem Joker - weit offensiver als es es bei ManCity spielt. Aber auch Tiote und Die sind keine echten Sechser, sondern hybride Akteure - oft ein Vorteil, manchmal ein Problem. Die Abwehr ist bis auf den jungen Aurier recht reif, Zokora ist schlau aber langsam. Und Tormann Barry ist er erste echte Fliegenfänger-Kandidat, den wir bei dieser WM im Tor sehen.
Gegner in Regen von Recife im Pernambuco-Stadion ist die unterschätzte japanische Mannschaft.
Japan spielt in blau mit
1 Kawashima; 2 Uchida, 6 Morishige, 22 Yoshida, 5 Nagatomo; 16 Yamaguchi, 17 Hasebe (K); 9 Okazaki, 4 Honda, 10 Kagawa; 18 Osako
Das ist das erwartete 4-2-3-1, einzig der Einsatz von Yamaguchi statt Endo kommt überraschend. Wie Morishigi spielt er im eigenen Land, der Rest sind gut- bis spitzenklassige Legionäre.
Japan spielt nicht mehr den eiligen ausfächernden Fußball von 2010, sondern hat sich - quasi italienisch - stabilisiert. Und ist so um einiges gefährlicher geworden - die Offensivreihe mit Okasaki-Honda-Kagawa gehört zum Besten überhaupt. Die Abwehr ist stabil und im besten Alter. Die Problemzonen sind die Mittelfeldzentrale und der unerfahrene Center Osako, aber das System und die Idee dahinter stehen.
Ich sehe keinen Favoriten, sondern ein offenes Match. Ich sehe den aktuellen Asienmeister gegen die Generation, die nie Afrika-Meister wurde; das gleicht sich in etwa aus.
Halbzeit Eins
Der erste gefährliche Ball ist ein japanischer, der die gegnerische Abwehr böse durchschneidet.
Gervinho und Kalou rochieren wie üblich heftig, Okazaki und Kagawa auf der anderen Seite halten ihre Positionen.
Die erste echte Chance bekommt Bony auf Zuspiel von Gervinho, wieder über rechts. Danach stellen sich die Teams aufeinander ein und neutralisieren sich. Was eher Japan zum Vorteil gereicht.
Die Führung nach 16 Minuten kommt dann aber doch überraschend, nach einem Einwurf geht Nagatomo von Inter quer, passt zu Honda von Milan, der sich mit einer Drehung freispielt und ins kurze Eck ballert. 0:1. Das hatte die Wucht, die man gerne dem Gegner zuspricht, wegen seiner Selbststilisierung zuschreibt.
Nach dem Tor pressen die Blauen die Orangen recht früh an und setzen merklich auf ihre Konterstöße; und kommen so zu Chancen; und sogar zu einem Powerplay. Bei einem Honda-Heber zeigt Barry was er kann: wenig.
Die Ivorer zeigen sich nur mehr in Standards, bauen von sehr weit hinten und recht umständlich auf, ziehen so schnelle Gegenstöße quasi an. Und so kippt eine zu Beginn von beiden flott geführte Partie in eine Zwei-Tempi-Begegnung: den langsamen Aufbau und den Konter. Den vor allem Honda gut spielt.
Dass Gervinho, Kalou aber auch Toure schnelle Sprinter sind, bemerkt man deutlich zu selten. Und Bokas Freistöße sind besser als die Toures (oder auch Drogbas).
Gegen Ende der 1. Halbzeit kriegen die Afrikaner ihr Offensivspiel etwas besser hin, kombinieren endlich auch fehlerfrei und scheitern nur noch am letzten Pass. Trotzdem gibt Team Japan dem Zuschauer eher das Gefühl von Torgefahr; auch weil es gegen die weitgehend ohne echtes Pressing agierende ivorische Offensive ungehindert aufbauen kann. Umgekehrt greifen die vordersten Japaner spätestens an der Mittellinie an und stören da enorm, erzwingen viele Abspielfehler. Den Rest bereinigt die recht sicher wirkende japanische Abwehr, die sie äußerst eng am Mann bewegt.
Abpfiff.
So, ich gehe davon aus, dass die weite Halbzeit ganz anders wird, viel mehr von den Ivorern kommen wird, kommen muss, egal ob mit oder ohne Drogba.
Halbzeit Zwei
.. beginnt wieder mit ausgeglichenen Selbstpräsentationen. Japan demonstriert Kombinationstüchtigkeit, die Elfenbeinküste sucht die spielerische Klasse. Aber der ivorische Aufbau bleibt langsam und ideenarm, da kann Yaya Toure noch so sehr herumfuchteln
In der 53. Minute übernimmt 7 Endo die Rolle von 17 Hasebe und auch seine Kapitänsschleife. Offenbar schaffen die beiden Mittelfeld-Oldies aktuell keine neunzig Minuten.
Kurz darauf krönt Sol Bamba seine bisherige Leistung mit einer gelben Karte. In der 57. legt Abwehrpartner Zokora nach, nach Kritik wegen einer Strafraumsituation von Toure.
Drogba wird kommen, für 20 Serey Die, nach 61 Minuten. Ich wette die Nummer 9 übernimmt die Kapitänsschleife von Toure. Tut er dann aber nicht, auch ein Zeichen. Eines gebesserten Innenklimas. Zuerst forciert er lieber mit einerm Powerrun eine Topszene, führt sich und seinen Hipster-Bart gut ein.
Sieht jetzt nach einem 4-2-4 aus, mit Yaya Toure neben Tiote und einer Doppelspitze. Japan wird nervös, Morishige kriegt gelb. Und dann scherzelt Bony eine Aurier-Flanke ab, unhaltbar, 64. Min, Ausgleich 1:1. Und dann zwei Minuten später dasselbe nochmal, Aurier flankt und diesmal Gervinho scherzelt ab, 2:1.
Aurier ist also der Daley Blind der Ivorer, der Mann, der mit der einzigen (wiederholten) Aktion die Tore einleitet. Direkt nach dem Tor kam 13 Okubo für 18 Osako, ein Stürmertausch. Jetzt steht das Spiel an der Kippe: Japan muss sich schnell nach vorne kombinieren und ivorische Konter verhindern; Drogba und Co. reicht ein erfolgreicher Gegenstoß.
In der 71. Minute gibt's die erste offizielle Trinkpause der WM - die in Manaus war nämlich nur eine Verletzungs-Unterbrechung. Und Arthur Boka muss verletzt raushumpeln, 18 Djakpa wird für ihn kommen, kein echter Außenverteidiger (75.) Und dann zwie Minuten später muss Bony raus, für ihn kommt 13 Didier Ya Konan, die Allzweckwaffe.
Die japanischen Kombinationen haben jetzt nicht mehr die Entschlossenheit, die es 10 Minuten vor Schluss braucht. Drogba legt mehr davon in seinen 25-Meter-Freistoß. Von Okazaki-Honda-Kagawa ist schon lange nichts mehr zu sehen, am wenigsten von ManU-Star. in der 86. kommt 11 Kakitani für ihn.
In der zweiten Halbzeit war von den Blauen offensiv eigentlich gar nichts zu sehen, die Dynamik des 1. Teils war verflogen. Auch das Pressing war lascher. Diese Match hat nicht so sehr die Elfenbeinküste gewonnen als Japan verloren. Es war klar, dass sich die Afrikaner in Teil zwei der heutigen Geschichte steigern würden - dem einen Rückfall sondergleichen entgegenzusetzen ist nicht sehr erfolgsversprechend. Lamouchi hat mit seiner klugen Drogba-Strategie ein Eto'o-Schicksal vermieden, trotz einer gruppentaktisch wie so oft miesen 1. Hälfte,
Ya Konan verletzt sich blöd und verzögert alles noch.
Abpfiff, 2:1, es ist 4:53, ich geh schlafen, ich kann nimmer.