Erstellt am: 15. 6. 2014 - 15:15 Uhr
Novelties
Das Nova Rock 2014
Unter den Flügelmonstern
Eine Ankunft unter großem Himmel und einige Fragen, religiöse und herzensbildende Grundsätzlichkeiten verhandelnd.
Mitmachstaub
Tag Eins. Crazy Town, Irie Révoltés, Steel Panther, Casper, Limp Bizkit und The Prodigy
Novelties
Samstagnachmittag - Emergency Case, Ghost, Awolnation
Bedingungslose Liebe
Geschichten von Maiden ... für jeden
"So schlecht, dass es schon wieder gut ist"
Hasseling with The Hoff
Gründerzeit
Tag Drei. Die Gründer und die Versöhnung: Black Sabbath, The Offspring, Soundgarden, Bad Religion,...
Heute ist Novelty-Tag. Wer mich kennt, kann das Kompliment dahinter erkennen. Novelty ist essentiell auf einem Festival, wo es um Stimmungen geht und nicht darum, 50-jährige, abgebrühte Musikkritiker zu beeindrucken, sondern alles zu begrüßen, was einen erhöhten Entertainment- oder Überraschungsfaktor hat. Slayer oder Iron Maiden haben genug musikalische Substanz für hundert musikwissenschaftliche Diplomarbeiten. Die Dauerbeschallten aus einer Müdigkeit zu locken, da bedarf es schon mal eines (musikalischen oder optischen) Jokes. Ein Narr, wer schlecht darüber denkt.
Und es gibt heute einiges davon: die Dancehall Riesentruppe Seeed mit Choreographie und Uniformen, holländischer Symphoniemetal von Epica, die Wikinger von Amon Amarth, das Riesengummimonster „Eddie“ von Iron Maiden und die Gesamtkunstfigur David Hasselhoff. Und, ja, die heiße Frage von gestern ist beantwortet: ER ist auch hier:
Nicht unstolz ist FM4-Fotograf Christian Stipkovits neben dem wohl bekanntesten Fernsehstar aus Detroit. Das bemerken auch die, die bereits ein wenig abgekämpft aus ihren Zelten steigen - jetzt ist Selfie-Zeit:
Und die erste Novelty Frage die sich die langsam aus den Zelten Kriechenden stellen, ist: Wer feat. WEN?
Emergency Gate feat. Haddaway
Die bayrische Metalband Emergency Gate machen vorerst einen recht unentschlossenen Eindruck. Was wollen die sein? Derbes Grunzen, Double Bass Drum, hymnische Chants, jede Menge Haare… Man hat den Eindruck, sie wären sich nicht einig geworden und hätten einen Crossover aus ihren verschiedenen Vorlieben finden müssen. Und, ad Bandname, falls ich mich wiederhole: Eine dermaßen tighte Band zu werden, bedarf es Monate und Jahre in Proberäumen und in Reflexion und Beschäftigung mit der Musik - warum wählt man dann einen Bandnamen, der in einer Trinkrunden-Laune auf einen Bierdeckel gekritzelt wurde (oder von einem Verkehrsschild inspiriert ist)? Nehmt euch ein Beispiel an Anthrax oder Ghost, das sind Namen, die kleben bleiben. Naja, mich fragt ja keiner.
Und dann kommt Haddaway. Die Band spielt zur Einstimmung "TNT" von AC/DC und der Dancestar gibt einen erstaunlich kompetenten Bon Scott. Die Menge freut sich. Der Mann, der ja in Tirol lebt und die Band vielleicht durch räumliche Nähe kennen gelernt hat, erzählt, wie es zu ihrer abseitigen Version seines Eurotrash-Hits "What is love“ gekommen ist: "Ich dachte mir zuerst, was is‘n das für ein Scheiß, aber es is‘ sooo geil" …und das war es auch. Haddaway hat erstaunlich viel Feeling für die Band und die Band nimmt ihre Version von "What is love" nicht als Witz, sondern baut sein zwischen Croonen und Shouten oszillierendes Organ gut in ihr Gebretter ein. Hier wäre eine Neugründung (mit neuem Namen und zwei Sängern) eine gute Idee - ich würde es mir anschauen.
Kurz sieht es so aus als würde es dem Herrn gefallen, den Sündenpfuhl Nova Rock mit einem alttestamentarischen Gewitter wegzuschwemmen, doch nach ein Paar Tropfen scheint sein Zorn verraucht. Warum, ist unklar, denn jetzt kommen Ghost, die ihr ganzes, zur Verdammnis verurteiltes irdisches Dasein seiner Bekämpfung und dem Huldigen seines größten Feindes anheim gestellt haben.
Ghost
Fünf in schwarze Henkerskutten gehüllte Musikerknechte ohne Namen (sie heißen sämtlich "Nameless Ghouls"), ein im Papstornat und hinter einer Totenkopfmaske versteckter Sänger namens Papa Emeritus lll, allerlei verkehrte Kreuze, satanische Symbole und Vinylmasken von alten Männern mit Totenkopfbemalung, dazu ein sehr cleaner, mit Doommetal und Sixties-Psychedelia flirtender Pop im eigentlichen Sinn. Kein Grunzen, keine Ekstase, vielmehr gemessene Bewegungen, wie es sich für Messen und Papstwahlen geziemt, würdevolles Schreiten, langsames eindringliches Sprechen, gönnerhaftes Kommandieren der Masse von irdischen, nichtswürdigen Würmern mit einer dezenten behandschuhten Bewegung.
Florian Wörgötter
Die Messages sind nicht wirklich verständlich, weil in großen Teilen auf Latein gehalten, aber man darf seine Seele verwetten, dass sie sämtlich die Ankunft des Höllenfürsten, Satans, Beelzebubs (und all die hundert Namen, die nicht ausgesprochen werden dürfen, außer von Ghost) freudig erwarten. Wenn man die Augen schließt, und den ganzen Schwurbel wegblendet hat man eine popsensible Rockband mit einer hier recht seltenen Affinität zu relativ sanftem, harmonischem Gesang, zu Brian Wilson, Paul McCartney und sogar Mainstream Rock à la Bon Jovi. Das zweite schöne Cover des bisherigen Tages: "If you have Ghosts" vom armen Psychedelia Gott Roky Erickson, der bei einem Interview mit Nich Kent in den Siebzigern auf die Frage "Are You the Ambassador of Satan on Earth?" eine Antwort gegeben hat, die vielleicht auch Ghost gefallen würde, nämlich "Yep!"
Florian Wörgötter
Jetzt noch schnell zur Beichte und dann zu einem kalifornischen Surfer-Dude, der mit seiner Liebe alle reinwaschen wird
Awolnation
Die sind so ein kleines Indie-Fenster hier. Angeführt vom typischen, sonnenverbrannten, positives Denken propagierenden Glückskind Aaron Bruno leuchtet eine Strandglückseligkeit von der Bühne. Er fragt, wie man sich fühle, er erklärt, worum es beim Stagediven geht ("Never touch the floor, and if someone does, help them out") und endlich, endlich, endlich hat auch dieses Festival seine erste Feuerzeug-Hochhalte-Nummer, zu der die Schlammbeschmierten und Eddingbemalten sich in den Armen liegen und die - beim Härtlingsfest seltene - Schmusegelegenheit fröhlich annehmen.
Zwei Messages noch, bevor wir uns den Erfindern und Zerstörern zuwenden:
Ein T-Shirt Aufdruck, all die anderen Aufdrucke zu knechten, all die "Ich bin der beste im Bett"- und "Nova Cock"-Blödian Pick-Up-Sprüche:
"Wer schmust is fix z'samm"
Und ein Häkeldecken Spruch, der uns durch die dunklen Zeiten der Hasslehoff'schen musikalischen und optischen Zumutungen hilft:
"Musik ist wurster als die Liebe"