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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

13. 6. 2014 - 15:13

Sommer, Sonne, Kino

Einige stehen schon, andere werden fiebrig vorbereitet: die Sommerkino-Saison hat begonnen.

Sommer, Sonne, Kaktus singt Helge Schneider. Sommer, Sonne, Kino singen wir. Denn in den Monaten, in denen Topfpflanzen von ungnädigen Hitzestrahlen in kleine Häufchen Elend verwandelt werden und sich Mensch zu gemeingefährlichen Bekleidungskatastrophen hinreißen lässt, gastieren Dutzende Freiluft-Kinos im ganzen Land. Nicht alle davon sind ambitioniert programmiert, immer wieder wähnt man sich in einer ziemlich grausamen Zeitschleife, in der einem die immer selben Arthaus-Kapazunder ins Hirn geprügelt werden.

Immerhin: mit Das finstere Tal kann man einen der lässigsten österreichischen Filme diesseits von Müllers Büro - der im Übrigen auch gezeigt wird - gleich in mehreren Freiluftkino-Arrangements wahrnehmen, und auch gut abgehangenes wie Spike Jonzes überschätzte, aber irgendwie eh ganz nette Mensch-Maschinen-Romanze Her sorgt für ein bisserl Herzklopfen im Mondschein.

Das finstere Tal

Filmladen

Das finstere Tal

Es beginnt in Berlin

Auch wenn man aufgrund der schleichenden Slow Food-isierung und ungnädigen Hugo-Aperitivkultur dieser Tage zu Recht annehmen könnte, das Konzept Freiluftkino hätte sich ein hundsgemeiner Hipster-Think-Tank ausgedacht, tut es wohl, eine historische Perspektive in den kulturpessimistischen Diskurs einzuflechten. Denn die Idee, Filme unter freiem Himmel zu betrachten, ist ganz so neu nicht, sondern hat schon knappe hundert Jahre auf dem Buckel.

Vielleicht sogar mehr, aber die ersten dokumentierten Freiluftkinos haben 1916 in Berlin (eh klar) und Australien (schon interessanter) für Begeisterung gesorgt. Im Besonderen in der Zwischenkriegszeit hat das vergnügliche Konzept perfekt zur neu erstarkten und schnell intensivierten Lusthaftigkeit gepasst. Sogar Wien - hört, hört - hat nicht wie üblich mehrere Jahrzehnte gebraucht, um radikal neue Kulturströmungen in den Stadtkalender aufzunehmen.

Freiluftkino in Berlin 1916

airscreen.com

Eines der ersten Freiluftkinos der Welt eröffnet in Berlin 1916.

1922 eröffnet in Döbling das 1. Freiluftkino Wiens: gezeigt wurden Stummfilme mit Live-Begleitung unter freiem Himmel, im Übrigen ein Gedanke, der es mir gleich wohlig warm ums Herzerl werden und in mir den Wunsch aufkeimen lässt, zeitgenössische Open Air-Kinoveranstalter würden sich dieser Idee auch wieder annehmen.

Kino wie noch nie unter Sternen

Aber nein, insgesamt darf man nicht meckern, auch wenn Wien heuer um ein Freiluft-Steckenpferd umgefallen ist: das Kino wie noch nie am Augartenspitz findet 2014 nicht statt, wohl da die gemeinsamen Veranstalter, das Österreichische Filmarchiv und Viennale aufgrund der Kostenlawine, die mit Umbau des Metro Kinos entstanden ist, Geld sparen müssen. Immerhin erhält damit ein weiteres zentrales Freiluftkino der Metropole die Gelegenheit, noch intensiver durch die Nacht zu leuchten.

Das immer wieder inspiriert bis exzellent programmierte Kino unter Sternen am Karlsplatz gibt sich nämlich nicht damit zufrieden, die ewig gleichen Hadern herzuzeigen. Ein schneller Blick durch das heurige Programm offenbart kuratorische Intelligenz, die sich am Begriff "Reisen" abarbeitet. Unter diesem Schlagwort-Dach versammeln sich dann Filmreihen wie jene zum emigrierten österreichischen Großkünstler Peter Lorre (Geheimtipp: das Mr. Moto-Double Feature) und eine In Memoriam-Reihe mit Filmen des unlängst verstorbenen Wunderwuzzis und beweglichsten aller österreichischen Regisseure Michael Glawogger.

Mann schläft

ÖFI

Die Ameisenstraße (Michael Glawogger)

Neben historischen Pfosten tummeln sich dann allerlei heimische Schmankerl, wie zum Beispiel die Wien-Premiere von Sitzfleisch, dem Langfilmdebüt jener Lisa Weber, die schon mit Kurzfilmen wie Kommt ein Sonnenstrahl in die Tiefkühlabteilung und weicht alles auf oder Der und die von da und dort nicht nur ihr künstlerisches Talent sondern auch jenes für großartige Filmtitel offenbart hat.

Kein schundiger Sommer

Eher traurig ist hingegen die Tatsache, dass sich kaum ein Freiluftkino dem Schundfilm verpflichtet fühlt, obwohl so liebreizend umrissene Subgenres wie "Witchsploitation" oder "Nunsploitation" nicht nur ein wenig Widerlichkeit in die (zu) braven Programme bringen würden, sondern auch gleich noch einer mächtigen Tradition der Open Air-Kinokultur, den 1933 patentierten (!) Drive-Ins irgendwie die Ehre erweisen würden. Immerhin finden sich beim Kurzfilmfestival Espresso Film noch kunstvolle Fantastereien von Spike Jonze und das Arena Sommerkino besinnt sich auf seine anarchischen Wurzeln und kredenzt etliche Edel-Schocker, zum Beispiel Dario Argentos Meisterwerk Tenebre.

Frau mit roten Schuhen, Mörder mit Messer

houseofselfindulgence.blogspot.com

Tenebre

Aber auch wer nicht in Wien lebt, kann mit Flip Flops ins Kino: im ganzen Land, zumeist in pittoresker bis kitschiger Atmosphäre läuft ein Best of (oder, je nach Geschmackssinn: Worst of) der vergangenen Kinomonate über die aufgezogenen Leinwände, gerne auch flankiert von einigen Vorpremieren und dem einen oder anderen Klassiker.

Wir bei FM4 sind mit unserer Geilheit auf Sommerkino heuer so früh dran, dass sich von vielen Veranstaltungen noch gar keine fertigen Programme einsammeln ließen. Das Poolbar Festival in Feldkirch hat nichts vom Filmprogramm nach außen sickern lassen, während jedenfalls fest steht, dass das Cinema Paradiso in St. Pölten heuer mit einer Mitsingfassung von Mamma Mia! eröffnet.

Sommerkino in Listenform

Für die, die's gern übersichtlich haben: Hier die Sommerkinos, chronologisch geordnet!