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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

16. 6. 2014 - 12:14

Analoge Dunkelheit

Zwischen menschlicher Wärme und maschineller Kälte. Zwischen unheimlicher Düsternis und harmonischem Leuchten. Das Debüt des deutsch-österreichischen Duos UMA.

Es hat von Anfang an etwas Unheimliches. Die trockenen Beats des Drumcomputers, die verhallten Synthiemelodien, das Fiepen und die hohen Summtöne, die im unendlichen Raum dahin wabbernde, reduzierte Gitarre. Darüber schwebt ein markanter, warmer Gesang, der durch mehrstimmige Parts immer mehr an Fülle gewinnt.

Die Musik von UMA trifft mitten ins Herz, auch wenn sie vom ersten Ton an eine unterkühlte Mensch-Maschine-Dichotomie aufweist. Ella und Florian Zwietnig verbinden einen geheimnisvollen, mystischen Klang mit eingängigem Popappeal und erschaffen dadurch auf ihrem Debüt eine spannende und ganz eigenständige Atmosphäre.

Bandportrait UMA

© Magdalena Bichler

Über die musikalische Ehe hinaus

Flüchtig haben sie sich kennengelernt. Auf einer Vernissage. Florian hat damals noch in der Mediengruppe Telekommander lustig-anarchischer Elektropunkmusik freien Lauf gelassen. Ella hingegen widmete sich dem Xylophon und der Blockflöte bei der herrlich eigenwilligen Formation Go Die Big City, bis sie schließlich mit Jools Hunter ihr eigenes Singer/Songwriter-Projekt in Berlin startete. Wer hätte damals wohl gedacht, dass Florian und Ella schließlich den Bund der Ehe eingehen würden und zusammen ein elektro-avangadistisches Popprojekt starten würden?

Um es klarzustellen: Beide bekräftigen, dass zuerst die Liebe da war und nicht die gemeinsame Musik. Im Gegenteil. Erst nach und nach hat Florian begonnen, die Songs von Ella zu produzieren und ihnen zu einem besseren Sound zu verhelfen. Der Prozess, ein richtiges Duo zu gründen war zwar ein schleichender, allerdings die letztendlichen Entscheidung doch ein großer Schritt. Es gab wohl von beiden Seiten begründete Ängste, die in dem Song "Fear" ihren Ausdruck finden. Schließlich kennt man vom stereotypen Musikerehepaar lediglich die skala-begrenzenden Stereotyp-Endpunkte der kompletten Harmonie einerseits und der in die Brüche gegangenen Ehe andererseits. Laut Florian gibt es bei UMA beide Extreme, natürlich in abgeschwächter Form, aber dafür oft gleichzeitig. So wie ihre Musik zwischen den Polen maschinell und menschlich aufgespannt ist, so hat das Duo ihre Songs im Ping-Pong-Verfahren im Schnittbereich zwischen kritischer Auseinandersetzung und vertrauter Symbiose gefertigt.

Wobei ganz so ernst nehmen sich UMA selbst nicht, wie man im Video von dem Eröffnungsstück "Depart" sehen kann. Da überwiegt bei aller tiefgründigen Elektroavangarde dann doch der selbstironische Humor.

Ohne Rasenmäher aber mit Gewitter

Das selbstbetitelte Debüt besticht musikalisch vor allem durch die subtile Detailverliebtheit und die liebevolle Soundtüftlerei. Denn für den Prozess des Songschreibens haben sich Ella und Florian mitsamt ihrem umfangreichen, an analogen Instrumenten überquellenden Heimstudio nach Kärnten aufs Land begeben, um dort in Abgeschiedenheit ihr Klangvorstellungen zu verwirklichen. Neben dem Knöpfe drehen an Synthesizern und Effekten haben UMA mittels Feldaufnahmen auch die Natur ins Studio gelassen. So sind bei genauem Hören Gewitteratmosphären oder Grillengezirpe wahrzunehmen, die sich mit Klangmanipulation unscheinbar in den Gesamtsound einfügen. Leider hat es Florian irgendwie nicht geschafft, auch die nervigen, lauten Rasenmäher, die tagein tagaus Runden um ihr Studio drehten, in die Musik von UMA zu integrieren.

UMA Plattencover

Anette Hansen

Das spannend verschrobenen Stück "Beautycontest", das einen mit seinen wundervollen Klavierakkorden und dem hypnotischen Gesangsmantra gefangen nimmt, vereint einige der Feldaufnahmen, wobei schwer zu erraten ist, woher die ursprünglichen Sound stammten. Ein weiteres Highlight der Platte ist das sechminütige Elektro-Trip-Pop Stück "Minutes", das seinen düsteren Sog gleich mit den ersten flirrenden Snythieflächen erzeugt. Experiment trifft hier auf ausgeklügeltes Arrangement und die Dringlichkeit der vertrakten Beats animieren zum Mitstampfen. Auch mit den Vocals wird in einem guten Maße experimentiert und selbst hier wird der harmonische Popaspekt nicht vergessen. Und Apropos dunkler Trip-Hop und Natur, das grenzgeniale "Touch", bei dem Florian den Hauptgesangspart übernimmt, wirkt so, als hätten Portishead in ihrem ländlichen Feriendomizil ihre Rasensprenger eingeschaltet, um ihre rauchbaren Pflänzchen gut zu bewässern. Denn wenn die Gitarre unisono mit einem stechenden Keyboard einsetzt, dann hebt dieser Track in eine ganz eigene Sphäre ab.

UMA Live on stage

© Red Bull Music Academy

Dass bei UMA atmosphärisch die Dunkelheit vorherrscht, liegt eindeutig an der umgebenden Welt, die sich für Ella nicht wie durch eine rosa Brille präsentiert. Die Musik scheint hier Ausdruck einer Auseinandersetzung mit globaler Ungerechtigkeit, sozialen Missständen, hasserfüllten Ideologien und der in Berlin vorherrschenden Eitelkeit zu sein, wie das Stück "Vanity" nahelegt. Florian und Ella schaffen es trotz all dieser Schwere, ihre Songs durch eingängige Harmonien und musikalische Leidenschaft zum Strahlen zu bringen. Es ist ihnen ein stringentes, abwechslungsreiches, geschmackvoll reduziertes und dennoch sehr vielschichtiges Debüt gelungen, das sowohl zuhause mit voller Aufmerksamkeit gehört werden kann, als auch bei einer herbstlichen Tour im dunklen Club sehr gut funktionieren wird. Ein Spagat, den nicht viele Alben schaffen.