Erstellt am: 10. 6. 2014 - 14:12 Uhr
Menschelnde Chatbots
Egal ob HAL in 2001 oder Data in Star Trek: Die Vorstellung mit Computern und Roboter so zu interagieren wie mit Menschen, fasziniert die Menschheit seit vielen Jahren. Nicht nur in der Science Fiction: Als Apple und Google vor wenigen Jahren ihre digitalen Sprachassistenten Siri und Google Now vorstellten, erfreuten sich User plötzlich damit, zu ihrem Telefon Dinge wie „Was ist der Sinn des Lebens“ zu sagen - und prompt Antworten wie „42“ zu erhalten.
Racknitz
Siri und Google Now schneiden allerdings sehr schlecht ab, wenn man sie dem Turing-Test unterzieht, weil sie primär auf Assistenzleistung bei der Suche und der Bedienung des Geräts ausgelegt sind. Der Turing-Test aber wurde 1950 von Alan Turing vorgeschlagen, um festzustellen, ob eine Maschine fähig ist, sich wie ein Mensch zu verhalten. "Are there imaginable digital computers which would do well in the imitation game?" lautet seine Fragestellung.
Zeitungsente
Gestern ging eine Meldung um die Welt, wonach ein „Supercomputer“ namens Eugene Goostman nun zum ersten Mal einen Turing-Test bestanden hätte. Diese Geschichte ist allerdings mit Skepsis zu betrachten – nicht etwa, weil der technologische Fortschritt noch nicht so weit wäre – im Gegenteil.
Chatbots, die imstande waren, Juroren bei Turing-Testveranstaltungen von ihrem angeblichen Menschsein zu überzeugen, gibt es bereits seit mehreren Jahren. Unter anderem hat im Jahr 2011 der populäre Cleverbot des Informatikers Rollo Carpenter 59 Prozent der Juroren davon überzeugt, mit einem Menschen zu chatten. Zum Vergleich: Eugene Goostman täuschte im jüngsten Event nur 33 Prozent der Tester.
Burstup
Superwas?
Stirnrunzeln verursacht nicht nur der mangelnde Wahrheitsgehalt der Sensationsmeldung, sondern auch so manches Detail: „The 65 year-old iconic Turing Test was passed for the very first time by supercomputer Eugene Goostman”, heißt es in der Presseaussendung der University of Reading. Nur: Bei Eugene Goostman handelt es sich – wie auch bei Cleverbot – keineswegs um einen Supercomputer, sondern um Software, deren Rechenleistung mit einem handelsüblichen PC oder Smartphone auskommt.
Populäre Chatbots wie Cleverbot gibt es als Web-Anwendungen und Smartphone-Apps. In den achtziger Jahren hatten viele Computerfans die Psychotherapie-Simulation ELIZA auf ihren Homecomputern. Sie war noch wenig überzeugend, der von ihr inspirierte Chatbot A.L.I.C.E. dagegen gewann drei mal den Loebner-Preis für das immerhin 25 Minuten lange Bestehen im Turing-Test. In längeren Chats bemerken User allerdings die Muster in den durch einen Algorithmus bestimmten Antworten.
Lernfähige Bots
In diesem Punkt unterscheidet sich der Cleverbot, weil er lernfähig ist. Mit jedem geführten Chat erweitert er seine Datenbankn um mögliche Antworten – und das in mehreren Sprachen. Mit Cleverbot zu chatten, sagte sein Erfinder Rollo Carpenter einmal, sei so, als würde man mit seiner weltweiten Usergemeinde chatten. Vor allem deshalb kann die Software im Test so viele User überzeugen.
Alan Turing selbst hat übrigens nie einen Prozentsatz festgelegt, ab dem Software seinen Test bestanden hätte – trotzdem wird heute schon ab 30 Prozent von einem erfolgreich bestandenen Turing-Test gesprochen. Auch der Blogger Mike Masnick weist darauf hin, dass sich der Turing-Test in den knapp 65 Jahren seines Bestehens stark gewandelt hat. Veranstaltungen, in denen Chatbots solchermaßen getestet würden, seien zwar recht unterhaltsam – viele Wissenschafter aus dem Feld der Artificial Intelligence würden sie aber als unnötige Ablenkung betrachten. Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz sei nicht dasselbe wie die Entwicklung eines Programms, das Menschen beim Chatten täuschen könne.
Werden wir in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten mit unseren Computern kommunizieren wie mit Data in Star Trek? Ich selbst bin ja erst zufrieden, wenn ich mein Smartphone auch dazu überreden kann, zum Supermarkt zu fliegen und zwei Liter Milch zu holen. Bis dahin können wir uns die Zeit mit Fake Captain Kirk vertreiben.