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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 6. 2014 - 23:23

The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 15.

Die sportliche Preview in 13 Teilen. Heute (12): die südamerikanische Pazifik-Küste. #CHI #ECU #COL

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Heute: ein Eintrag ins WM-Journal '14. Die Preview mit den Einschätzungen der WM-Teilnehmer gibt's diesmal nicht einzeln oder nach den gelosten Gruppen, sondern nach Kulturräumen.

Teil 11 befaßte sich mit Italien und der Schweiz und ihren (vormals nur den Deutschen zugeschriebenen) Tugenden.

Teil 10 gehört den brasilianischen Gastgebern und Favoriten.

Teil 9 räumte den mittelamerikanischen Teams aus Mexiko, Costa Rica und Honduras wenig Chancen ein.

Teil 8 beschrieb drei asiatische Vertreter (Iran, Japan, Süd-Korea).

Thema in Teil 7 waren die vier Teams aus Ost- und Südosteuropa (Russland, Kroatien, Bosnien, Griechenland)

Teil 6 teilten sich die Nachbarn Argentinien und Uruguay

Teil 5 gehört 'tschland, dem deutschen Lieblingsnachbarn.

Teil 4 war Frankreich und Algerien gewidmet.

Teil 3 befasste sich mit den vier Teams aus Sub-Sahara-Afrika: Cote d'Ivoire, Kamerun, Ghana und Nigeria.

Teil 2 featurt die beiden Vertreter der Benelux-Staaten, Belgien und die Niederlande.

Teil 1: Mutterland & Offsprings, England, USA und Australien.

Die Einträge 2 und 3 gaben erste Antworten auf die zentralen Fragen; Eintrag 1 beschrieb ein Was-wäre-wenn aus österreichischer Sicht.

Letztlich haben die drei südamerikanischen Teilnehmer, die sich nicht als Ex-Weltmeister bezeichnen dürfen wie das Brasilien, Argentinien und Uruguay können, nicht allzu viel gemeinsam. Chile ist von Kolumbien weiter weg als das Mittelmeer von Skandinavien; in vielerlei Hinsicht.

Die große Gemeinsamkeit von Ecuador, Kolumbien und Chile ist ihre Uneinschätzbarkeit. Zumindest in Fußball-Europa, dessen zentristischer Blick über den kontinentalen Vereins-Sport nicht viel hinauskommt, und die südamerikanischen Nationalteams der 2. Reihe immer als diffuse Bedrohung betrachtet.

Diesmal, und das ist die zweite aktuell wichtige Gemeinsamkeit, ist die Bedrohungslage real. Den gesetzten Kolumbianern wird ebenso die Rolle eines großen Überraschungs-Teams außerhalb der üblichen Verdächtigen zugetraut wie den strategisch hyperentwickelten Chilenen. Und das nicht nur wegen des Vorteils des Wissens um die klimatischen Verhältnisse, sondern weil diese drei Teams im Wortsinn gut aufgestellt sind.

Team Colombia

Jose Pekerman ist ein sauguter Trainer. Und trotzdem zuckt der gemeine Fußball-Freund (zurecht) zusammen, wenn er diesen Namen hört. Weil er ihn mit einem einzigen Spiel und vor allem einer fatalen Fehlentscheidung in diesem Spiel verbindet. 2006 hat Pekerman Argentiniens Führung gegen das deutsche Team verjuxt, indem er vorschnell auf Defensive zurückbaute und dem jungen Lionel Messi einen Eintausch verwehrte. Es kam, wie es kommen musste: Ausgleich, Elferschießen, Lehmanns berühmter Zettel und das argentinische Aus.

Zuvor hatte Pekerman die argentinischen Junioren zu drei WM-Titeln geführt und galt als großer Hoffnungsträger mit der Ära Messi endlich an die Ära Maradona, und den letzten Titel anknüpfen zu können. Gelang dann 2006 eben nicht.

Jetzt ist Pekerman in Kolumbien, wo er auch als Spieler tätig war, die große Autorität; Und er hat eine stupende Qualifikation hingelegt, sich ganz sicher und frühzeitig qualifiziert (hinter Argentinien auf Platz 2) und so auch die Weltrangliste gestürmt, was eine Top-Besetzung als Gruppenkopf (in der C) ermöglichte.

Pekerman lässt ein flexibles System spielen, ein 4-2-3-1, das jederzeit in ein 4-4-2 oder ein 4-3-1-2 umgemünzt werden kann. Sein Star ist die Mannschaft, vor allem nachdem ihm der einzige Weltklasse-Mann, Radamel Falcao, wegen einer Verletzung abhanden gekommen ist. Ebenso wie Abwehr-Oldie Perea und Stürmer Edwin Valencia.

Das wird weniger ausmachen als zu erwarten steht, auch weil die meisten Kaderspieler in gutklassigen europäischen Vereinen der großen Ligen spielen und dementsprechende Gelassenheit an den Tag legen werden. Weil vornedrin auch Martinez, Bacca, Ramos und auch Gutierrez den Falcao-Verlust wettmachen können. Und auch weil der Defensiv-Verbund italienisch geprägt ist.

Mit Faryd Mondragon ist auch der älteste Teilnehmer der WM dabei: er wird zwei Tage nach dem zweiten Gruppenspiel 43. Im Tor wird da trotzdem wohl Ospina stehen. Womöglich mehr als nur die drei Spiele gegen Japan, Griechenland und die Elfenbeinküste lang.
Auch, weil Jose Pekerman kein zweiter Coaching-Fehler dieser Tragweitze mehr passieren wird.

Der 23er-Kader

Tor: David Ospina (Nice/F), Faryd Mondragon (Dep. Cali), Camilo Vargas (Indep. Santa Fe).

Abwehr: Mario Yepes (Atalanta/IT), Cristian Zapata (Milan/IT), Pablo Armero (WestHam/ENG -> Napoli/IT), Camilo Zuniga (Napoli/IT), Santiago Arias (PSV/NED), Eder Alvarez Balanta (River/ARG), Carlos Valdes (San Lorenzo/ARG).

Mittelfeld: Fredy Guarin (Inter/IT), Juan Cuadrado (Fiorentina/IT), Victor Ibarbo (Cagliari/IT), James Rodriguez (Monaco/F), Abel Aguilar (Toulouse/F), Juan Quintero (Porto/POR), Carlos Sanchez (Elche/SPA), Alexander Mejia (Atl. Nacional), Carlos Carbonero (River/ARG).

Angriff: Jackson Martinez (Porto/POR), Carlos Bacca (Sevilla/SPA), Teofilo Gutierrez (River/ARG), Adrian Ramos (Hertha -> BVB/D).

Wegen Verletzung noch rausgenommen wurden Luis Amaranto Perea (Cruz Azul/MEX), Aldo Leao Ramirez (Morelia -> Atlas/MEX), Edwin Valencia (Fluminense/BRA) und vor allem Radamel Falcao (Monaco/F).

Stand-By: Aquivaldo Mosquera (Pachuca/MEX), Macnelly Torres (Al-Shabab/KSA), Elkin Soto (Mainz/D), Luis Muriel (Udine/IT).

Wer fehlt?

Auch verletzt: Stefan Medina (Monterrey/MEX).
Out: Carlos Darwin Quintero von Santos Laguna/MEX.

Team Ecuador

Zugegeben, nichts spricht dafür, dass sich in der Gruppe E Frankreich und die Schweiz klar gegen Honduras und Ecuador durchsetzen. Bis auf zwei bekannte Namen sind da echte Nobodys am Werk; die ein recht unbekannter Trainer in ein klassisches 4-4-2 setzt - was soll da also passieren?

Nun war die Ausgangsposition in Deutschland 2006 ziemlich ähnlich - und da hat sich Ecuador in der Deutschland-Gruppe auf Platz 2 vor Polen gesetzt, es also schon einmal gebracht. Und zwar mit einer international weitaus unerfahreneren Mannschaft - einer mit ganzen sechs Legionären.

Außerdem hat sich der strategische Ansatz verfeinert, auch weil der kolumbianische Trainer Reinaldo Rueda einen für einen Südamerikaner sehr europäischen Ansatz pflegt; und trotzdem offensiv agiert.
Und sein 4-4-2 ist eigentlich 4-2-4, das sich jederzeit in ein verteidigendes 4-5-1 zurückschalten lässt.

Und dann ist Ecuadors Star ein mannschaftsdienlicher Vielspieler ohne Allüren: Antonio Valencia, den rechten Flügel von Manchester United. Sein Stern ging 2006 auf. Der zweite Jungspund im damaligen Team war Stürmer Cristian Benitez, der in Brasilien für die Tore zuständig sein sollte. Dann starb er völlig überraschend im Vorjahr an einem Herzversagen.

Enner Valencia und Felipe Caicedo, die es jetzt richten sollen, fehlen ebenso wie der Defensive die große internationale Erfahrung oder die aktuelle Spielpraxis. Gerade noch der erfahrene Cristian Noboa, der aus dem zentralen Mittelfeld heraus dirigieren soll, gilt als Stabilisator.

Ich würde trotzdem davor warnen, die Gruppe E schon als gmahte Wiesn zu betrachten.

Der 23er-Kader

Tor: Maximo Banguera (Barcelona Guayaquil), Alexander Dominguez (LDU), Adrian Bone (El Nacional).

Abwehr: Frickson Erazo (Flamengo/BRA), Jorge Guagua, Oscar Bagui, Gabriel Achilier (Emelec/MEX), Walter Ayovi (Pachuca/MAX), Juan Carlos Paredes (Barcelona Guayaquil -> Watford/ENG).

Mittelfeld: Carlos Gruezo (Stuttgart/D), Renato Ibarra (Vitesse/NED), Cristian Noboa (Din. Moskau/RUS), Luis Saritama (Barcelona Guayaquil), Antonio Valencia (ManU/ENG), Edison Mendez (Indep. Santa Fe), Michael Arroya (Atlante/MEX), Jefferson Montero (Morelia/MEX), Osvaldo Minda (Chivas/US).

Angriff: Felipe C

aicedo (Al Jazira/KAT), Joao Rojas (Cruz Azul/MEX), Fidel Martinez (Guadalaljara/MEX), Jaime Ayovi (Tijuana/MEX), Enner Valencia (Pachuca/MEX).

Stand-By: Cristian Ramírez (Düsseldorf/D), John Narváez, Pedro Quiñónez, Ángel Mena (Emelec), Cristian Penilla (Barcelona Guayaquil), Segundo Castillo (Al Hilal/KSA), Armando Wila (Universidad).

Nachrücker-Tormann wäre wohl Alexis Lemos (Dep. Quito)

Wer fehlt?

Neben weitgehend unbekannten Homeboys aus der Liga Weltenbummler nur noch Joffre Guerrón, der jetzt in China spielt und die in Mexico tätigen Stürmer Narciso Mina und Marlon de Jesús. Und natürlich Altstar Félix Borja (Pachuca/MEX).

Team Chile

Wir erinnern uns: Chile unter Marcelo Bielsa war (und das war vor dem Turnier ja schon abzusehen) die große taktische Sensation der WM 2010. Sein Ausgangspunkt, ein 3-3-1-3, bei dem zumindest sieben Spieler gleichzeitig angriffen, machte Spanien nervös, die Schweiz nass und brachte den damaligen Außenseiter ins Achtelfinale, wo man an Brasilien, vor allem aber am Manko der geringen Körpergröße der Akteure scheiterte.
Ich erinnere mich: mein Traumfinale Spanien - Chile ging nur zur Hälfte in Erfüllung, aber Bielsas absolut irrsinniges 2-3-3-1-1 im 1. Spiel macht mich heute noch atemlos.

Seitdem ist viel geschehen. Bielsa ging ab, wie so oft im Streit, Nachfolger Borghi konnte nur abstinken, ehe im Dezember 2012 Jorge Sampaoli übernahm, wie El Loco Argentinier und wie Pep Guardiola bedingungsloser Bielsa-Schüler. Seitdem geht's wieder bergauf für La Roja.

Sampaolis Ausgangs-Formation ist zumeist ein 4-2-1-3, mit einem falschen Neuner (den er ja schon 2010 verwendet hatte, auch weil Center Humberto Suazo verletzt war) - dann kann aber jederzeit geswitcht werden, Dreier- oder Fünfer-Ketten sind auch kein Problem für die mittlerweile extrem strategiefitte Nationalmannschaft.

Zudem sind die wichtigen Spielerpersönlichkeiten gereift - zur Teamleistung kommt also auch zunehmende individuelle Klasse. Tormann Bravo, Rechtsverteidiger Isla, Innenverteidiger Medel, vor allem Arturo Vidal (Juve) in der Schaltzentrale, Valdivia, der neue falsche Neuner und Rechtsaußen Alexis Sanchez von Barca sind Akteure, die ein Spiel allein entscheiden können.

Als Problemzone sehe ich das zentrale Mittelfeld hinter Vidal; und die immer noch geringe Körpergröße der Mannschaft. Und dass sich mein Lieblingsspieler Beausejour nicht weiterentwickelt hat. Blöd auch der Ausfall von Mati Fernandez.

Trotzdem gilt Chile diesmal all jenen, die vor vier Jahren ein wenig erstaunt waren und das so abgespeichert haben, dass sie diesmal den damaligen Geheimtipp aber wirklich und voll auf der Rechnung haben, als Super-Entdeckung.

Eh.

Aber mittlerweile sind die Gegner besser präpariert.
Zudem heißen sie Spanien (schon wieder) und Niederlande (und Australien, aber die kann ich nicht für voll nehmen, sorry). Das wird härter als 2010.

Außerdem trifft der 2. der Gruppe B (und nur das kann das chilenische Ziel sein) im Achtelfinale auf den Sieger der Gruppe A, und das wird nach menschlichem Ermessen der Gastgeber werden.

Womit Chile also wie schon 2010 wieder auf Brasilien treffen würde, Und auch das wird härter als damals.

Es ist also nicht so, dass ich nicht neuerlich an die große Klasse dieser Mannschaft glauben würde. Es ist nur so, dass sie - eingezwängt zwischen Spanien und Brasilien, den beiden wohl besten Nationalteams der Gegenwart - aufgrund der Auslosung wohl zerrieben werden und wenig Chancen auf einen wirklich gönnenswerten Vorstoß in die Tiefen der K.O.-Runde besitzen.

Der 23er-Kader

Tor: Claudio Bravo (Real Sociedad/SPA), Johnny Herrera (Universidad), Cristopher Toselli (Uni Católica).

Abwehr: Gary Medel (Cardiff/ENG), José Rojas (Universidad), Eugenio Mena (Santos/BRA), Gonzalo Jara (Nottingham/ENG), Mauricio Isla (Juventus/IT), Miiko Albornoz (Malmö/SWE).

Mittelfeld: Arturo Vidal (Juventus/IT), Marcelo Díaz (Basel/SUI), Francisco Silva (Osasuna/SPA), Felipe Gutiérrez (Twente/NED), José Pedro Fuenzalida (Colo Colo), Carlos Carmona (Atalanta/IT), Jean Beausejour (Wigan/ENG), Charles Aránguiz (Internacional/BRA), Jorge Valdivia (Palmeiras/BRA).

Angriff: Alexis Sánchez (Barcelona/SPA), Eduardo Vargas (Valencia/SPA), Mauricio Pinilla (Cagliari/IT), Fabián Orellana (Celta/SPA), Esteban Paredes (Colo Colo).

Stand-By: Paulo Garcés (O'Higgins); Marcos González (Unión Española), Enzo Andía (Uni Católica); Rodrigo Millar (Atlas/MEX), Pablo Hernández (O'Higgins); Gustavo Canales (Unión Española).

Verletzt hat sich Matías Fernández (Fiorentina/IT), der wohl sicher unter den 23 gewesen wäre.

Wer fehlt?

Vor allem der linke Flügel Mark González von ZSKA Moskau und Junior Fernandes, den wir von Dinamo Zagreb kennen.

Dann die für zu alt befundenen David Pizarro von Fiorentina und Humberto Suazo von Monterrey, das geht okay.

Von der 2010er Mannschaft sind weiters u.a. der staksige Waldo Ponce, Ismael Fuentes, Rodrigo Tello, Marco Estrada und Tormann Miguel Pinto nicht mehr dabei.

Nicht berücksichtigt: Bryan Rabello aus La Coruna, Sebastián Pinto aus Bursa und Ángelo Henríquez von Zaragoza.

Österreich-Aspekt

Igor Lichnovsky Osorio von Universidad de Chile, Kapitän der chilenischen U20-Auswahl, den sie wegen der Ähnlichkeit seines Spiels mit dem des Weltmeisters auch "Pique Azul" nennen, ist Österreicher.
Also auch, irgendwie: The player's father has an Austrian family background, was für Transfers in den EU-Raum sehr wertvoll sein kann.