Erstellt am: 8. 6. 2014 - 12:07 Uhr
"Gooool do Brasil"
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Die erste Weltmeisterschaft, die Alois Gstöttner aktiv mitverfolgt, ist 1982. Damals sammelt der Siebenjährige Pickerl und bewundert die Spieler im Fernsehen. Auch wenn dabei sogar Österreich zu sehen ist steht seine Lieblingsmannschaft fest: Brasilien - das Land hat für ihn einen exotischen Status "und die Spieler waren einfach nur lässig."
Alois Gstöttner/Gooool do Brasil
Fünfundzwanzig Jahre später bringt Alois Gstöttner das österreichische Fußballmagazin Null Acht heraus und ist auch dessen Chefredakteur. Die letzte Nummer widmet sich dem Brasilianischen Fußball. Für Recherchen reist Alois Gstöttner 2008 erstmals nach Brasilien.
Seither "pendelt" der Autor, Journalist und Fotograf zwischen Wien und Brasilien, um dort mit den Einheimischen über Fußball oder besser Futebol zu reden, mit ihnen Fußball zu schauen und zu spielen. Fußball eigne sich in Brasilien sehr gut als Trägermedium für Geschichten. "Kulturelle und soziale Phänomene kann man mit Fußball sehr gut begreifen."
Vom Fußball am Strand und auf der Straße über die Amateurliga zur zweiten Liga bis zu Fußball im Gefängnis - ob auf dem ältesten Spielfeld, in einem Hinterhof oder unter der Fahne der Corinthians - Alois Gstöttner folgt dem Ball und hört den Menschen zu.
Dem Taxifahrer, Kellner oder der Demonstrantin, dem Trainer, Obdachlosen oder Schiedsrichter. Oder auch den ehemaligen Helden "mit dem schönen Spiel", Sócrates - der war 1982 übrigens Kapitän von Brasilien.
Als Europäer, der ein Buch über den Brasilianischen Fußball schreibt, war es relativ einfach, Zugänge zu etwas außergewöhnlichen, exklusiven Orten und Begegnungen zu bekommen, resümiert Alois Gstöttner. Darüber schreibt er nicht nur ebenso interessant wie teilweise unterhaltsam, sondern dokumentiert dies auch mit Fotos. Er hat den Blick für die Details und hält immer wieder den ganz besonderen Moment fest. Das wirkt keineswegs inszeniert - vielmehr natürlich, authentisch und sympathisch. So wie das Buch, das schön gestaltet in einem unaufdringlichen Format gut in der Hand liegt.
Alois Gstöttner/Gooool do Brasil
"Gooool do Brasil" ist ein Fußballbuch ohne Statistiken, Ranglisten und Torschützenkönige. Dafür mit Schönheitsköniginnen - beim weltweit größten Amateurtournier Peladão. Jede Mannschaft hat verpflichtend eine Schönheitskönigin im Programm. Während in einem Wettbewerb Fußball gespielt wird, hoffen parallel dazu junge Frauen auf den Titel der Schönheitskönigin. Deren Mannschaft bekommt immerhin einen fixen Platz in der Hoffnungsrunde, der im weiteren Verlauf zu einem Platz im Achtelfinale des Hauptturniers führen kann.
Einen der bedeutendsten Momente erlebt Alois Gstöttner beim Spiel der Corinthians unter der 250x35 Meter mächtigen Fahne (Bandeirão), die für einige Minuten über die Sektoren geflaggt wird:
"Die Atmosphäre unter der Bandeirão ist einzigartig: das gebrochene Licht, der dünne Stoff, der mit jeder Bewegung auf die nasse Haut klatscht, brüllende Teenager, weinende Familienväter, die klebrige Luft, vermischt mit dem Duft von Marihuana, der Takt der Paukenschläge und ein Lärmpegel von Tausenden, die gemeinsam 'Aqui tem um Bando de Louco!' anstimmen – 'Hier ist eine Gruppe von Verrückten!'. Für einige Minuten bin ich Teil dieser Bewegung, dieser populären und anziehenden Subkultur, dieses atmenden Körpers, Teil einer kollektiven Identität: 'Wir sind eine Torcida mit einem Team!'"
(Anm: Der Begriff "Torcida" bezeichnet den organisierten Fanklub, die Fankurve, aber auch die Masse der Anhänger im Allgemeinen.)
"Goooool do Brasil" liest sich wie eine einzigartige Reisereportage voller persönlicher Geschichten. Einer Reise, bei der man gerne dabei gewesen wäre. Die Erinnerungen daran könnte man aber auch nicht besser zusammenfassen.
Pathos und Leidenschaft bestimmen den Brasilianischen Fußball für Alois Gstöttner. Beides spürt man in diesem lesenswerten Zeitdokument, in das nicht nur Fußballfans immer wieder gerne reinschauen.
Radiotipp
Aus Vorfreude auf das FM4 WM-Quartier:
Futebol. Gooool do Brasil. Kartografie einer nationalen Leidenschaft. Der Autor, Journalist und Fotograf Alois Gstöttner im Gespräch mit Zita Bereuter. Am Pfingstmontag von 13 bis 14 Uhr auf FM4.