Erstellt am: 26. 6. 2014 - 19:05 Uhr
DAS Stück Stoff
Czernin Verlag
Am Anfang war Unbehagen schreibt Petra Stuiber im Vorwort über ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben. Das Unbehagen als Wien- und Chronikressortleiterin des Standard. Wie umgehen mit dem Bild der Kopftuchfrau als das Klischeebild der muslimischen Migrantin? Dieses Buch ist der Versuch, die Frauen hinter dem Klischee zu zeigen. Es soll nicht nur die aktuelle Kopftuchdebatte in Deutschland und Österreich einordnen, es will Menschen in ihren konkreten Lebenssituationen beschreiben und aufzeigen, dass die Kopfbedeckung nicht das bestimmende Element im Umgang miteinander sein darf.
Das Buch beginnt mit einer Art Theorieteil: Darin arbeitet die Autorin verschiedene Formen des Kopftuchtragens auf, von Hidschab bis Burka. Und sie liefert eine kurze Abhandlung über die verschiedenen Kopftuchdebatten und -traditionen in verschiedenen Kulturkreisen ab. Thilo Sarrazin kommt hier genauso vor, wie die Koransure, auf die das Kopftuchgebot angeblich zurückgeht.
CC BY-SA 3.0/Petropoxy
Um das Thema nicht zu exotisieren, also ausschließlich einem anderen Kulturkreis zuzuordnen, wird auch die Tradition des Kopftuchs in Mitteleuropa beleuchtet. Denn eine solche Tradition gibt es auch hier: vom Mittelalterlichen Gebende - eine Art Gebinde aus weißen Tuch, dass Frauen im Mittelalter ab ihrer Hochzeit trugen, bis zu den 1960er Jahren:
In den 1960er Jahren sorgten Hollywood-Schönheiten wie Grace Kelly, Audrey Hepburn und Diven wie Juliette Greco für eine Renaissance des Kopftuchs. Es wurde, schick im Nacken gebunden, zum Sport, zur Ausfahrt im Cabriolet oder auch auf Gartenfesten getragen.
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Anschließend werden zehn so bezeichnete Kopftuchfrauen präsentiert, und das sind Musliminnen wie Carla Amina Baghajati oder die Vorständin der muslimischen Jugend Dudu Kücükgöl genauso, wie die Society-Reporterin Ro Raftl, deren Markenzeichen ihr Kopftuch ist, oder die Frau in Tracht und Kopftuch vom Bad Goiserer Heimatverein.
Sie alle tragen verschiedene Arten von Kopftüchern aus verschiedenen Gründen. Auch bei Musliminnen ist die Motivation nicht immer die gleiche. Amina Baghajati sagt zum Beispiel:
"Kopftuchfrauen" von Petra Stuiber ist im Frühjahr 2014 im Czernin-Verlag erschienen.
Kopftuch oder kein Kopftuch – muslimische Mädchen träfen heute bewusstere Entscheidungen als die Frauen früherer Generationen, die Traditionen noch eher unhinterfragt übernommen hätten.
Klar wird: von dem Kopftuch, das nur aus der muslimischen Tradition kommt und automatisch mit Unterdrückung gleichzusetzen ist, kann man nicht sprechen. Für Menschen, die sich schon länger mit dem Thema Kopftuch und seinen symbolische Aufladungen beschäftigt haben, ist das keine neue Nachricht. Dem oder der Verwandten mit den Stammtischansichten könnte man es aber vielleicht als Denkanstoß zum nächsten Geburtstag unterjubeln!