Erstellt am: 3. 6. 2014 - 14:32 Uhr
384.000 Euro Schmerzensgeld
"Was, schon acht Jahre ist das her?" - so lauten sehr oft die Reaktionen, wenn dieser Fall zur Sprache kommt.
Rückblende
Am 7. April 2006 misshandeln die Polizeibeamten CC, HM und NG den heute 41-jährigen, aus Gambia stammenden Mann in einer Lagerhalle in Wien-Leopoldstadt. Ein vierter Beamter, FM, macht sich der "Unterlassung der Verhinderung von Straftaten" schuldig, da er den "Aufpasser" spielte. Der damalige Schubhäftling wird mit dem Umbringen durch eine Handgranaten-Attrappe bedroht, in Todesangst und gefesselt durch die Halle geschleift, mit Faustschlägen und Fußtritten misshandelt und schließlich mit einem Polizeifahrzeug von hinten vorsätzlich angefahren.
APA/Robert Newald
Bakary J. erleidet bei der Misshandlung komplexe Frakturen im Bereich der oberen Gesichtshälfte: Stirnbein, rechte Augenhöhle und rechtes Jochbein sind betroffen. Außerdem erleidet er eine Prellung der rechten Stirnhälfte, eine Schwellung der Lider des rechten Auges, eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung der linken Schulter und zahlreiche andere Verletzungen. Dazu kommt eine schwere, posttraumatische Belastungsstörung.
Der weitere Ablauf bis heute:
- Die drei Haupttäter und der vierte Beamte werden vor Gericht gestellt und wegen "Quälen eines Gefangenen" zu mehrmonatigen, bedingten Haftstrafen verurteilt.
- Dienstrechtlich, also polizeiintern, landet der Fall vor der sogenannten "Disziplinaroberkommission" im Bundeskanzleramt. Dort spricht man zuerst von einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" der Polizisten und lässt sie weiterhin Innendienst versehen, zwei Beschuldigte werden gar frühpensioniert.
- Erst nach medialem Druck und dem Einsatz von Amnesty International, wo man "diesen Fall zum Speiben findet", landet die Causa schließlich beim Verwaltungsgerichtshof - der die Entscheidung der Disziplinarkommission schließlich aufheben lässt.
- Nun werden die drei Hauptschuldigen aus dem Polizeidienst entlassen, der unterlassende Angeklagte bleibt im Innendienst.
- Die umstrittene Kommission selbst, die in juristischen Kreisen bereits den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Barmherzige Brüder" trägt, wird schließlich im Jänner dieses Jahres abgeschafft, künftig sollen derlei professionelle RichterInnen entscheiden.
Im letzten Kapitel des Falles
... geht es nun schlussendlich um die Entschädigung von Bakary J., der mittlerweile mit einem legalen Aufenthaltstitel in Österreich lebt. Bisher hat die Finanzprokuratur, die hier als "Anwalt der Republik" agiert, rund 110.000 Euro an Bakary J. und seine Familie in Tranchen überwiesen, für den Geschädigten und seine juristische Vertretung steht dies aber in keinerlei Verhältnis zum erlittenen Schaden.
Sein Anwalt, Nikolaus Rast, sagt am Telefon: "Mein Mandant ist so schwer traumatisiert, dass von einem normalem Alltag oder gar Arbeitsfähigkeit keine Rede sein kann. Bei jedem Polizeibeamten, den er auf der Straße sieht, sei er völlig verängstigt und bekomme körperliche Schmerzen".
APA/Robert Newald
Deswegen hat man ein Gutachten in Auftrag gegeben, das diesen gesundheitlichen Zustand von Bakary J. bestätigt. Daraus leitet sich eine Schadenersatzforderung von 384.000 Euro ab, abzüglich der geleisteten Zahlungen wären also noch etwa 274.000 Euro fällig. Ursprünglich war sogar von einem Streitwert in der Höhe von 750.000 Euro die Rede.
Allerdings bestreitet dies die Finanzprokuratur und gab nun ein eigenes Gutachten in Auftrag. Ein Neurologe und Psychiater aus Horn soll nun den Gesundheitszustand neu prüfen. Der Prozess am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen wurde daher letzte Woche auf unbestimmte Zeit vertagt.
Laut Anwalt Rast ist wohl nach dem Sommer, also etwa im September, mit dem Vorliegen dieses zweiten Gutachtens zu rechnen, sollte dann Gutachten gegen Gutachten stehen, wird es auch noch ein übergeordnetes Gutachten brauchen.
Erst dann wird klar sein, wieviel Geld Bakary J. für die erlittenen Schmerzen und Traumata bekommen wird.