Erstellt am: 2. 6. 2014 - 12:55 Uhr
Vom Punk zur Bank
In dem Film "The Great Rock and Roll Swindle" erzählt Vivienne Westwoods Ex-Partner Malcolm McLaren die Geschichte der Sex Pistols als Hampelmänner im Dienste seiner persönlichen Weltverschwörung zwecks Bereicherung und Stiften von Chaos.
Ex-Pistols Manager McLaren ist mittlerweile tot, aber die heute weltberühmte Modedesignerin Westwood erklärt sich die Welt noch immer nach demselben Muster.
Weltherrschaft 2.0
Bei ihrem tedx vortrag in Wien am Rande des Life Balls erklärte Westwood laut Radioberichten Banken und Zentralbanken zu den heimlichen Weltherrschern. Diese schöpfen Geld und verleihen es gegen Zinsen. Die ganze restliche Welt werde durch sie zum Schuldnerdasein gezwungen. Wirtschaftswachstum und Raubbau an der Umwelt würden durch Kredite in Gang gesetzt, bloß damit die (Zentral)banken ihre Zinsen kriegen, so Westwood. Bei Zahlungsausfall kassieren sie die bei der Kreditaufnahme vom Schuldner gestellten Sicherheiten. Die angebliche Vision der (Zentral)banker: am Ende ALLES besitzen.
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Worst of Böse
In letzter Zeit scheint es zwar kaum eine Unterstellung an die Welt der Banker zu geben, für die sich kein wahres Beispiel findet - vom Verzocken von Kunden- und Steuergeldern in der Krise, über politische Einflussnahme, Preismanipulation bis zum Mord - aber Westwoods Erzählung geht dann doch ein paar Schritte zu weit auf dem Laufsteg der "Bankster"-Theorien, die im Zuge der Krise Hochblüte erleben. Darin werden häufig Geldausgabe, Zinsen und Banken zur Haupttriebfeder des Wirtschaftssystems überhöht.
Sicher, der Kapitalismus dreht sich ums Profitemachen, und das hat für Mensch und Umwelt viele ungemütliche Folgen. Aber der Wettbewerb um den Profit wird nicht von dem Kreditgeschäft der (Zentral)banken ausgelöst. Banken sind gewinnorientiert wie andere Unternehmen auch, Zentralbanken sind es nicht. Beide können niemand zwingen, von ihnen Kredite aufzunehmen.
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Man kann nicht Schulden „erzeugen“, ohne dass irgendjemand einen Kredit haben will und sich als kreditwürdig erweist. Unternehmen nehmen freiwillig Kredite auf, weil sie damit hoffentlich profitable Geschäfte vorfinanzieren. Und KonsumentInnen nehmen freiwillig Kredite auf, weil sie damit erwartetes Einkommen von morgen schon heute ausgeben können, und sich so größere Anschaffungen leisten können bevor sie sich die Ausgaben dafür zusammengespart haben. Beide Erwartungen können natürlich enttäuscht werden: Geschäfte erweisen sich mitunter als nicht so profitabel wie erhofft, und erwartetes künftiges Einkommen kann ausbleiben. Wirtschaftsflaute, Lohnstagnation, oder eine geplatzte Immobilienblase und andere persönliche oder gesamtwirtschaftliche Unannehmlichkeiten brechen meist unerwartet und nicht selten ohne viel eigenes Zutun über Schuldner herein. Dann gibt es Probleme bei der Kreditrückzahlung - aber das ist nicht das systematische Ziel der Kreditinstitute, sondern ein Unfall, der auch diese in Bedrängnis bringt.
Banken haben kein systematisches Interesse daran, einen Kredit an Leute zu vergeben, die ihn nicht zurückzahlen können (außer sie können 100% des Kreditausfallsrisikos weiterverkaufen und damit abwälzen, was aber selbst im skandalösen Vorfeld der subprime-Finanzkrise kaum einer Bank gelungen ist). Zwar fallen dann vom Schuldner gestellte Sicherheiten an die Bank. Aber keine Bank freut sich, plötzlich Eigentümerin von ganzen Straßenzügen unverkäuflicher Häuser oder Maschinenparks zu werden, wenn in einer Krise massenweise Schuldner zahlungsunfähig werden.
In einer Krise, wie wir sie derzeit erleben, sind so manchem Akteur die Schulden über den Kopf gewachsen, und eine gerechte und schonende Art des Schuldenabbaus tut not. Aber Schulden sind nicht die heimliche Triebfeder des Wirtschaftssystems – die liegt im Wettbewerb. Und auch wenn sich Überschuldung für Betroffene wie ein Fluch anfühlt, und Betrug auch im Kreditgeschäft vorkommt, gibt es keine Weltverschwörung böser Zauberer im Nadelstreif, der sie den Betroffenen systematisch unerwünschterweise um den Hals hängt.