Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Frühsommer in Hollywood"

Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

2. 6. 2014 - 11:09

Frühsommer in Hollywood

Ein paar Zeilen zu „Edge Of Tomorrow“, „Blended“ und „A Million Ways To Die In The West“.

Godzilla ist bereits erfolgreich aus den Fluten des pazifischen Ozeans getaucht, die X-Men begaben sich unlängst auf Zeitreise, Seth Rogen kämpft nun schon seit einiger Zeit mit seinen Bad Neighbours.

Bis dann Jonah Hill in die 22 Jump Street eincheckt, die Revolution auf dem Planet der Affen bevorsteht und vor allem die Guardians Of The Galaxy die Schlacht ums Multiplex beginnen, darf ich einen kleinen Durchhänger punkto sommerliches US-Entertainmentkino diagnostizieren.

Beispiel „Edge of Tomorrow“: Während es zweifellos höchst sehenswerte Filme mit Tom Cruise gibt, bei denen nicht einmal ein Regisseur wie Paul Thomas Anderson seine Finger zwingend im Spiel haben muss, fällt der apokalyptische Blockbuster nicht gerade in diese dringliche Kategorie.

Edge of Tomorrow

Warner

Edge of Tomorrow

Und täglich grüßt Tom Cruise

Der Chefscientologe und dystopische Science-Fiction-Thriller: Diese Kombination kennt man bereits aus Filmen wie „Minority Report“, „War Of The Worlds“ und zuletzt „Oblivion“. Auch in „Edge of Tomorrow“ ist es wieder einmal soweit, Außerirdische haben die Erde attackiert, Teile der Welt liegen in Trümmern, vereinte Armeekräfte versuchen, zurückzuschlagen.

Regisseur Doug Liman (dessen vielversprechende Indiekarriere in berechenbaren Eventfilmen wie „Mr. & Mrs. Smith“ oder „Jumper“ versickerte) setzt ebenfalls bei diesem altbekannten Untergangs-Szenario an, versucht dann aber doch, innovative Ansätze einzuschleusen. Tom Cruise wird als Marketingspezialist des Militärs gegen seinen Willen eingezogen und muss ohne jegliche Kampferfahrung im Krieg gegen die Aliens mitmarschieren.

Es kommt, wie es kommen muss: Der komplett aufgelöste Major Cage stirbt schon nach kurzer Zeit auf dem Schlachtfeld. Dann wacht er allerdings wieder auf. Und wieder. Und wieder. Der verdutzte Soldat scheint in einer Zeitschleife zu stecken und erlebt den Tag des Gefechts ständig aufs Neue. Nur die gefeierte Special-Forces-Kämpferin Rita (Emily Blunt) scheint etwas über die mysteriösen Vorgänge zu wissen.

Edge of Tomorrow

Warner

Edge of Tomorrow

Game Over für Major Tom

Filme mit Computerspielen zu vergleichen, ist mittlerweile wirklich abgedroschen. Selten macht die Analogie aber mehr Sinn als bei „Edge of Tomorrow“. Tatsächlich ist zwar kein Game die Vorlage, sondern ein gefeierter Science-Fiction-Roman des Autors Hiroshi Sakurazaka. Aber die psychisch verstörenden Aspekte der Zeitschleife spielen bei Doug Liman nur eine geringe Rolle inmitten der aufwändig inszenierten Egoshooter-Action.

Ständig heißt es Game Over für Major Tom, bis nach dem tödlichen Druck auf die Reset-Taste das Spiel von vorne beginnt. Für Figurenzeichnung bleibt im 3D-Wackelkamera-Overkill keine Zeit, neben dem routiniert und wie auf Autopilot agierenden Superstar bleibt auch die sympathische Emily Blunt eher farblos, Nebendarsteller wie Bill Paxton liefern gerade mal prägnante Kurzauftritte.

Was von diesem High-Concept-Film zumindest kurzfristig in Erinnerung bleibt: Einige Sequenzen auf dem Schlachtfeld, die in der Überwältigung der Sinne und spürbaren Gewalt wie „Saving Private Ryan“ in der Apokalypse-Version anmuten. Atemberaubende Sets und Kampf-Rüstungen, die an „Rococop“ anknüpfen. Ein toller Beginn und ein passabler Mittelteil. Aber auch ein öder Showdown, grottenschlechte Tentakelmonster wie aus der CGI-Frühzeit, endlose Wiederholungen, die irgendwann schwer zu nerven beginnen.

Edge of Tomorrow

Warner

Edge of Tomorrow

Alleinerzieher unter Afrika-Klischees

Ein weitaus drastischeres Beispiel für den aktuellen Hollywood-Durchhänger ist schon vor geraumer Zeit bei uns angelaufen: „Blended“. Während es tatsächlich sehenswerte Filme mit Adam Sandler gibt, bei denen nicht zwingend Paul Thomas Anderson im Regiestuhl sitzt, sollte man um seinen neuesten sommerlichen Klamauk einen Bogen machen. Und das, obwohl hier das Team eines nostalgischen Komödienhits ein Wiedersehen feiert, der den mittlerweile 47-jährigen US-Blödler zum Weltstar machte.

„The Wedding Singer“, meinerseits stets verabsäumt, ließ 1998 Adam Sandler auf Drew Barrymore treffen, bis die RomCom-Funken sprühten. Am Anfang von „Blended“, bei uns „Urlaubsreif“ betitelt, sitzen die beiden, erneut unter der Regie von Frank Coraci, in einem Junkfood-Lokal und wagen ein Blind-Date, das im Desaster endet. Die Geschichte von Jim und Lauren, beide jeweils Alleinerzieher einer quicklebendigen Kinderschar, ist aber, man ahnt es, noch längst nicht vorbei.

Im Gegenteil, als die beiden durch eine Verkettung von Zufällen gemeinsam in einem Ferienresort in Südafrika landen, natürlich mit den lieben Kleinen im Gepäck, geht es erst richtig los. Hier ein katastrophaler Ritt auf einem Strauß, dort eine missglückte Paragliding-Einlage, es ist ein steiniger Weg bis zur schmalzigen Zielgeraden, voller familienfreundlicher Witzchen mit leicht derbem Unterton. Die wiederkehrenden ärgerlichen Afrika-Klischees geben dem All-Inclusive-Kinotrip den Rest.

Blended

Warner

Blended/Urlaubsreif

Wild-West-Nerd mit losem Mundwerk

Finales Beispiel für die frühsommerliche Hollywoodflaute: „A Million Ways To Die In The West“. Seth MacFarlanes umjubelte Serien „Family Guy“ und „American Dad“ kenne ich zugegeben nicht, als Oscarmoderator fand ich ihn zwiespältig, sein Regiedebüt „Ted“ reichte als cartoonhafter Mix aus Buddy-Movie-Abgründen und Midlife-Crisis-Ängsten aber schon für einen amüsanten Abend.

In seinem zweiten Kinofilm tritt MacFarlane nun selber vor die Kamera und zwar als fleischgewordene Mogelpackung. Nach außen wirkt das amerikanische Multitalent wie der perfekte und aalglatte Schwiegersohn. Öffnet Seth McFarlane aber in „A Million Ways To Die In The West“ den Mund, versteht man das Prädikat „Nicht Jugendfrei“ der amerikanischen Ratingbehörden.

Im Kuhbubendorf Old Stump kommt er als Schafzüchter Albert mit seinen bissigen Witzen allerdings nicht weit. Jeder ist genervt von den Wortmeldungen des Wild-West-Nerds, Freundin Louise (Amanda Seyfried) flüchtet bald in die Arme eines Konkurrenten. Dafür taucht die charmante Anna alias Charlize Theron in dem Siedlerstädchen auf. Die kümmert sich aufopfernd um den tollpatschigen Albert – und verbirgt selber ein dunkles Geheimnis.

A Million Ways to Die in the West

UPI

A Million Ways To Die In The West

Volltreffer und Querschläger

Irgendwann steht der schusselige Farmerssohn zwischen allen Fronten. Es hagelt Kugeln im Wilden Westen und auch die politisch unkorrekten Pointen fliegen im Minutentakt. Einige Volltreffer auf die Lachmuskeln sind zugegeben darunter – aber leider auch unzählige Querschläger.

Dass sich Seth McFarlane 2014 noch auf trübseligsten Toilettenhumor verlässt, ist eine Sache, seine infantilen Fans werden wohl jeden Verdauungsgag beklatschen. Wirklich schade aber, dass der US-Komiker diesmal als Regisseur versagt. Die Inszenierung schleppt sich holprig dahin, da können auch der verhuschte Giovanni Ribisi, Liam Neeson als grimmiger Outlaw oder Sarah Silverman als christliche Bordelldame nicht viel retten.

A Million Ways to Die in the West

UPI

A Million Ways To Die In The Westt

Gedreht wurde die Cowboy-Nummernrevue zwar im echten Monument Valley, vor der selben Felsenlandschaft, die auch klassische Hollywoodstars durchritten haben. Die viel zu cleanen, fast schon sterilen Bilder lassen dann trotzdem an Kulissen denken. „A Million Ways To Die In The West“, man muss es so sagen, ist letztlich nicht viel mehr als eine schmutzigere Version von Bully Herbigs Manitufilmchen.