Erstellt am: 29. 5. 2014 - 22:22 Uhr
The daily Blumenau. WM-Journal '14, Eintrag 4.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Die Preview mit den Einschätzungen der Teilnehmer gibt's diesmal nicht einzeln oder nach den gelosten Gruppen, sondern nach Kulturräumen. Den Anfang machen die englischsprachigen Mitbewerber.
Die Einträge 2 und 3 gaben erste Abworten auf die zentralen Fragen; Eintrag 1 beschrieb ein was-wäre-wenn aus österreichischer Sicht.
Neben der gemeinsamen (und trennenden) Sprache ist den National-Mannschaften von England, Australien und den USA zudem noch eines gemeinsam: sie alle befinden sich im Umbruch, im Neuaufbau. Die WM wird bereits genutzt um Junge heranzuführen, sie Erfahrung sammeln zu lassen: für Australien und die USA sind die Chancen die Gruppenphase zu überstehen angesichts der Gegner minimal, in England erwartet niemand wirklich mehr als maximal das Achtelfinale.
Außerdem haben sich die Teams aus den USA und Australien in ihrer ethnisch Durchsetzung verändert: Ange Postecoglous Mannschaft wird nicht mehr so stark von Italos und ex-jugoslawien-stämmigen Spielern dominiert wie das früher der Fall war. Und Team USA hat die einstige lateinamerikanische Personaldominanz hinter sich gelassen. Was auch mit dem Streit von Chefcoach Klinsmann mit seinem Co-Trainer Martin Vasquez sowie dessen Entlassung und dem Engagement von Berti Vogts als Berater zu tun hat.
Englands Roy Hodgson hat sich bis auf Gerrard und Lampard (und dem vergleichsweise noch jungen Rooney) von allen Altlasten gelöst - zuletzt etwa von Jahrzehnte-Linksverteidiger Ashley Cole. Und angesichts der jahrelangen Misserfolge des Three Lions ist das auch nachvollziehbar. Im Fall von Australien hatte sich der Umbruch auch entlang der Altersstruktur angekündigt. Überraschend erfolgt der Umbruch bei Klinsmann. Sein Verzicht auf seinen Leitwolf Landon Donovan etwa hatte sich nicht wirklich angekündigt.
Team USA
Beim Testspiel gegen Österreich im November hat das US-Team, all due respect, einen recht verheerenden Eindruck hinterlassen - was damals auch auf das Fehlen von Donovan und Dempsey zurückgeführt werden konnte. Im Vergleich jedoch zu US-Teams der letzten paar Jahre war in Wien aber auch keinerlei Potential zu erkennen. Bis auf das Power-Dynamo Jones-Bradley im Zentrum, der zeitweise aufblitzenden Klasse von Stürmer Altidore und dem schicken Bart von Tormann Howard ist nichts an dieser Mannschaft so richtig WM-reif. Dafür, dass der Neuaufbau so offensichtlich vonstatten geht, wirkt er sehr unstrukturiert.
Strategisch ist Klinsmanns Truppe sehr ausrechenbar: ein zwar flexibles, aber durch wenig individuelle Klasse getragenes 4-2-3-1. Das Team stützt sich auf einen beträchtlichen Anteil an MLS-Spielern. Das ist weniger Ausdruck der Stärke der Profi-Liga Nordamerikas als Ausdruck der weniger guten Export-Qualitäten: es gibt kaum wirklich eindrucksvolle neue US-Legionäre abroad; die Berufung des blutjungen Julian Green von den Bayern-Amateuren ist fast schon ein Akt der Verzweiflung.
Die Gruppe G ist mit Deutschland, Portugal und Ghana allerdings eh übermächtig besetzt.
Der 23er-Kader
Tor: Brad Guzan (Aston Villa/ENG), Tim Howard (Everton/ENG), Nick Rimando (Salt Lake)
Abwehr: Geoff Cameron (Stoke/ENG), DaMarcus Beasley (Puebla/MEX), Matt Besler (Kansas), John Brooks (Hertha/D), Timothy Chandler (Nürnberg/D), Omar Gonzalez (LA Galaxy), Fabian Johnson (Hoffenheim/D), DeAndre Yedlin (Seattle)
Mittelfeld: Kyle Beckerman (Salt Lake), Alejandro Bedoya (Nantes/F), Michael Bradley (Toronto), Brad Davis (Houston), Mix Diskerud (Rosenborg/NOR), Julian Green (Bayern/D), Jermaine Jones (Besiktas/TUR), Graham Zusi (Kansas)
Angriff: Jozy Altidore (Sunderland/ENG), Clint Dempsey (Seattle), Aron Johannsson (AZ/NED), Chris Wondolowski (San Jose).
Stand-By: Brett Evans (Seattle), Clarence Goodson (San Jose), Michael Parkhurst (Columbus), Joe Corona (Tijuana/MEX), Maurice Edu (Philadelphia), Landon Donovan (LA Galaxy) Terrence Boyd (Rapid/AUT).
Wer fehlt?
Landon Donovan, der fürs Überraschungsmoment zuständige Taktgeber, bislang Klinsmanns Liebling. Die Oldies Michael Parkhurst und Maurice Edu sind ebenso nur Stand-By wie Terence Boyd von Rapid, dessen Performance dann doch zu schwach war. Deutsch-Amerikaner Daniel Williams (Reading) hat den Cut überraschend auch nicht geschafft, auch der junge Bobby Wood von 1860 nicht.
Nicht mehr berücksichtigt wurden auch Ojuchio Onyewu (Sheffield W.), Eric Lichaj (Nottingham) und auch der in der US-Fußball-Öffentlichkeit umstrittenste Kicker, Sascha Kljestan von Anderlecht.
Vom Starting-Line-Up gegen Österreich fehlt Brek Shea von Stoke. Friedel, Bocanegra, Cherundulo oder Adu sind aus Altersgründen draußen. Dazu kommen die "Mexikaner" wie Orozco, Castillo, Torres, Gomez oder Agudelo.
Wie Boyd hat auch das unberücksichtigte Ex-Talent Joshua Gatt (Molde, früher Altach) Österreich-Bezüge.
Österreich-Aspekt
Andreas Herzog ist einer der Assistenz-Trainer, einer mit viel Tagesfreizeit, wie seine Expertentätigkeit für TV-Sender belegt. Er ist eine Art Büroleiter für Europa.
Außerdem ist Benny Feilhaber von Kansas City, den viele Experten für "eigentlich besser" als einige der Berufenen auf ihrer Liste halten, ist halber Österreicher. Feilhaber (29), der schon die WM in Südafrika bestritt, ist allerdings logisches Opfer der angedachten Verjüngung. Besonders blöd, weil er noch dazu in Rio geboren wurde.
Witzigerweise war es Andi Herzog 2006 in seiner Rolle als damaliger ÖFB-Co-Trainer, der Feilhaber für Österreich gewinnen wollte. Der entschied sich für die USA, die ihn dann ab 2007 auch regelmäßig (41mal) berufen hat.
Team Australia
Wie auch bei Team USA überrascht der hohe Anteil von Spielern der heimischen Meisterschaft, der in den letzten Jahren meist gegen Null ging; und auch hier ist es kein Zeichen von erhöhter Qualität. Unter den letzten 27 sind es noch sieben. 2010 waren es ganze zwei Spieler.
Wie bei Team USA ist der Neuaufbau nicht sonderlich konsequent. Und Routiniers wie Cahill, Bresciano, Kennedy oder Wilkshire werden die Mannschaft im heißen Brasilien wohl eher bremsen als sichern. In der Gruppe B mit Spanien, Holland und Chile ist für die ebenfalls im gepflegten 4-2-3-1 spielenden Aussies aber ohnehin nicht mehr als eine drei Spiele umfassende Lecture drinnen.
Der 23er-Kader
Tor: Mathew Ryan (Brügge/BEL), Mitchell Langerak (Dortmund/D), Eugene Galekovic (Adelaide).
Abwehr: Jason Davidson (Heracles/NED), Matthew Spiranovic (Western Sydney), Ivan Franjic (Brisbane), Bailey Wright (Preston/ENG), Ryan McGowan (Shandong/CHIN), Alex Wilkinson (Jeonbuk/SKOR)
Mittelfeld: Oliver Bozanic (Luzern/SUI), Mark Bresciano (Al-Gharafa/KAT), James Holland (Austria/AUT), Mile Jedinak (Crystal Palace/ENG), Mark Milligan (Melbourne), Dario Vidosic (Sion/SUI), Matt McKay (Brisbane), James Troisi (Atalanta/ITA), Massimo Luongo (Swindon/ENG)
Angriff: Tim Cahill (RB New York), Matthew Leckie (FSV Frankfurt/D), Tommy Oar (Utrecht/NED), Ben Halloran (Düsseldorf/D), Adam Taggart (Newcastle Jets)
Stand-By: Mark Birighitti (Newcastle Jets), Luke Wilkshire (Dynamo Moskau/RUS), Curtis Good (Newcastle/ENG), Adam Sarota (Utrecht/NED), Josh Kennedy (Nagoya Grampus/JAP), Josh Brillante (Newcastle Jets), Tomas Rogic (Celtic/SCO).
Wer fehlt?
Der alte Captain Lucas Neill, Chelsea-Ersatzkeeper Mark Schwarzer, Brett Holamn und viele andere, zuletzt gar nicht mehr berufene Oldies. Dass Curtis Good aussortiert wurde, überrascht ebenso wie die Nichtnominierung des in Südkorea spielenden Robert Cornthwaite. Auch Nikita Rukavytsya (FSV Frankfurt) oder Robbie Kruse von Leverkusen wären eine Option gewesen.
Österreich-Aspekt
James Holland, strukturkonservativer Sechser bei der Austria Wien, ist immerhin im vorläufigen Kader.
Team England
Diesmal erwartet niemand etwas. Für Gerrard und Lampard ist es die letzte WM, für die künftigen Stars wie Lallana und Sterling die erste - was soll also passieren?
Trainer-Altfuchs Hodgson hat aus den Nöten der Premier League (denn über brauchbare Legionäre kann er nicht verfügen), in denen die Besten der Welt die guten Plätze besetzen und sich die klassisch britischen Tugenden nicht mehr verkaufen lassen, eine Tugend gemacht und ist vom Diktum der alten Systeme abgegangen: er probiert es mit einem 4-3-3 (da ist auch Stephen Hawking dafür) und Wayne Rooney als vorderstem Mann. Keine schlechte Idee: the Roon spielt die jetzt erst anerkannte falsche Neun ja schon sein Leben lang. Und das kann er auch als vorderster der Mittelfeld-Reihe hinter Sturridge. Diese und andere mögliche Manöver machen das Spiel der Engländer überraschend variabel - ganz entgegen der alten (berechtigten) Vorurteile.
Die Gegner in der Gruppe D (Italien, Uruguay und Costa Rica) könnten dem Mutterland, das den Makel des Einmal-Weltmeisters nicht und nicht wegkriegt, durchaus liegen: Costa Rica ist die britischste der lateinamerikanischen Mannschaften, Uruguay ist deutlich über seinem Zenit und Italien könnte im Auftaktspiel den Fehler machen England zu unterschätzen.
Knackpunkt könnte die englische Defensive sein. Die Abwehr setzt sich aus mittelalten Mittelklassespielern zusammen, der Tormann ist ein permanenter Unsicherheitsfaktor und mit Phil Jagielka spielt der beste Keeper auf dem Feld. Vorne hingegen strotzt man vor Talent; und kann - mit etwas Glück und tüchtiger Taktik - mehr erreichen als die Weltöffentlichkeit, aber auch die kritischen Heimat-Medien erwarten.
Der 23-Mann-Kader
Tor: Joe Hart (Man City), Fraser Forster (Celtic/SCO), Ben Foster (West Brom)
Abwehr: Phil Jones, Chris Smalling (ManU), Glen Johnson (Liverpool), Gary Cahill (Chelsea), Leighton Baines, Phil Jagielka (Everton), Luke Shaw (Southampton).
Mittelfeld: Steven Gerrard, Jordan Henderson, Raheem Sterling (Liverpool), Alex Oxlade-Chamberlain, Jack Wilshere (Arsenal), Adam Lallana (Southampton), James Milner (ManCity), Ross Barkley (Everton), Frank Lampard (Chelsea)
Angriff: Wayne Rooney, Danny Welbeck (ManU), Daniel Sturridge (Liverpool), Rickie Lambert (Southampton)
Stand-By: John Ruddy (Norwich); John Stones (Everton), John Flanaghan (Liverpool), Michael Carrick, Tom Cleverley (ManU), Andy Carroll (West Ham), Jermain Defoe (Toronto/MSL)
Wer fehlt?
Kyle Walker (Tottenham), der ebenso wie Ashley Cole (Chelsea) bei Panini (und nicht nur dort) Fixstarter war, und dann vor allem Joleon Lescott (Man City). John Terry hat sich systematisch selber raustheatert, mit Ashley Young (Man U), einem der Lichtblicke der letzten Euro, war nicht mehr wirklich zu rechnen; für Aaron Lennon (Tottenham) gilt das auch.
Theo Walcott (Arsenal) ist langzeitverletzt.
Österreich-Aspekt
Der 2012 unter Medien-Trommelfeuer berufene Roy Hodgson wurde einmal fast ÖFB-Teamchef. 2002 zog man (Präsident Mauhart, Generalsekretär Ludwig) ihm allerdings schlußendlich Hans Krankl vor.