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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 5. 2014 - 17:06

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 28-05-14.

Die österreichische Sozialdemokratie und der noch nicht so recht zur Kenntnis genommene Elefant im Raum.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

#euwahl #machtpolitik

Der schärfste (und gleichzeitig konstruktivste) Kritiker, den die Sozialdemokratie in Österreich besitzt, ist nach dem EU-Wahlgang die Ruhe selbst; was Europa betrifft. Robert Misik sieht keine Veranlassung zum in den Politiker-Statements und den sich für staatstragend haltenden Medien schon folkloristisch abgesungenen Klagelied über das achsodringend nötige Umdenken nach einem weiteren Fortschreiten der Rechtsextremen und Populisten (berechtigterweise; denn in Europa, im EU-Parlament, werden sie, die auch aufeinander nicht gut zu Sprechenden, weiterhin genau gar keine Rolle spielen).
Misiks lakonischer Ansatz: mit einer Nicht-Politik, die in Österreich nicht nur zum Thema EU in den letzten Jahren betrieben wurde, ist es eh ein Wunder, dass nicht einmal 26 Prozent der Österreicher Populisten und andere EU-Skeptiker gewählt haben.

Das Unvermögen der Linken, vor allem der Sozialdemokraten, die normalen einfachen Leute zu vertreten, anstatt sie in ihrem durch mangelnde Aufklärung und Sorgfaltspflicht versursachten Frust zu den Rechtspopulisten zu treiben, spricht Misik nur als Ceterum Censeo an. Und er hat recht, in the greater picture - und nur das wurde mit dieser Wahl definiert. Fürs innenpolitisch eh nur nach den jeweils aktuellen Umfragewerten süchtelnde Klima hat sich nix verändert.

Dass just nach einer Wahl, die von Misik und den vielleicht zwei, drei anderen verbliebenen politischen Publizisten von Rang nicht benutzt wurde, um der SPÖ ordentlich die Leviten zu lesen, dort eine interne Debatte entsteht, die so grundsätzliche Fragen so konkret aufwirft, dass schon allein die reaktive Patzigkeit von Faymann und Häupl ihre hohe Relevanz und die damit verbundenen, dräuenden Gefahren demonstrieren, überrascht also durchaus.

Denn wenn die Misik-Frage nach der Vertretung der Menschen, denen gegenüber die Sozialdemokratie in den 125 Jahren ihres Bestehens immer einen Verantwortungsanspruch gesehen hatte, aus den eigenen Reihen (wenn auch nur aus der dritten und vierten Reihe) kommt, dann ist viel mehr Feuer am Dach, als wenn das Thema in einer der intellektuell-essayistischen Sontagsreden auftaucht, die die Partei zwar (aus schierer Kreisky'scher Tradition immer noch) für Parteitage und Festakte bestellt, aber - bereits seit der Ära Vranitzky nicht mehr ernst nimmt und seit der Ära Faymann wohl auch gar nicht mehr versteht.

Die verärgert durch die Luft wedelnden Wut-Genossen-Fäuste aus der Provinz und der Gewerkschaft, die durch die viel zu bedeutungsvolle Zuschreibung des angesichts nahender Wahlen nervöser werdenden Wien-Chefs noch einmal aufgewertet werden, münden zwar in Radikal-Forderungen nach Koalitions-Auflösung, sprechen aber eigentlich den Elefanten im Raum an, den zu erkennen sich die Sozialdemokraten seit dem Ende der Schüssel-Ära strikt geweigert haben: die Machtlosigkeit der Regierenden.

In diesem Zusammenhang ist das richtige ironische Lesen des Wikipedia-Eintrags zur SPÖ hilfreich. Da steht: Derzeit gehören ihr mit dem Bundespräsidenten, dem Kanzler, der Ersten Nationalratspräsidentin und dem Bundesrats-Präsidenten die Inhaber der vier höchsten Staatsämter an, und sie stellt vier der insgesamt neun Landeshauptleute (Wien, Burgenland, Steiermark und Kärnten). Zitat Ende. Um- und Durchsetzungsmacht bietet diese Ämter-Vielfalt aber genau keine.

Und zwar nicht gegenüber einer durch globale Konzerne und mächtige europäische Nachbarn beherrschten Lage, sondern wegen einer selbstverschuldeten austro-inneren Blockade - die die Kleine Zeitung hier in einigen richtigen Punkten (barocker Föderalismus, Diktat der Interessensvertretungen, biedere Klientelpolitik und Reform-Ausreden ohne Ende) benennt.

Der Rest ist Durchlavieren ohne erkenntliche Ziele oder gar Visionen; und im Gegensatz zur Konkurrenz keine Klientelpolitik. Außer für Pensionisten. Nichts allzu Zukunftsträchtiges also. Und weil sich bis auf diese immer weiter schwindende Core-Wählerschaft alle anderen Bevölkerungsgruppen in alle Windrichtungen vertschüssen, und weil es abseits des Daseins als reine Pressure Group für Pensionisten bald niemanden mehr geben wird, für den man Veranwortung übernehmen kann, wird die Funktionärs-Basis nervös. Vor allem dann, wenn man bei einer Wahl in einem Kernkompetenz-Bereich (Europa und so) die Vorherrschaft an die mindestens ebenso kriselnde ÖVP abgeben muss, die es irgendwie geschafft hat, sich als diesbezügliches Kompetenz-Zentrum zu etablieren.

Die SPÖ besitzt aktuell im öffentlichen Ansehen die Kompetenz für irgendwie alles und eigentlich nichts. Das ist ein Alarmzeichen, das jetzt auch die eigenen Genossen erkannt haben: der Elefant im Raum ist jetzt nicht mehr unsichtbar. Mal sehen, wie lange es dauert, bis ihn auch die Letzten erkennen können.