Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "#yesallwomen"

Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

27. 5. 2014 - 16:15

#yesallwomen

Nicht alle Männer sind gewalttätig. Aber alle Frauen laufen Gefahr, von sexualisierter Gewalt betroffen zu sein. Die Hashtagdebatte nach dem Amoklauf in den USA

Vor wenigen Tagen hat ein 22-jähriger, psychisch kranker Student in Kalifornien seine drei Mitbewohner erstochen und drei StudentInnen erschossen. Sein Motiv: Er wollte Rache üben dafür, dass - wie er selbst schrieb "keine schöne Frau seine Freundin sein wollte".

Der Fall hat mehrere Debatten auf Twitter ausgelöst: Zunächst der Hashtag #notallmen, der darauf hinweist, dass längst nicht alle Männer Gewalt gegen Frauen ausüben oder sie diskriminieren. Darauf antwortete der Hashtag #yesallwomen: Dass zwar nicht alle Männer Belästiger sind oder gar gewalttätig, dass aber alle Frauen derartige Erfahrungen machen. Oder wie es Journalistin und Aktivistin Soraya Chemaly auf den Punkt bringt:

Tweet

Radio FM4

Mittlerweile hat sich #yesallwomen verselbstständigt und ist - ähnlich #aufschrei, im deutschsprachigen Twitter Anfang 2013 - zu einem Vehikel geworden, bei dem Frauen ihre Erfahrungen mit Sexismus und Übergriffen im Alltag teilen.

Michi Fiedler hat zu dieser Debatte mit Mahriah einer feministischen Netzaktivistin über #yesallwomen gesprochen:

Ist #yesallwomen jetzt ein weiterer #aufschrei oder hat das schon noch mal eine eigene Dimension?

Es ist ein eigener Aufschrei. Man sieht, wie sich AktivistInnen in Deutschland zwar auch zu genau den Themen äußern, weil es themenübergreifend ist. Aber es hat eine andere Entstehungsgeschichte als #aufschrei.

Es wird gerne angeführt, dass der Amokläufer in den USA psychisch krank war - ändert das irgendetwas an der Diskussion?

Das wird als Argument herangezogen, das Ganze zu rechtfertigen. Man vergisst dabei, dass er bekennender Antifeminist war, dass er Frauen gehasst hat und sie verantwortlich gemacht hat für alle Ungerechtigkeiten in seinem Leben. Mit diesem Argument, er sei krank gewesen, wird nicht beachtet, dass es da um gesellschaftliche Strukturen geht. Es ist ja kein Einzelfall - auch wenn das als Tragödie dargestellt wird. Es gibt sehr oft Gewalttaten gegen Frauen. Diese als Einzelfall zu bezeichnen finde ich verharmlosend und gefährlich.

Was werden unter dem Hashtag #yesallwomen für Stories geteilt?

#YesAllWomen

Wie verteilt sich die Verwendung des YesAllWomen-Hashtags in der Welt? Eine interaktive Karte

Ganz unterschiedlich. Von Alltagssexismus und Belästigung, über Erlebnisse im Berufsleben, bis zu Vergewaltigungen.

Einerseits geht es hier um Gewalterfahrungen und wie weit verbreitet sie sind - was sehr wenige Männer überhaupt wissen und was von denen dann auch gerne einmal angezweifelt wird. Und das andererseits aber auch um Alltagssexismus, der gesellschaftlich akzeptiert ist: Etwa Nachpfeifen auf der Straße, das kommt ja in Werbungen und Filmen vor. Kann man das und sollte man das überhaupt trennen?

Nein, das sollte man gemeinsam ansprechen - und auch den Betroffenen zuhören. Ich würde allen Männern raten: Lest euch die Tweets unter diesem Hashtag durch, denkt darüber nach, was die Betroffenen dort schreiben und unterstützt sie. Retweetet, sagt anderen Menschen: da passiert gerade was!

Warum braucht es feministische Antwort auf #notallmen – ist das nicht etwas Positives, dass Männer sich von sexualisierter Gewalt abgrenzen?

Das ist halt immer die gleiche Reaktion: Wenn eine Frau über einen Gewalterlebnis berichtet, dann heißt es: "Aber nicht alle Männer sind so." Das hat die Betroffene aber nicht gesagt! Es geht nicht darum, Männer unter Generalverdacht zu stellen, sondern: Alle Frauen müssen damit rechnen, von sexualisierter Gewalt betroffen zu sein. Dafür sollten wir gemeinsame Lösungen finden und es gemeinsam zu thematisieren.

Was könnte dann diese gemeinsame Lösung sein? Weil: #aufschrei ist ja scheinbar ein bisschen versickert, was ist dabei herausgekommen?

Rausgekommen ist leider nicht so viel, wie erwartet. Es gibt bei #aufschrei noch immer die Reaktion "Du bist selbst schuld" wenn du über sexuelle Gewalt twitterst. Das heißt Rape Culture und die muss aufgebrochen werden. Allen Frauen rate ich: Tauscht euch aus, ihr seid nicht alleine! Zum Beispiel beim femcamp am 20. und 21. Juni in Wien!