Erstellt am: 27. 5. 2014 - 15:48 Uhr
To The Lighthouse My Friend
Festivalradio
Dein Musiksommer auf FM4
Daniela Derntl
"Wollen wir mit dem Party-Boot fahren?"
"Nein. Keine Lust. Bleiben wir noch am Strand in der Sonne liegen. Wir können heute eh noch 16 Stunden feiern, wenn wir wollen."
So klingen die Dialoge beim Lighthouse-Festival, wo unter dem Motto "Electronic Music on Vacation" Party und Urlaub eine wunderbare Symbiose eingehen. Organisiert wurde das Ganze von der Wiener Pratersauna. Das Party-Boot tuckert dann auch noch viermal mit voller Lautstärke vorbei. Es ist also verkraftbar, diesen einen Dancefloor mit seinen DJs ausgelassen zu haben, denn es ist nur einer von vielen.
Daniela Derntl
Ehrlich gesagt ist bei diesem Festival auch keiner der namhaften Acts wie Juan Atkins, Kollektiv Turmstrasse, Alexander Robotnik, Dirty Döring oder Wolfram der Star - das wahre Highlight ist die Location: die schnuckelige Ferienanlage auf der kroatischen Halbinsel Laterna, in der Nähe von Porec. Das Gelände wirkt mit seinen verwinkelten Parkanlagen und dem Steinstrand im gleißenden Sonnenlicht beinahe surreal schön. Die Besucher sind in Apartment-Anlagen untergebracht, die alle nach kroatischen Frauennamen benannt sind. Es gibt Restaurants, Hotels, einen Supermarkt, Minigolf-, Beachvolleyball- und Tennisanlagen.
Daniela Derntl
Daniela Derntl
Es ist zweifelsohne das zauberhafteste Festivalgelände, auf dem ich je gefeiert habe - und zu feiern gab es jede Menge: von Freitagmittag bis Montagmorgen schallten durchgehend 4/4 Beats über die Halbinsel. Entweder draußen auf der Beach- oder Daystage, die sich beide direkt beim Meer befinden. Dort haben zwei Tage lang die Tänzer und Tänzerinnen mit der Sonne um die Wette gestrahlt.
Am Freitag kam der Sound der Daystage vom formidablen Studio-Barnhus-Dreiergespann bestehend aus Axel Bomann, Kornél Kovács und Petter Nordkvist, die über vier Stunden lang höchst vergnügt Ping-Pong gespielt haben. Bei ihrem Set war nicht nur das Zuhören eine Freude, sondern auch, den dreien zuzusehen, wie sie trotz windiger Verhältnisse Vinyl-Platten auflegen und es mit Humor nehmen, wenn die Nadel wegen eines Windstoßes mal über die Platte saust. Das gehört dazu, genauso wie eine High-Hat, die sie mit Freude in ihr Set einbauen. Nach ihnen hat die Detroit-Techno-Instanz Juan Atkins seinem Ruf alle Ehre gemacht und ein straightes Techno-Set abgefeuert, das gegen Ende hin seine Kanten verloren hat, immer runder und weicher wurde und zu guter Letzt mit sexy House geflirtet hat.
Daniela Derntl
Am Samstag sorgen HVOB für mein großes Aha-Erlebnis auf der Daystage. Das reduziert-geheimnisvolle Klangkaleidoskop des Wiener Duos wirkt für mich in der Dunkelheit der Clubs nach einer Weile redundant und erschöpft, aber statt eines Plätscherns kulminierte ihr Set in einer Welle der Begeisterung, als sie eine gute Prise House-Glückseligkeit in die salzige Meeresluft mischen. Der Jubel braust und steigt wie die Flut. Vielleicht braucht HVOB einfach einen Funken Tageslicht oder Frischluft, um so richtig aufzublühen. So locker und trotzdem tight wie am Lighthouse-Festival hab ich sie noch nie gesehen.
Daniela Derntl
Eine Überraschung, die sich dann schnell aufgeklärt hat, war das Set des jungen Pariser Produzenten Dream Koala, den ich letztes Jahr beim Waves-Festival in Wien gesehen habe und mit einer Mixtur aus Dreamwaves, Chillhouse und einer Stimme aus Samt in bester Erinnerung hatte. Doch wegen technischer Probleme hat er statt seines Live-Sets dann "bloß" aufgelegt, und das klang viel rougher als gewohnt: breitformatiger UK-Bass dröhnte aus den Boxen - und das darf nicht unerwähnt bleiben - der Sound beim Festival war dank der Function-One-Anlagen auf allen Floors einfach nur großartig.
Ein Minus gibts allerdings für die heftigen Getränkepreise und Skeptiker und notorische Hater könnten dem Lighthouse-Festival ein nur mittel-starkes Booking mit einem Fokus auf Wiener DJs vorwerfen, aber dazu zähle ich nicht: Gerade weil es Phasen gibt, in denen mal kein großer Name spielt, fällt der kategorische Party-Imperativ weg. Man kann also ohne schlechtes Gewissen etwas zu verpassen ins Apartment gehen und kochen, trinken und duschen. Dabei sorgen die Zwei- bis Vier-Bett-Apartments mit ihrer Ausstattung für einen riesen Zivilisationsvorteil. Egal in welche diffusen Zustände man sich raved, man hat ein solides Bett, Dusche, WC und Kühlschrank. Alles Dinge, die einem verkatert das Leben retten können.
Daniela Derntl
Die Festival-Nächte spielten sich im Zodiac Club ab, wo bei der Rollerdisco mit Alexander Robotnik und Wolfram der Glamour der Siebziger- und Achtziger Jahre wiederbelebt wurde. Das Publikum ist dem Aufruf der Veranstalter gefolgt und hat sich bei dem Styling-Contest in die passende Schale geworfen: Neonfarbene Schweiß- und Stirnbänder, viel Glitzer, Pailletten, Silber und Gold. Die Stimmung war dementsprechend ausgelassen und bunt. Einige Einheimische haben sich auch unter das Publikum gemischt, das sich weitgehend aus Österreichern, ein paar Deutschen und Schweizern zusammengesetzt hat. Dass der Großteil der Besucher aus Wien kommt, war natürlich klar, allerdings war es entgegen meiner Erwartung keinesfalls so, dass ich dort nur altbekannte Gesichter aus der Pratersauna getroffen habe. Die waren zwar auch dort, aber eigentlich in der Minderheit.
Wer nach dem Abendprogramm noch konnte bzw. schon wieder wach war, fand sich dann zur Afterhour oder Morgengymnastik im Märchenwald ein. Dort ergaben sich am Samstag früh beim Set vom Berliner Bar25-DJ Dirty Döring etliche skurrile Bilder: Frauen in High-Heels versanken im Waldboden, taumelnde Druffis umarmten sich gegenseitig oder die Bäume, an die sie dann im Stehen gelehnt einschliefen, während topmotivierte und ausgeschlafene Festival-Besucher bereits durch den Park joggten.
Daniela Derntl
Weit weniger verstrahlt und um einiges lustiger ging es bei der Noisey-Afterhour am Sonntag zu, die in einem zweistöckigen, komplett leergeräumten Apartment stattgefunden hat. Dort hat nach den Wiener Hip-Hop-Crews Vihanna und Sexy Deutsch der 18-jährige Bass-Virtuose Salute die Leute mit Future Bass von Rustie, Hudson Mohawke usw. zum Durchdrehen gebracht.
Daniela Derntl
Die Fensterscheiben haben mit den Boxen um die Wette gescheppert. Großes Tennis mit einer guten Crowd, die bis neun Uhr früh gefeiert hat. Der Drei-Tage-Wach-Hase hat auch vorbei geschaut.
Daniela Derntl
Während das erste Lighthouse-Festival im Vorjahr wegen Regenwetter für so manch trübe Gesichter gesorgt hatte, ist heuer alles - nicht nur wettertechnisch - reibungslos über die Bühne gegangen. Ich bin gespannt, ob eines der kommenden Festivals des Sommers das Lighthouse toppen kann. Vermutlich nicht.
Daniela Derntl