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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

1. 6. 2014 - 18:56

Loss lei lafn!

In einem wasserreichen Land kann es sogar schädlich sein, den eigenen Verbrauch einzuschränken. Wasser sparen sollte man trotzdem, aber anders.

"Into The Blue" – Wassergeschichten

Es ist lebensnotwendig, entscheidet über Gedeih oder Verderb, macht an keinen Grenzen halt, kann Konflikte und sogar Kriege auslösen. Es bedeckt 71 Prozent der Erdoberfläche und ist dennoch so kostbar wie kein anderes Gut der Welt: das "blaue Gold". Der FM4-Schwerpunkt ab 2. Juni beleuchtet das Thema Wasser in seinen vielfältigen Erscheinungsformen: als Energie, Lebensmittel und Habitat, aber auch als Gefahr und als Klimafaktor.

"Wasser sparen!" hat schon meine Oma immer gesagt, wenn ich beim Zähneputzen keinen Becher verwendet habe. Wir schützen die Umwelt und sparen Wasser! rühmen sich internationale Café-, Restaurant- und Möbelketten, wenn sie auf ihren Klos wasserfreie Urinale einbauen. In den Baumärkten sind Wasserspar-Armaturen der letzte Schrei, und eine große österreichische Handelskette preist unter dem "Mutter Erde"-Logo direkt an der Kassa Wassersparaufsätze für den Haushalt an.
Klingt ja aufs Erste auch sinnvoll: Denn obwohl der Großteil der Fläche unseres Planeten mit Wasser bedeckt ist, können nur drei Prozent davon zum Trinken genutzt werden, und diese drei Prozent sind auch noch extrem ungleich verteilt. Während wir also Trinkwasser auch zum Duschen, Blumen gießen und für die Klospülung verwenden, hat ein Großteil der Menschheit überhaupt keinen ständigen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Da sind wir schon beim Kern des Problems.

Global denken – lokal handeln

Was nutzt es dem algerischen Wüstenbewohner, wenn ich im wasserreichen Alpengebiet zwei Liter Trinkwasser weniger im Klo hinunterspüle? Gar nichts. Denn erstens verbrauchen wir nur einen Bruchteil des Trinkwassers, das uns im Alpenraum zur Verfügung steht, und zweitens kann man Trinkwasser im Gegensatz zu Strom oder Erdgas gar nicht über große Strecken transportieren ohne enormen Energieaufwand für Pumpen und die Aufbereitung am Zielort. Deswegen ist es im Allgemeinen in Österreich auch nicht notwendig, mit Leitungswasser noch sparsamer umzugehen, als wir es eh schon tun.

Wasser

https://www.flickr.com/photos/smkybear/

In Österreich verbraucht eine Person ca. 130 Liter Leitungswasser pro Tag. Bis Anfang der Siebziger Jahre war das noch anders, da hat man das Bier noch in der Badewanne gekühlt und den Garten im Sommer regelmäßig unter Wasser gesetzt, so dass es in heißen und trockenen Sommern schon einmal zu Engpässen gekommen ist. Eine Wasser-Spar-Kampagne hat dem ein Ende gesetzt, und da kommen auch die Sprüche meiner Oma her, die sich auch in den Köpfen der Nachfolgegenerationen eingebrannt haben. Heute gibt es bis auf einzelne Ausnahmen in Österreich immer und überall genug Trinkwasser – kein Grund also, noch mehr zu sparen. Die stinkenden wasserfreien Urinale haben also mit der Umwelt genau gar nix zu tun, da geht es ausschließlich darum, Kosten zu sparen.

Wasser sparen kann schädlich sein

Es gibt sogar Gegenden in Mitteleuropa, wo es schädlich ist, zu wenig Wasser zu verbrauchen. Vor allem ostdeutsche Städte haben an der Überdimensionierung ihres Wasser- und Abwassernetzes zu leiden: durch die Abwanderung der Schwerindustrie und der Wohnbevölkerung ist der Wasserverbrauch so niedrig, dass im Versorgungsnetz zu viel Stillstand herrscht, woran die Wasserqualität leidet: es bilden sich Keime. Auch im Abwassernetz werden manche Stoffe nicht mit genügend Druck weggespült, was zur Folge hat, dass sich Gase bilden, die nicht nur stinken sondern auch die Rohrleitungen schädigen. Wer mal an einem heißen Sommertag in Berlin an einem Kanaldeckel vorbeigegangen ist, weiß was ich meine.

Weil die Wasserwerke die Kanäle zu Reinigungszwecken auch noch mit Trinkwasser durchspülen müssen, hat zu geringer Wasserverbrauch sogar zur Folge, dass der Wasserpreis steigt. Denn die Kosten fürs Spülwasser – wie auch die für Leitungsreparaturen – werden natürlich auf die Kunden umgelegt.

Im Tourismus- und Landwirtschafts-lastigen Österreich kennen wir diese Probleme nur vereinzelt. Im steirischen Eisenerz, das in den letzten Jahrzehnten auf ein Viertel seiner Bevölkerung geschrumpft ist, kann man diese Probleme mit einem Rückbau der Infrastruktur auffangen. Bei uns muss man also, wenn es nicht extreme Wetterkapriolen gibt, weder extra pritscheln noch übermäßig sparsam mit dem Leitungswasser umgehen.

Wassertropfen

https://www.flickr.com/photos/smkybear/

Wasser sparen – aber richtig

Der Witz an der Geschichte ist, dass wir im wasserreichen Österreich zwar nur 130 Liter eigenes Leitungswasser pro Person und Tag konsumieren – also ungefähr eine Badewannenfüllung für Duschen, Kochen, Klospülung, Blumen gießen, Auto waschen, Geschirr spülen und so weiter, insgesamt aber um die 4000 Liter Wasser pro Person und Tag verbrauchen – und zwar in Form von Gemüse, Kaffee, Rindfleisch, Kleidung und anderen Produkten des täglichen Bedarfs, für deren Herstellung Wasser verbraucht wird. So kommt es, dass wir im Wasserparadies Österreich fast zwei Drittel unseres Wasserbedarfs importieren – oft sogar aus Ländern, die selbst keine ausreichende Wasserversorgung haben: aus Südamerika, Afrika und Asien, oder aus Spanien oder der Türkei. Bei Gemüse ist das zum Beispiel offensichtlich: weil in Spanien die Sonne scheint, werden dort Tomaten, Gurken und Weintrauben angebaut. Die Unmengen Wasser, die für die Plantagen gebraucht werden, fehlen Mensch und Natur dort: Brunnen versiegen, Flüsse trocknen aus.

Der sogenannte virtuelle Wasserverbrauch ist enorm: für eine Tasse Kaffee nehmen wir bei uns zuhause zwar nicht einmal einen Viertelliter Wasser aus der Leitung, im Anbaugebiet und für Verarbeitung und Transport braucht die Melange aber sage und schreibe 140 Liter. Satte 92 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs entfällt auf die Landwirtschaft. Für die Produktion von einem Liter Milch werden zwischen 200 und 1000 Liter Wasser benötigt: das, was die Kuh selbst trinkt, das Wasser, das ihr Futter zum Wachsen braucht, und der Transport und Vertrieb. Das Lebensmittel mit dem höchsten Wasserverbrauch ist Rindfleisch: ein Kilo benötigt über 15000 Liter Wasser. Auch der Anbau von Baumwolle ist besonders wasserintensiv: ein T-Shirt benötigt ungefähr 2000 Liter Wasser, ein Paar Jeans 6000.

140 Liter Wasser für eine Tasse Kaffee

Die Zahlen können je nach Untersuchung stark schwanken. Das hängt davon ab, welche Faktoren man zum Wasserfußabdruck eines Produkts einberechnet, aber auch davon, wie die Dinge produziert werden: eine Kuh, die hauptsächlich Gras vor ihrer Stalltür frisst, verbraucht für die Milchproduktion weniger Wasser, als eine, die mit importiertem Soja aus Brasilien gefüttert wird.

Flüssigkeit, rot

https://www.flickr.com/photos/seyyed_mostafa_zamani//modified/https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Analog zum CO2-Fußabdruck gibt es auch einen Wasserfußabdruck – beziehungsweise gleich derer drei: einen blauen für den Verbrauch an Oberflächen- und Grundwasser, einen grünen für den Verbrauch an Regenwasser und einen grauen für die Wasserverschmutzung. Beim Wasser ist das mit dem Fußabdruck nochmal ein bisschen komplizierter als beim CO₂ – denn da kommts auch darauf an, wo das Wasser verbraucht wird: ein Kilo Kakao benötigt zwar fast 20000 Liter Wasser zur Produktion, aber in den Tropen, wo der Kakaobaum wächst, gibt es das ganze Jahr lang ausreichend Regen, sodass die Kakaoproduktion im Normalfall mit dem "grünen" Regenwasser auskommt. Bei Kaffee schaut die Sache schon anders aus: dort kommt es darauf an, wo der Kaffee herkommt – aus dem wasserreichen kolumbianischen Hochland oder aus brasilianischen Plantagen in der Savanne, die künstlich bewässert werden müssen.

Erdbeeren im März trocknen die Doñana aus

Wer unbedingt im März schon Erdbeeren essen möchte, der sollte sich dessen bewusst sein, dass ein Kilo Erdbeeren zwar "nur" 200 Liter Wasser benötigt, dass aber die Plantagen in der spanischen Region Huelva dafür dem einzigartigen Naturschutzgebiet Doñana das Wasser abgraben. Zum Richtig-Wasser-Sparen müssen wir also weder teures Geld in neue Badezimmer-Armaturen investieren, noch manisch die Stopptaste der Klospülung betätigen. Wir sollten lieber beim Einkauf darauf achten, dass wir Produkte aus Gegenden kaufen, wo es genügend Wasser gibt.


Wasserspar-Tipps fürs Aufstehen aus der FM4 Morning Show:

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