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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 5. 2014 - 17:28

The daily Blumenau. Monday Edition, 26-05-14.

Ein paar Fragen am Tag nach der EU-Wahl.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern. Heute ist kein tag nötig...

Endergebnis in Österreich, Wählerstrom-Analysen und noch eine schöne Wien-Übersicht.

Die europäischen Ergebnisse/Hochrechnungen, hier auch gleich mit Euro-Fraktionszugehörigkeit und die Wahlbeteiligung.

Das neu gewählte Europa im Kurz-Überblick.

Um mit etwas Positivem zu beginnen: Das war die transparenteste und europäischste EU-Wahl ever. Ich kann mich an nichts Vergleichbares erinnern, was schieren Wissenstand, mediale Vermittlung der Hintergründe, Interesse an Ergebnissen und Trends in anderen Ländern und anderes mehr betrifft.

Die letzten EU-Wahlen waren, zumindest in Österreich, Abrechungs- und Heimzahlungs-Abstimmungen zur jeweils aktuellen Lage, ohne jeglichen Blick über die Grenzen. Das war diesmal nicht nur wegen der Schulz/Junckerisierung des Wahlkampfs anders: Ich denke es herrschte tatsächliche Neugier auf z.B. die Resultate im EU-Sparspießer-Opfer Griechenland, auf die Ergebnisse von UKIP oder Le Pen, wie sich unsere radikalen östlichen Nachbarn tun uvam. Selbst die etwas hölzernen Versuche der FPÖ, sich erstmals auch in eine Fraktion (gemeinsam mit, igitt,. Ausländern) einzugliedern, hat zur Verständlichmachung beigetragen.

Dass das wiederum weniger als die Hälfte der Menschen interessiert, auch nachvollziehbar. Ein Viertel interessiert nichts, was jenseits des eigenen Bauchnabels passiert und ein anderes Viertel gefällt sich in des Schnorrer-Junkies, der die Vorteile gern annimmt, aber "blöde EU, geh weg!" koffert, sobald man ihm irgendwas (gar nicht einmal Anstrengung, es reicht etwa Aufmerksamkeit) abverlangt.

Vieles wurde im Lauf der letzten Tage/Wochen und am Sonntag geklärt (dass die Grünen die Neos ausgebremst haben, dass der VP-Erfolg Stillstand innerhalb der Regierung nach sich ziehen wird etc - das steht heute eh alles in allen Medien), ein paar andere Fragen sind aber weiterhin offen.

Warum reißt die FP bei für sie enttäuschenden Resultaten nur so eine derart sichtbare Rhetorik/Optik-Schere auf?

Irgendwas läuft da schief: die Gesichter signalisieren ordentliche Angefressenheit. Kein basses Erstaunen, sondern sichtbarer Ärger, weil klar vorhandenes Potential nicht ausgeschöpft wurden, trotz Denkzettel-Wahlkampf-Parolen in der Schlussphase. Und dazu eine Sprache, die vor Sieges- und Selbstsicherheits-Bildern nur so strotzt. Ein Erdbeben, nannte Strache das Ergebnis.

Nur: dem, der das was er sagt selber so sichtbar nicht glaubt, nimmt es auch kein anderer ab. In politischen Aktionismus ist nichts so entlarvend wie die Fake-Reaktion nach einer Wahl, wo die Nervenanspannung und Müdigkeit einem die wohldosiert aufgesetzte Maske runterzerren und das Dahinterliegende offenbaren. Im Fall der FPÖ war das Missmut über ein "zu wenig gut". Schließlich hatte man nur einen - wegen der Krone und der von ihr hofierten Liste Martin dramatischen - Tiefststand ausgeglichen, von den Sonntags-Fragewerten ist man weit entfernt. Unter 20, wie peinlich.

Wie man ein Solala-Ergebnis, das angesichts der Erwartungen eigentlich eine Niederlage ist, wegputzt, zeigte Michael Häupl vor: der zog sich auf die (eh mehrheitsfähige) "Is-ma-wuascht-die-Wahl-da"-Position zurück, achselzuckend. Und blieb dabei halbwegs authentisch.

Statt den Ärger über die unzuverlässigen Stammwähler runterzuwürgen und nur in knurrigen Nebensätzen anzudeuten, empfiehlt sich für eine Bild und Ton zusammenführende Wahlabend-Performance ein wenig mehr Ehrlichkeit, z.B. ein Zulassen von Gefühlen wie Enttäuschung. Mit der Ansage, das beim nächsten Mal nicht mehr zuzulassen als selbstauferlegtes Marschgepäck.

Und: geht sich die von Front National, Vlaams Belang und FPÖ angestrebte Rechtsaußen-Anti-EU-Liste überhaupt aus?

Fraktions-Status haben die Zusammenschlüsse der Konservativ/Christdemokraten, der Sozialdemokraten, der Liberalen, der Grünen, der neuen Linken und die Liste der EU-skeptischen Konservativen (vor allem die britischen Tories). Der rechte Rand (EU-Skeptiker, Rechtspopulisten und Rechtsextreme) wird sich wohl neu strukturieren.

Wird eng. Man braucht Parteien aus 7 Nationen und eine gewisse Mindestanzahl um eine Fraktion im EU-Parlament bilden zu können. Alles andere, alle "sonstigen" sind de facto nicht handlungsfähig, reine Waldorf-Statler-Figuren.

Zudem ist die Szene auch noch gespalten. Verständlicherweise niemand will mit der ungarischen Jobbik oder der griechischen Morgenröte etwas zu tun haben; zudem haben sich die Wahlsieger UKIP und die dänische Volkspartei sowie die diesmal ein wenig geschwächten "Wahren Finnen" in einer eigenen Partei organisiert, die den Vlaams Belang, aber vor allem die Front National der Familie Le Pen ablehnt.

Mit den beiden und den Schwedendemokraten steht die FPÖ aktuell alleine da. Die Lega Nord hält sich bedeckt (und wird sich den Stärkeren anschließen). Und da die slowakischen Nationalisten wohl kein Mandat bekommen (und auch den Flamen droht der Sturz in die Bedeutungslosigkeit) kommt man wohl kaum auf die 7 nötigen Länder für die im Vorfeld bereits so gut wie ausgedealte Fraktion.

Wiewohl die - für Parteien, die nichts als raus aus der EU wollen - eh ein absurdes Anliegen scheint.

Wie kann die medial nicht präsente EU-Stop-Bewegung die anderen (medial wahrgenommenen) Kleinst-Parteien derartig abhängen?

Der Wahlforscher Christoph Hofinger erklärt das mit dem Blick all derer, die gegen ihre Überzeugung hingegangen sind, auf den Wahlzettel.
Klingt nachvollziehbar, wirft aber ein noch düstereres Licht auf die sektenähnlichen Parteien im Post-Haider-Umfeld und die wieder einmal enttäuschende Linke.

Wieso schafft das linke Wahlbündnis nicht einmal in der Steiermark, wo es ja sogar eine entsprechende Bürgerbewegung gibt, über 2%?

Denn dort, in der Steiermark, stellt die KPÖ ja noch etwas dar, steht für zentrale Werte. Und in der einzigen außerparlamentarischen Opposition, die diese Bezeichnung in Österreich echt verdient, der Plattform 25 bündeln sich, hochperformativ auch die in Rest-Europa in weitaus höherem Umfang existenten Neo-Linken.

Ist tatsächlich nur eine einzige Piratin ins EU-Parlament gekommen; und wieso ist die nun Österreicherin? Und was ist mit Spaß-Parteien?

Warum Julia Reha, die deutsche Spitzenkandidatin, jetzt von den österreichischen Piraten in einer Aussendung als "ihr" Mitglied abgefeiert wird, will ich gar nicht so genau wissen; es zeigt nur wie wenig wichtig den Piraten das Anders-Bündnis rund um Ehrenhauser die ganze Zeit war.

Es zeigt aber auch dass das Momentum der Piraten in der 2. Hälfte der Zehnerjahre nicht mehr ins aktuelle Jahrzehnt herüberzuretten war. Und dass übergroße Selbstreferenzialität keine Tugend im Sinn der absoluten Transparenz ist, sondern schlichte Selbstbeschädigung, quasi öffentlich besprochenes Ritzen. Die wesentlichen Piraten-Themen sind mittlerweile bei Liberalen, Grünen und Linken angekommen, die Piraten also obsolet.

Das eine einzige Mandat verdanken sie auch nur der ein wenig grotesken Aufhebung der Sperr-Klausel für die Deutschen Wahlen: keine 3%-Hürde mehr, die vor der Peinlichkeit der deutschen Neonazi-Partei NPD schützt - stattdessen sind jetzt auch die Tierschutz-Partei und Unter 1%-Zwerge wie die Familien-Partei oder die ÖDP mit einem Mandatar dabei. Und Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, die Provokations-Partei aus dem Hause Titanic, mit der der Satiriker Martin Sonneborn (ua auch in der Heute-Show) seit Jahr und Tag politische Strukturschwächen offenlegt. Sonneborn will nach einem Monat zurücktreten und so soll es dann Monat für Monat mit einem neuen Rotationskandidaten weitergehen.

Letztlich ist diese Parodie-Praxis das, was sich linkslinke Basis-Gruppen oder auch die transparenzverknallten Piraten immer erträumt hatten. Und gleichzeitig auch die Vorführung seiner Unsinnigkeit.

Und noch ein aktueller PS-Punkt...

Wieso verliert die VP erstmals bei den Wahlkarten-Wählern?

... und sinkt dadurch unter 27%?
Das hat mit dem massiven VP-Rückgang im urbanen Raum zu tun. Die Stimmen, die die Volkspartei gerettet haben, waren die aus dem ländlichen Raum, vor allem im Osten, aber auch im wilden Westen. In den mobilen Zonen, also in den Städten und den Speckgürteln, dort wo es klassischerweise die meisten Wahlkarten-Wähler gibt, hat sie ordentlich abgebaut, sich teilweise an die Grenze zur Kleinpartei zersplittert, an alle nur erdenklichen Richtungen verloren. Deshalb sind die Wahlkartenwähler nicht mehr klassisch VP/Grün, sondern bringen mittlerweile Grünen und Neos zusätzliche Stimmen und sorgen für runterrevidierte SP und FP-Resultate.