Erstellt am: 25. 5. 2014 - 16:29 Uhr
In den Wellen werden wir uns wiedersehen
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Krankheit als Weg: Für den kalifornischen Musiker und Produzenten Will Wiesenfeld ist die Beschäftigung mit dem Morbiden nicht bloße Pose. Mit dem 2010 erschienenen, ersten Album seinen Projekts Baths hat er es sich noch jauchzend in der Nachbarschaft der damals coolen Chillwave bequem gemacht. Vertrackte, stolpernde Beatlehre, abgehört aus HipHop, Space Jazz und britischer Knusper-Elektronik. Wohlig wogende Ambientwellen und die Seele wärmende Synthesizer-Nostalgie, die die selbst gar nicht bewusst miterlebten, sondern bloß durch Artefakte erinnerten 80er-Jahre heraufbeschwor.
Danach zog sich Wiesenfeld eine schwere Bakterieninfektion zu und war dem Tode nahe. Die Musik von Baths verschob sich von Himmelblau nach Aschegrau. Auf dem zweiten Album gab es mehr echtes Songwriting und trübselige Piano-Balladen zu hören. Auf der gerade erschienen "Ocean Death"-EP verschränkt sich jetzt alles, was Baths bisher so produziert und im Schlafzimmer zusammengeknistert hat, auf interessante Weise.
Baths
Der Tod und verblassende, sinnlose Lieben sind hier wieder die dominanten Themen, in musikalischer Hinsicht untersucht Wiesenfeld neben Altbekanntem auch neue Felder: Im Titelsong der EP nähert er sich dem Dancefloor so deutlich wie nie zuvor. "Ocean Death" ist fast schon ein Techno-Stück. Melancholischer, aus bitterer Zuckerwatte gesponnener Techno mit leichter Trance-Schlagseite und dem unbedingten Bedürfnis nach lieblicher Melodie.
Musik, wie sie vielleicht vor ein paar Jahren von Leuten wie James Holden oder Nathan Fake auf dem englischen Label Border Community veröffentlicht worden wäre. Der Himmel war pink. Darunter tanzten die Menschen, waren glücklich, lagen sich in den Armen, schwitzten. Zerdrückten aber auch immer wieder die eine oder andere wehmütige Träne. In dieser Musik ist der Come Down nach der Euphorie schon integral miteingebaut. Post Shakey Time Sadness.
Am Anfang des Songs "Ocean Death" steht das Tosen des Meeres, Regentropfen schlagen auf Felsen, es stürmt. Das Stück wird von einem geraden, stumpfen Beat getragen. Es wummert, es donnert. Der Bass herrscht ungnädig. Ein Dröhnen, das wie aus in alle Ewigkeit nach unten gepitchten Stimmen gewoben scheint, durchzieht den Song. Solche Geräusche macht ein Gott beim Sterben. Nach gut eineinhalb Minuten setzt Wiesenfelds süßliches Falsett ein, das in seiner Beschwingtheit in spannender Opposition zum anderweitig tristen, schwarz gefärbten Klangambiente steht.
Zunächst wiederholt Wiesenfeld muntere, vokabellose La-La-Las, um schließlich bei einem Mantra anzukommen, das wiederum wenig zukunftsfroh das Ende, das wörtliche Untergehen besingt: "Burrow into my / Bury your body in my graveyard / I am the ocean". Wiesenfeld klingt hier glücklich, erlöst. Der Song stimmt mulmig und vibriert gleichzeitig vor Leben. Keine Angst mehr. Das Stück bricht unvermittelt, mitten im Gesang, unter einem kurzen, schrillen Quietschgeräusch ab. Der Tod kommt unerwartet. Möge der Ozean die letzte Ruhestätte sein.