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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

23. 5. 2014 - 21:43

The daily Blumenau. Friday Edition, 23-05-14.

Neues aus (i)Boesterreich. Heute: Besuch bei den Altos.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Mittwoch und Donnerstag war's nix mit einem daily, Überbeanspruchung, im Guten.

#neuerechte

Schon die Anfahrt hatte was Mystisches. Der freundliche Medien-Redakteur des Standard bestand darauf das U-Bahn-Abteil zu wechseln, weil er nicht in meiner Gegenwart telefonieren konnte. Ich rechne für morgen also fix mit einem etat-Knaller - denn die Radiothek ist nicht geheimhaltungspflichtig.

Dann gab es rund um den angekündigten Ort der Pressekonferenz, die ich besuchen wollte, zwar ein massives Polizeiaufgebot (3 Kastenwägen), aber nur die Information der Verlegung. Und zwar in ein Haus in der Fuhrmanngasse in Wien 8. Dort fand sie dann statt, die erste PK, das erste offizielle öffentliche Auftreten der schon jetzt sagenumwobenen österreichischen Identitären.

Richtig, das sind die, die mit ihrer schlauen Demo/Anmeldungs-Politik für publikumwirksame PR in eigener Sache, Polizeigewaltsrechtfertigungen und die nach Demo/Gegendemo/Krawall schon folkloristische Debatte über die Grenzen von Gewalt auf Kosten der linken Gegendemonstranten.

Mit deren mittlerweile strukturell gewordenen Schwäche sich mit Gegnern auch inhaltlich auseinandersetzen zu müssen, die dann wenn es um Nationale und Rechtsaußen-Rechte ausschließlich mit der Nazi-Keule agiert (was ja oft auch trifft und stimmt), spielen die Identitäten. Das ist einer der Grundideen dieser aus Frankreich kommenden Bewegung, die FM4 sehr früh hier in drei Teilen portraitiert hat.

Die Identitären sind nur wenige, elitär ausgerichtet, mit neuen Publikations- und Vermarktungsformen vertraut und von der Altbackenheit der Selbstpräsentation der Nationalen und Rechtsaußen-Parteien, teilweise auch der Rechtspopulisten angespeist. Ihre Ideologie ist ein wenig intellektueller gegroundet als die der durchschnittlichen europäischen Rechtspartei, sie sprechen zb von einer Reconquista, wenn sie die Zurückdrängung des Islam meinen, sprechen Popkultur fließend. Das größte Hindernis um als normale Jugendbewegung, der sich jede/r ohne sich genieren zu müssen, anschließen kann, wahrgenommen zu werden, ist die oft peinlich schwurbelige, nur schwach verbrämte Rückbezüglichkeit vieler Rechtsaußen-Parteien in den Punkten Nationalsozialismus und Antisemitismus.

Weil am Rand der Identitären Ideologie-Konstruktion auch immer wieder die ein wenig dümmliche Comix-Verfilmung von 300 auftaucht: dass Filme dieser Machart Probleme nach sich ziehen können, war schon damals klar. Ich kann mich aber auch noch gut an die Kleingeistigkeit & Freiheit-der-Kunst-Vorwürfe erinnern, die es nach nicht nur meiner Auseinandersetzung damit von Seiten unpolitischer Menschen, die auf die Abwesenheit von weiterführenden Gedanken auch noch stolz sind, gab.

Letztlich könnten also die österreichischen Identitären das für die FPÖ sein, was die Neos für die ÖVP sind: ihre heutige, jugendlich-forsche Version, die sie irgendwann ersatzlos aufschnupfen wird.

Im Gegensatz zu den Webseiten z.B. der französischen Identitären war die österreichische Praxis in den letzten Monaten nicht ganz so originell: ein bissl Straßentheater und 15 Minuten Medien-Ruhm bei der dann-doch-nicht-Besetzung der Wiener Votivkirche, die auch nur den Wiener Klassiker (Bequemlichkeit kommt vor Leidensfähigkeit) hervorbrachte.

Und dann der Scoop am letzten Wochenende, der - auch wegen der erstaunlich guten auch öffentliche gewordenen Duz-Kontakte mit der Wiener Polizei - die Bewegung, die laut eigenen Angaben noch gar keine Hunderschaft ist, in die Mitte des Medien-Interesses katapultierte. Am Dienstag half der Wiener Bürgermeister Häupl mit, indem er eine Verbots-Debatte anzündete - etwas wovon Fachleute gar nichts halten; und heute nutzten die Identitären die Gunst der Stunde um mit einer Klagedrohung wegen Verleumdung (oder doch nur übler Nachrede) an die Öffentlichkeit zu gehen.
First time ever.
Ich wollte das sehen.
Und lande, nachdem ich durch einen zweitern Kordon aus wieder Polizisten aus mindestens drei Kastenwagen, die die Veranstaltung vor genau niemandem schützen oder verteidigen müssen, in einer Bude, einem stickigen kleinen Raum in einer Burschenschaft in Wien 8.

Am Podium Alexander Markovics, der Obmann der Identitären Österreichs, den der Kollege Pant ja schon einmal getroffen hat, und Martin Sellner, sein Wiener Pendant.
Weil ich zuerst nicht so genau hingeschaut habe, zucke ich kurz zusammen, bemerke dann aber, dass es sich bei Sellner nicht um meinen Kollegen Lukas T., bzw eine von ihm entwickelte Figur handelt. Bis auf ein Detail in der sehr ähnlichen Frisur sind die Ähnlichkeiten, vor allem die in der Sprache, frappant.

Schnell wird sichtbar, dass es sich um einen Erstauftritt handelt, dass man den Umgang mit Öffentlichkeit (entgegen meiner Erwartungen) nicht gewohnt ist: bis auf einen kopierten Zettel und ein paar Gläser Mineral/Saft ist nichts vorbereitet. Bis auf ein etwas peinliches, von den die Journalisten zahlenmäßig klar überwiegenden Unterstützern forciertes, Bravo-Klatschen am Schluss einer PK (das ist mittlerweile selbst im Fußball unüblich) üblich, bleibt auch der aktionistische Faktor, der die Identitäten europaweit auszeichnet bei Null.

Sellner und dann auch Markovics betonen wieder die bereits erwähnten Prinzipien und signalisieren Äquidistanz. Sie wären nur deshalb heute hier bei einer Verbindung gelandet, weil ein paar Gasthäuser/Cafes in der Gegend ihnen kurzfristig abgesagt hätten. Wir wären auch ins EKH-Haus gegangen, sagt Sellner. Und wieder höre ich den Satiriker T. aus ihm sprechen. bzw sich durch Sprache verraten. Im EKH steckt das Haus nämlich schon drinnen, von einem EKH-Haus zu sprechen ist also ein weißer Schimmel. Das mit dem fließend-Popkultur-sprechen ist also auch nur eine Schimäre.
Dafür können Markovics und Sellner die Publikation, die an der Adresse, in der wir uns befinden, publiziert wird, ganz richtig aussprechen. Die fragenden Journalisten nennen ihn meist noch den Eckartboten, so hieß er bis 2002, die Identitären wissen genau, dass es Der Eckart ist. Mit dem man natürlich nichts zu tun hat. Das wäre auch blöd, weil sich dort genau die alte Crew, die immer haarscharf an der Wiederbetätigung vorbeischrammend, nicht von den Bezügen zum Nationalsozialismus und Antisemitismus lassen kann, wie Frank Gallagher nicht am Alibi vorbeikommt.

Nun hat aber Markovics vorher nebenbei erwähnt, dass er als Verbindungs-Bruder, aktiv schlagender, wie der Schlusssatz hier durchscheinen lässt, die Ersatz-Location organisiert hat. Und Sellner hatte ein paar Fragen davor ein, wieder mit der satirisch anmutenden T.-Stimme vorgebrachtes, Outing als Jugendsünder im Umfeld von Wehrsportgruppen und Österreichs Neonazi-Chef Gottfried Küssel getätigt.

Und irgendwie fällt in diesen Minuten das Fassaden-Bild, das die Identitären eigentlich vermitteln wollten, wieder in sich zusammen; wie schandbar misslungene Salzburger Nockerl. denn ganz egal, ob die Verwicklung der identitären Außendarsteller in Richtung Eckart, Küssel und Co wirklich schwerwiegend war oder nur en passent erfolgt ist - die Symbolpolitik, mit der sich die Identitären (die eine lustige, assozationsfreisetzende Web-Adresse haben, iboesterreich) so klar von den sattsam bekannten Rechtaußen-Parteien und -Partien absetzten wollen, ist damit unwiderbringlich zerstört.

Was in diesem Licht übrig bleibt ist: alter Wein in neuen Schläuchen; oder: auch die hier vertretenen ganz Jungen (die Identitären sind eine Anfangs-Zwanziger-Geschichte) haben dasselbe Abgrenzungs-Problem wie schon die letzten fünf, sechs Generationen an Rechtsaußen-Aktivisten. Was wiederum die ganze Idee einer sauberen Neugründung als rein patriotische nationale und europäisch-nationalstaatliche Gruppierung obsolet macht.

Die Identitären sind also doch nicht die Neos der FPÖ, trotz ihrer Jugend nur ein paar weitere Altos. Hoffentlich war niemand von der französischen Zentrale vor Ort; die müssten der hiesigen Niederlassung eigentlich die Franchise-Rechte entziehen.