Erstellt am: 25. 5. 2014 - 10:00 Uhr
Wie es ist, anders zu sein
Daniela Schreiter ist als Kind ein bisschen ungeschickt, sie verschüttet häufig etwas, kann schlecht Bälle fangen oder Schuhe binden. Sie wackelt und watschelt mehr als sie geht und beim Radfahren nützen selbst Stützräder wenig.
Vor allem aber mag sie nicht mit anderen Kindern spielen, denn die sind komisch. Sie fühlt sich anders.
Ihre Mutter sieht das nicht so: Sie solle einfach mal über ihren Schatten springen, sich anpassen und mit den anderen Kindern spielen, bekommt Daniela Schreiter von ihr geraten. Nur - was heißt über den Schatten springen?
Daniela Schreiter/Panini Comics
Mit einer derartigen Redewendung kann Daniela gar nichts anfangen. Wie soll das gehen? Und doch springt Daniela mittlerweile täglich mehrfach über ihren Schatten.
Denn bei Daniela wurde Asperger-Autismus festgestellt. Eine Entwicklungsstörung, bei der etwa die Wahrnehmung von Reizen besonders ausgeprägt ist.
Ob taktil, visuell oder akustisch – das Gehirn ist mit der starken Reizüberempfindlichkeit schnell überfordert.
So kann schon enge Kleidung nicht nur unangenehm, sondern schmerzhaft sein. Haare schneiden kann unerträglich werden. Die Sonne wird zu grell, ein Supermarkt zu laut, ein Geruch oder Geschmack zu intensiv.
Den normalen Alltag vergleicht Daniela mit einem Computerspiel. Nicht-Autisten spielen den einfachen, normalen Modus. Autisten wie sie aber müssen den höchsten, härtesten Modus spielen. Tag für Tag. Hunderte Hindernisse und Reize gilt es zu überwinden. Das kostet Zeit, Konzentration und Kraft.
Daniela Schreiter erzählt in dieser autobiographischen Graphic Novel von ihrer Kindheit und Schulzeit. Während sie Tiere liebt, kann sie mit Kindern kaum umgehen. Rollenspiele wie "Vater, Mutter, Kind" versteht sie nicht, der soziale Verhaltenskodex verschließt sich ihr.
Auf www.fuchskind.de bloggt Daniela Schreiter.
Dort sind auch die ersten vier Kapitel von "Schattenspringer", ihrem ersten Comicbuch, nachlesbar.
mehr Comics auf
fm4.orf.at/comic
Stattdessen liest und zeichnet sie gerne und interessiert sich für Fossilien, Steine, Briefmarken und am allermeisten für Viren. Kleine Virenalben zeichnet sie.
In der Schule sind ihre Leistungen sehr gut - mit ihren Mitschülern kann sie aber nicht umgehen - die Außenseiterrolle ist vorprogrammiert.
Apropos programmiert - der Computer wird zu einer großen Hilfe - damit kann sie mit anderen Menschen kommunizieren - ganz nach ihren Vorstellungen. Denn Routine und Gewohnheiten sind in ihrem Alltag sehr wichtig, geben Halt und Sicherheit.
Menschen mit Asperger-Syndrom hätten öfter das Gefühl, auf dem falschen Planeten gelandet zu sein, schreibt Daniela Schreiter. Diese Autismusform hat daher den Spitznamen "Wrong-Planet-Syndrome". Mit "Schattenspringer" legt Daniela Schreiter einen ebenso interessanten wie unterhaltsamen Reiseführer für ihren Planeten vor. Eine Reise, die dringend zu empfehlen ist.