Erstellt am: 22. 5. 2014 - 06:00 Uhr
"Die Eiger-Nordwand mit dem Cerro Torre obendrauf"
Nachdem in den 1960ern die höchsten Berge der Welt, alle 14 Achttausender, erstbestiegen waren, galt es für die Alpinistenszene, sich neue Herausforderungen zu suchen. In den Jahrzehnten darauf war es das Höhenbergsteigen im Alpinstil, also ohne Träger und künstlichen Sauerstoff, durch das Reinhold Messner und Peter Habeler berühmt wurden. Die aktuelle Generation, die vielfach vom Sportklettern zum Alpinismus kommt, setzt vor allem auf technisch schwere Routen, die bisher nicht kletterbar waren.
Eines der spannendsten Projekte, die diese Klettersaison angegangen werden, stammt von drei Österreichern, den Tiroler Spitzenalpinisten Hansjörg Auer, David Lama und Peter Ortner. In einer Dreier-Seilschaft wollen sie die Nordostwand des Masherbrum, auch bekannt als K1, im Karakorum in Pakistan durchsteigen. Mit 3.500m ist sie eine der höchsten und steilsten Wände der Welt, die noch dazu knapp unter dem 7.821m hohen Gipfel endet.
CC BY 2.0 von Stefanos Nikologiannis flickr.com//snikologiannis/
Die Dimensionen dieser Wand werden erst in einem Vergleich deutlich, den David Lama mit zwei anderen berühmten Felswänden der Kletterszene zieht: "Das muss man sich so vorstellen: Da steht eine Eiger-Nordwand, mit einem Cerro Torre obendrauf." Bei ihrem letzten Projekt, eben jenen Cerro Torre frei zu durchklettern, haben David Lama und Peter Ortner einmal in der Wand biwakiert. In der Masherbrum-Nordostwand planen sie mindestens vier Übernachtungen ein.
Der Traum vieler
Der Masherbrum, dem mit 7.821m Höhe das 8.000er Prestige fehlt, hatte erst ganz wenige Begehungen, doch die formschöne Nordostwand sei der Traum vieler Kletterer, wie Hansjörg Auer erzählt. Allerdings brauche es sehr viel Selbstvertrauen und sehr viel Mut, um dieses Projekt schlussendlich zu wagen. Die wenigen Versuche, die es bisher gab, sind nicht besonders weit gekommen. Eine russische Expedition hat es genausowenig geschafft wie der Amerikaner Steve House und auch für David Lama und Peter Ortner wird es heuer schon der zweite Versuch, nachdem sich Ortner 2013 noch vor dem Einstieg in die Wand verletzt hatte. Doch zu zweit wäre das Unternehmen ohnehin zum Scheitern verurteilt gewesen, sagt Hansjörg Auer über den Versuch seiner Kletterpartner.
Dreierseilschaft als Weg zum Erfolg
Mit Auer, der mit 30 schon eine beeindruckende Kletterbiographie vorzuweisen hat, haben sich Lama und Ortner dieses Jahr verstärkt und wollen nun als Dreierseilschaft die Erstdurchsteigung schaffen. Was im ersten Moment vielleicht ungewöhnlich klingt, hat bei solch gewaltigen Projekten fast nur Vorteile. Bei drei Personen wird das Gepäck, das sie mit sich führen, nicht unbedingt mehr - es bleibt bei einem Zelt und einer Kochausrüstung - sie können es aber auf drei Rucksäcke aufteilen, wodurch jeder Einzelne weniger mit sich trägt. Außerdem werden auch die Vorstiege gedrittelt, sodass man sich länger ausrasten und zumindest einer ein wenig relaxen kann. Dazu kommt noch, dass man nicht alleine zurechtkommen muss, sollte einem der Kletterpartner etwas passieren, denn die geplante Linie zählt zu den gefährlicheren.
Simon Welebil / Radio FM4
Besonders der untere Teil der Wand, in dem sie die ersten Klettertage verbringen werden, sei Fels- und Eisstürzen ausgesetzt und die Séracs in der Wand, die Hansjörg Auer als abgebrochene, kleine Gletscher beschreibt, seien schwer einzuschätzen. Manche brechen jeden dritten Tag ab, andere einmal in zwei Monaten, unter solchen Séracs müssten sie aber zumindest am Beginn ständig durch. "Wenn man ehrlich ist - es ist eine 3.000m Wand - da kann immer was von oben kommen, da bist du auch im oberen Teil nicht sicher, dass nicht ein Stein kommt." Und organisierte Rettung in dieser Höhe gäbe es keine mehr.
Kein russisches Roulette
Hansjörg Auer bemüht sich zu betonen, dass sie dennoch kein russisches Roulette spielen würden. "Wir möchten alle wieder gesund zurückkommen." Dafür braucht es allerdings eine gute Vorbereitung, deren erster Teil in Wahrheit schon seit Jahren läuft und in der Erfahrung von dutzenden Touren und Expeditionen liegt. Hansjörg Auer war letztes Jahr schon in Pakistan, wo ihm gemeinsam mit dem Schweizer Alpinisten Simon Anthamatten eine Erstbesteigung am 7.400m hohen Kunyang Chhish East gelungen ist, und auch Lama und Ortner haben in Pakistan mit der Chogolisa schon ein Projekt abgehakt. Der zweite Teil besteht aus einer möglichst guten Akklimatisation, der Vorbereitung auf die große Höhe, die oft mit Kopfweh und Übelkeit einhergeht. Dafür wollen sie in den nächsten drei Wochen auf den Broad Peak, einen der 14 Achttausender, wobei der Gipfel nicht das Ziel ist, sondern das Hoch-Übernachten.
Radio FM4 / Simon Welebil
Ab 20. Juni haben sie dann viereinhalb Wochen Zeit, um auf ein Wetterfenster für die Durchsteigung der Masherbrum-Nordostwand zu warten. Sieben Tage sollte so ein Gutwetterfenster mindestens anhalten sollte, fünf für den Auf-, zwei für den Abstieg, der geplant über den Normalweg erfolgen soll, von dem sie allerdings außer Luftbilder keine Informationen haben.
Wenn die Bedingungen passen, wenn alle gesund sind und ein Wetterfenster lang genug anhält, ist es das Projekt realistisch. Mehr als eine Chance werden sie diese Saison wohl nicht bekommen. "Ein Versuch - Vollgas. Schauen, dass wir eiskalt diese Chance ausnützen können. Und dann schauen wir, was herauskommt."