Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Jeder vierte schaut sich Pornos an"

Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

21. 5. 2014 - 17:22

Jeder vierte schaut sich Pornos an

Die Profi-Darsteller sind nicht mehr aktuell, die Menschen wollen sehen, wie "echte" Menschen Sex haben.

Der Film "Her" von Spike Jonze erzählt von einem Mann aus der nahen Zukunft, der sich ins intelligente, weibliche Betriebssystem seines Computers verliebt, weil nur sie ihn tatsächlich verstehen kann. Es kommt mir so vor, als würde es fast jedem von uns an seiner Stelle genauso gehen.

Jeder liebt sein Telefon, sein Tablet oder seinen Computer. Man sucht es mit dem gleichen Eifer aus, mit dem man einen Sexualpartner auswählt. Habt ihr nicht bemerkt, wie viele moderne Menschen auf die Straßen gehen, ohne für einen einzigen Moment ihre Augen vom Display ihrer Apparate zu lösen? Sie schauen manchmal so glücklich wie Neuverliebte und manchmal so traurig aus, wie Menschen, die an Liebeskummer leiden. Diese Menschen sprechen mit ihren Telefonen, ärgern sich über sie, sie schlagen sich sogar mit ihnen! Die Freiheit herrscht für sie im Internet. Das Netz erlaubt ihnen, die fernsten Ecken unseren Planeten zu besuchen. Das Netz ist ihre fantastische Realität. Freundschaft, Betrug, Liebe, alles ist auf dem schimmernden Bildschirm zu finden. Wenn was nicht im Internet ist, dann existiert es einfach nicht.

Die intimsten Erlebnisse der Menschen werden digitalisiert. Unser Privatleben wird immer öffentlicher. Das gilt insbesondere für die Liebe und für den Sex. Man sagt, dass ein Viertel aller Anfragen an Internet-Suchmaschinen zu Seiten mit pornographischen Inhalten führen. Ich habe eigentlich viel mehr erwartet. Und man sucht immer mehr nach privaten Sex-Geschichten. Die leichtere Zugänglichkeit zum Heimvideo wird mit dem Internet verbunden. Der Amateurporno ersetzt die professionellen Darsteller. Die Menschen teilen ihre sexuellen Erfahrungen mit der gleichen Leichtigkeit, mit der sie Selfies und was sie gefrühstückt haben auf Facebook hochladen. Und offenbar will man sehen, wie es "die anderen machen".

Eine Close-up von einem TV-Bild, das einen offenen Mund zeigt.

CC BY 2.0, flickr.com, User polmuadi

Stellt euch vor, dass sich 25% der Menschen, die jetzt gerade im Internet sind, Amateurpornos anschauen. Die Profi-Darsteller sind nicht mehr aktuell, die Menschen wollen sehen, wie "echte" Menschen Sex haben. Also nicht mehr ewige Klassiker wie "Hier kommt der Klempner" oder "Die freche Klassenlehrerin". Die "Handlungen" der Amateurpornos sind manchmal auch viel einfallsreicher als die Drehbuchschreiber der Pornoindustrie.

In Bulgarien wird ein Amateurpornofilmchen "Mitko, Mitko" immer populärer. Dort bittet eine junge Frau ihren Partner, sich zu beeilen, weil sie sonst zu spät zu einem Mathe-Test dran ist. Während die beiden also Sex haben, wiederholt sie immer wieder seinen Namen "Mitko, Mitko" und teilt ihm ihre Probleme in der Schule mit. Es wird nicht klar, ob sie dann noch pünktlich zu ihrem Test erscheint. Sie mag vielleicht auch eine sehr gute Schülerin sein. Eins ist sicher – dieses Video hat aus ihr einen wahren Star gemacht. Fast jeden Tag wird in verschiedenen Fernsehsendungen "Mitko, Mitko" diskutiert. Die Punkband "Hipodil" widmete ihr sogar einen Song, wo "Jeder ist ein Star im Internet" gesungen wird.

Ich habe einmal gelesen, dass die Bulgaren weltweit an sechster Stelle liegen, was das Teilen von Amateurpornos angeht. Ich weiß nicht an welcher Stelle die Österreicher sind. Die deutschsprachigen Länder haben aber viel zur Pornoverbreitung beigetragen. Als ich im Pubertät war, waren deutsche Pornos extrem populär in Bulgarien und Sprüche wie "Ja, ja das ist fantastisch" waren zu sowas wie Stadtfolklore in Bulgarien geworden.

Das Netz gibt uns die Möglichkeit, frei zu sein. Uns wichtig und originell zu fühlen. Das Gefühl, im Mittelpunkt des Universums zu stehen. Echte Stars zu sein. Jeder ist ein Star im Internet.