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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

20. 5. 2014 - 17:28

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 20-05-14.

Resilienzfreier Raum. Wird eine Quotenforderung einer isolierten und stagnierenden Szene die nötige Vernetzung bringen? Mit Wurst-Absatz!

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

#österreichpop #quote

Eine österreichische Musiklobby, wie ich sie mir offensichtlich vorstellen würde, täte nicht existieren, sagt mir der Produzent vor ein paar Wochen am Rande eines Geburtstagsfests; er zumindest kenne keine.
Gestern war er dann (wohl auch zu seiner Überraschung) Teil eines runden Tisches, in der die üblichen Verdächtigen (und zwei drei fresh faces) von der neuen SP-Kultursprecherin zumindest so behandelt wurden, als wären sie eine. Was der Fall Lichtenegger nicht alles so hervorgebracht hat.

Herausgekommen ist die Forderung nach höherer Wertschätzung (word!), nach Einhaltung einer Selbstverpflichtung des ORF einen höheren Anteil an heimischen Produktionen zu spielen, sowie ein sprachlich verschwurbelter Punkt, der ein Jo-eh, die Einhaltung des Kultur- und Bildungs-Auftrags, mit der Programmierhoheit der Ö3-RedakteurInnen verknüpft.

Dazu kommt, quasi on top, eine ganz klare Forderung: "...braucht es eine verbindliche Quotenregelung in der Höhe des europäischen Durchschnitts von 40 Prozent heimischer Produktionen."

Nur um das auch hier nochmal abzuklären, weil dieser Punkt medial gern unhinterfragt übernommen wird: eine gesetzliche Quote für nationale Produktionen verstößt gegen EU-Recht, ist also gar nicht möglich. Es wäre in Rückschritt in eine Prä-Bosman-Ära, um beim diesbezüglich bekanntesten Beispiel, dem aus dem Fußball, zu bleiben.

Möglich sind sprachliche Schutz-Grenzen/Zonen, wobei sich auch das angesichts des größeren deutschen Sprachraums problematisch gestalten könnte. Eine echte gesetzliche Quote ist streng genommen nur für Musikstücke mit genuin österreichischer Sprache möglich. Das würde eine Menge abdecken, von Falco bis Attwenger, von 5 Achterl bis Kreisky (Stürmer hätte wohl schon ein Problem) - am Basis-Problem schrammt es aber vorbei.

Wie die Quotenforderung insgesamt das Problem nicht einmal umrundet, sondern in der entgegengesetzten Richtung sucht.

Eine österreichische Musiklobby, und da hat mein Geburtstagsfest-Gesprächspartner völlig recht, existiert ja wirklich nicht.
Eine Lobby im eigentlichen Wortsinn.
Denn eine Lobby ist dazu da aus der Szene, die sie vertritt, rauszugehen, Kontakte zu knüpfen, sich zu vernetzen und an andere kulturelle Bereiche anzudocken. Und nicht dafür sich gegenseitig anzujammern, Schuldige in Medien die einen schlecht behandeln (als ob Österreichs Medien nicht jedes Thema, dass sie angreifen schlecht behandeln würden - die Musikszene hat da das Gegenteil eines Alleinstellungsmerkmals) zu suchen und sich an Kräfte, die entweder Profilierung suchen oder am Slapping gemeinamer Feinde interessiert sind, dranzuhängen. Das ist Koalitionssuche um jeden Preis, kein Lobbying, schon gar kein geschicktes.

Dass die hiesige Musikszene (und das gilt wie in jedem Bereich in deutlich höherem Maße für den Mainstream als für den immer die geschickteren Transportwege auslotenden Underground, das liegt in der Natur der Sache) sich gerne selber genügt, wenig ausfranst und in anderen Szenen als zu provinziell denkend verschrien ist, konnte man bislang eher nur aus Puzzlesteinen der Selbst- und Fremd-Beobachtung zu einem etwas tristen Bild zusammensetzen.

Jetzt ist eine Untersuchung der heimischen Kreativwirtschaft erschienen, die Thomas Weber hier im Gap schön zusammenfasst. Und diese aus der Befragung der Szene-Mitglieder selber gefertigte Bestandsaufnahme stellt gerade der Musikbranche ein recht verheerendes Zeugnis aus.

Weber beschreibt das so: "Tatsächlich traurig sieht es aber für die Musikwelt aus. Schon 2009 als abgekapselt, isoliert und über die eigenen Genregrenzen hinweg schlecht vernetzt dargestellt, stagniert sie weiterhin als Anhängsel. Gäbe es nicht die Personen hinter Monkey Music, Ink Music und den Knotenpunkt FM4 – die Branche hätte nahezu keine Berührungspunkte zu anderen Milieus und bliebe weitgehend unter sich. Das ist vor allem angesichts des wachsenden Game-Sektors (der ja Musik und Sounds braucht) und der theoretischen Nähe zu Design und Visual Design schwer nachvollziehbar und ein klares – auch strukturelles – Versäumnis."

Angedachte Branchen-Cluster, noch mehr im eigenen Saft kochen und noch mehr Gejammer und Schuldzuweisungen sind nicht die Lösung. Sich drauf zu verlassen von 10% mehr Abspielung auf Ö3 gerettet zu werden, noch viel weniger, das von Weber empfohlene Co-Working schon eher.

In der Musikbranche selber hat die Untersuchung, die in der Kreativbranche durchaus Aufsehen erregte genau gar keine Reaktionen gezeitigt; so sehr lenkt der Tanz um die mittlerweile in leuchtendem Narrengold erscheinende Quoten-Kuh ab.

Und auch auf eine andere Einsicht warte ich seit zehn Tagen vergeblich: dass sich eine Branche öffentlich dafür geniert einen riskanten, aber in seinem Potential doch riskierbaren Song einer bärtigen Frau nicht an ein Publikum herangebracht zu haben. Die Wurst hat für Rise Like a Phoenix keinen Plattenvertrag - man traute sich nicht - wie viele, die es nachher immer schon gewusst hatten, vorher gar feige agiert hatten; das Stück wurde Ende April vom ORF selber notveröffentlicht.

Es stimmt eben doch: Es gibt keine österreichische Musiklobby.
Es gibt geschickt agierende Akteure, die ihre Musik international verbreiten, einen lebendigen Underground, Nährböden in allen relevanten musikalischen Spielarten.
Es gibt keine Pop-Industrie, niemanden, der einen Diamanten vom Koks-Stückerl unterscheiden kann. Es gibt einen sich der Vernetzung mit anderen Branchen verweigernden Musik-Mainstream, der schon allein aufgrund dieser Grundhaltung gar nicht Pop sein kann, sondern bestenfalls Kommerzpop-Beamtentum.

Und ich frage mich: Wer glaubt ernsthaft daran, die Branche aus dieser wenig glamourösen Isolations-Politik durch eine auf einer mushy wave dahersurfenden Quotenlösung ins Paradies führen zu können? Oder geht es gar nicht um verbesserte Bedingungen für den Popmusikstandort Österreich, sondern um kurzfristige Partikular-Interessen.