Erstellt am: 19. 5. 2014 - 22:27 Uhr
Making Friends in Bangalore
Sebastian Lörscher
"Wenn man was fotografiert, dann klickt man auf die Kamera und dann hat man's. Und wenn man's zeichnet, dann muss man sich schon Ruhe nehmen. Da muss man sich auf jeden Fall fünf Minuten bis eine Stunde nehmen, um sein Motiv festzuhalten. Und dadurch schaut man natürlich sehr genau hin." erklärt Sebastian Lörscher.
Dabei besucht er weniger die Orte, von denen er sich vielleicht etwas erwarten könnte, sondern lässt sich lieber treiben. "Die tollsten Sachen passieren dort, da wo man es am wenigsten erwartet."
Indien
Und so zeichnet der 28-jährige Marktszenen, Müllmänner oder spielende Kinder ebenso wie Rikschafahrten, Cricketspiele oder Partyszenen. Mal Portraits, mal Skizzen, mal Bildergeschichten – mal mit Englischem Text mal ohne: Ein farbenfrohes Panoptikum des indischen Alltags. (Blick in sein Skizzenbuch)
Sebastian Lörscher
Einmal wurde eine Kokosnuss vor seinen Füßen zerschmettert. Wie sich herausstellte war das Teil einer Hochzeitszeremonie.
Sebastian wurde sogleich zur Hochzeit eingeladen – natürlich hat er auch dort gezeichnet.
Unter den Gästen waren etliche ältere Frauen in herrlichen Saris.
Eine der Frauen hat ihm über ihre Englischsprechende Enkelin mitgeteilt, wenn er wirkliche indische Schönheit festhalten wolle, solle er sie zeichnen. Also hat er die Großmutter portraitiert.
Mit dem Ergebnis war sie jedoch unglücklich. Er habe sie zu dick dargestellt, kritisierte sie ihn beleidigt.
Sebastian Lörscher/Büchergilde
Die meisten Portraitierten in Bangalore waren allerdings sehr zufrieden mit Sebastians Zeichnungen.
Etliche wurden seine Freunde – wie Hafeez, ein Rikschafahrer, der zwar keine Ahnung hatte, wo die Straße war, in die Sebastian wollte, der sich aber abenteuerlustig auf den Weg machte und sich durchfragte und - nach langer Fahrt - erfolgreich ankam.
Als Sebastian ihn nach dem Fahrpreis fragte erklärte Hafeez: "In meiner Rikscha zahlen mir meine Freunde immer so viel, wie sie mir zahlen wollen. Und ab jetzt sind wir Freunde."
Wieder in Berlin hat Sebastian die Skizzen teilweise in eine Comicgeschichte weiter verarbeitet. Diese Reisereportage, eine Mischung aus Skizzen und Comics, ist ein Geschichtenbuch im besten Sinn.
Tirol
Nachdem Sebastian in Indien und auch in Haiti zeichnete, wollte er in eine Gegend, in der er weniger auffallen würde. Österreich schien ihm dazu ideal. Also führ er im März nach Langkampfen bei Kufstein, wo der Großvater eines Freundes lebt.
Sebastian Lörscher
Dort hat er beim Dorfwirt Kontakt zur Bevölkerung gesucht. Anfangs sei er eher grimmig angeschaut worden – "weil ich ja nicht dazugehöre". Sobald er aber mit dem Zeichnen begonnen habe, seien die Leute freundlicher geworden. Vor allem, wenn sie sein Skizzenbuch durchblätterten und den einen oder anderen Nachbarn erkannten.
In Tirol habe er auch versucht, freier und abstrakter zu zeichnen – mit Tinte. Die Zeichnungen wurden klecksiger – was bei den Tirolern nicht so gut ankam. "So an Scheiß. Des konscht nid mochn", erinnert er sich lachend und schwärmt dann von seinem schönsten Abend - bei der Blasmusikprobe.
Sebastian Lörscher
Bei den Österreichern habe es etwas länger gebraucht, um das Eis zu brechen. Aber wenn es dann mal gebrochen war, waren die Leute ähnlich herzlich wie in Indien.