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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

18. 5. 2014 - 17:09

Das goldenste Leben

Der Song zum Sonntag: Lana Del Rey - "West Coast"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Alleine der Titel der aktuellen Single von Lana Del Rey öffnet eine gigantische Büchse voller abgegriffener Assoziationen: Die "West Coast", das goldene Land der Möglichkeiten. Sonne, Sand und Surfbrett. Glamour und Glam, Rausch und Exzess. Ein großes Strahlen, die Diskrepanz zwischen Schein und Sein. Hollywood, Glitzer, Ekstase und Absturz. Ein schnelles Leben, ein spannender Tod.

So ist "West Coast" das vielleicht prototypischste Lana-Del-Rey-Stück ever und neben "Video Games" bislang eventuell das einzige, an das man sich in einer fernen Zukunft wird erinnern müssen. Die Musik und das Wesen von Lana Del Rey ist immer schon Schlagwort-Pop gewesen, der sich aus der Vergangenheit nichts brennend Neues zusammenpuzzeln will, sondern als bloßer Nostalgie-Stimulator funktioniert. Nostalgie in Bezug auf wundervolle Erlebnisse, die man einzig aus Film, Musik, Mode, Literatur und vielleicht noch Kunst kennt.

Hier wird mit leicht zu identifizierenden Schablonen hantiert, die Tagtraum-Links in bestens bekannte Szenarios legen sollen. Die Art und Weise, wie Lana Del Rey in ihren Liedern den gefährlichen Zauber von James Dean oder Marilyn Monroe evoziert, vom leeren Luxus der Superreichen singt, die bei ihr natürlich in den Hamptons zuhause sein müssen, oder ein überschwängliches Partyleben im Stile Gatsbys (Baz-Luhrmann-Version) heraufbeschwört, ist ein Verwalten von Stock Characters und Kartei-Motiven. In diese Welt, die für alle überdeutlich bloß aus Kulissen besteht, kann Del Rey Risse und Sprünge einziehen und diese superartifiziellen Szenarien mit privater Introspektive kurzschließen.

Lana Del Rey

Lana Del Rey

Die Songtitel ihres demnächst erscheinenden Albums "Ultraviolence" hat Lana Del Rey wieder mit dem Blogworthy-Generator entwickelt: "Brooklyn Baby", "Pretty When You Cry", "Money Power Glory" oder, ganz stark, "Fucked My Way To The Top" nennen sich da beispielsweise die Stücke. So gut wie in "West Coast" ist ihr die Verschränkung von prallem Klischee und Intimität bislang aber noch nicht gelungen.

"Down on the West Coast they love their movies, their golden gods and their rock’n’roll groupies" sing Del Rey hier, während sie tief in der Wühlkiste der Stereotypen gräbt. Als "golden god" hat sich 1975 Led-Zeppelin-Frontman Robert Plant in einem Anflug von berechtigtem Größenwahn selbst bezeichnet, seither ist der Begriff eine Chiffre für besonders prächtig funkelnde und extravagante Rockstars. Cameron Crowe hat den Ausspruch "I am a golden god!" im Jahr 2000 noch einmal in seinem Film "Almost Famous" verewigt.

Es wird im Song "West Coast" nicht die einzige Anspielung auf einen prunkvollen Lifestyle bleiben, hinter dessen Fassade es vielleicht schon modert. Del Rey singt von "Silver Starlets", "Icons" oder von Diven, bloß noch mit Titel ausgestattet, jedoch ohne ein Reich zu regieren, als "Queens of Saigon". An dieser furiosen West Coast mit finstersten Schattenseiten also durchlebt Lana Del Rey nun eine klarerweise intensive Liebesbeziehung, in der sich ebenjene Pros und Cons des Schauplatzes spiegeln. Verlangen, Sehnsucht, Schmerz, guter Sex, Euphorie, Abschied. Ist eben alles ein Rollercoaster und eventuell ein bisschen giftig.

Die ersten Zeilen von "West Coast" lauten: "Down on the West Coast they’ve got a sayin': If you’re not drinkin', then you’re not playin'". Tatsächlich scheint dieses angebliche Saying erst mit diesem Song dokumentiert, wahrscheinlich hat es sich Del Rey selbst ausgedacht. "If you’re not drinkin', then you’re not playin'": Es ist alles Fun und Games, eine große Feierei, ein "Playing" in seinen unterschiedlichen Bedeutungen, gleichzeitig sind in dieser Zeile natürlich das Risiko, der mögliche Verfall und der Abgrund, wie immer bei Lana Del Rey, schon mit eingebaut.