Erstellt am: 17. 5. 2014 - 23:21 Uhr
Gegen Regen!
Alles rund ums Linzfest
- Nicht aus Zucker. Der erste Tag am Linzfest mit Shy, Louie Austen, Stereo MCs
- Gegen Regen! Der zweite Tag mit WeenA2, Mozes & The Firstborn, Wallis Bird und Samy Deluxe
- Infos, Daten, Lineup zur FM4-Bühne am Linzfest 2014
- Noch mehr Infos zu den Bands
- Stadtrundgang mit Shy Die Linzer Band zeigt ihre Lieblingsplätze
- Street Art am Linzer Hafen
- Alle Stories unter fm4.ORF.at/linzfest
Das Linzfest-Motto "Alt ist das neue Neu" wurde dramaturgisch fast zu perfekt umgesetzt: Der eiskalte Regen ist Wasser, das nach der Kondensation von Wasserdampf auf die Erde fällt. Ein ewiger Kreislauf, wie auch in der Mode und Musik: Der Swing aus den 1920er Jahren und der dazugehörige Tanzstil Lindy-Hop feiern seit Jahren ein Revival. Deshalb wurde am Samstag-Nachmittag vor dem Lentos-Museum ein Lindy-Hop-Tanzkurs veranstaltet. Zahlreiche Paare haben sich trotz Regen und Kälte eingefunden, um immerhin unter Dach die verschiedenen Schritte zu üben, während ihr Nachwuchs im Lentos mit Basteleien und Kinderschminken bei Laune gehalten wurde.
Alex Hertel über WeenA2
Die beiden Linzer Rapper Laima (Texta) und Def Ill haben am Samstag auf der FM4-Bühne zum ersten Mal ihr gemeinsames neues Projekt "WeenA2" live präsentiert. Da treffen zwei Generationen von Linzer MCs aufeinander, die gerne eine fette Portion Irrsinn und Humor in ihre Musik einfließen lassen.
Gemeinsam mit ihrem DJ und Produzenten Konstantin Diggn haben sie ein Konzept-Album aufgenommen, das komplett auf Samples alter Songs der experimentellen amerikanischen Rockband "Ween" basiert.
Das hat live bereits sehr gut funktioniert und Lust auf die ganze Platte gemacht. Die wird in wenigen Wochen in der Linzer Stadtwerkstatt präsentiert. Beim Publikum an der Donaulände ist das Konzert von Laima & Def Ill trotz unwirtlicher Temperaturen sehr gut angekommen. Ein spannendes neues Dialekt-Rap-Album, das da demnächst auf uns zukommt.
Mozes and the Firstborn
Mozes and the Firstborn starten in Linz ihre zehntägige Österreich- und Deutschland-Tournee, die sie u.a. nach Wien, Graz, Innsbruck und Vöcklabruck führen wird. Zehn Tage nonstop auf Tour können die vier jungen Niederländer locker wegstecken, nachdem sie im Winter zwei Monate mit minimalstem Budget durch die USA getourt sind. Bassist Corto Blommaert erinnert sich: "We were playing almost every day and driving eight hours a day. We ended up sleeping in these cheap motels where hookers get killed, drugs get dealed and guns get shot. We didn’t see any of that but it were those kind of motels. The cheapest of the cheapest. But that was fun, that was the real America, I guess."
Nach der kommenden Tour gehts zurück ins Studio, das nächste Album wird im Herbst aufgenommen. Das neue Material wird roher und energetischer: "Lots of People told us - it’s a good album, but I like you live way more because it’s louder and more energetic. That’s why we focus more on a live approach."
Die Show am Linzfest findet vor deutlich lichter gewordenem Publikum statt. Nachdem einer der Hits der Band "I got Skills" heißt, möchte ich von ihnen wissen, welche Skills denn die Zuschauer bei diesem Wetter mitbringen müssen: "At least, they need a swimming degree. But only die hard fans and music enthusiasts will come and that is good. It’s a crowd that really enjoys watching music and they gonna get what they deserve - a really good show."
Diese Worte haben sie dann auch umgesetzt: Live funktioniert der Garagen-Rock der Band tatsächlich besser als auf Platte. Eine shoegazende Mischung aus lieblichen Melodien und abgefuckten Gitarren. Der Schlagzeuger headbangt die langen, strohblonden Haare, der Sänger rotzt und raunzt ins Mikrofon. Ihr Coming-of-Age-Soundtrack ist zwar simpel, besticht aber durch selbstironischen Witz und einem soliden Indie-Pop-Fundament.
Daniela Derntl
Wallis Bird
Die irische Sängerin und Gitarristin Wallis Bird hat sich gewandelt - zum noch Besseren. Zu verdanken ist das ihrem Umzug nach Berlin, wo sie ihren "Flow" wieder gefunden hat, wie sie mir in charmant gebrochenen Denglisch erklärt:
"Das Leben in Berlin ist mein Traumleben. Das klingt sehr nach Klischee, aber man kann dort echt von Musik leben, man muss keinen 9-to-5-Job machen, um leben zu können. Auch die Leute, mit denen ich dort abhänge, sind alle Künstler, die machen auch selten echte Jobs und leben von der Kunst. Das ist ganz selten im Leben und das ist schon fett."
Auch das pulsierende Nachtleben der Stadt hatte einen Anteil am Wandel im Sound - vom Alternative Folk und Indie-Pop hin zu House-infiltrierten Funk und Rhythm and Blues. Monatelang war sie nur aus, nicht nur, aber auch in den großen Technotempeln der Stadt. Doch eigentlich sind ihr die kleinen Kneipen in Neukölln die liebsten: "I had my head in a Bass-Bin. Ich hab nur getanzt. Auch zuhause. Die Rollos runter, Augen zu, Kleider weg und einfach tanzen. Das war eine große Freiheit."
Diese große Freiheit und ihre Leidenschaft fürs Tanzen ist auch auf der Bühne spürbar. Sie spielt ihre drei Akustik-Gitarren, die sie pro Song wechselt, mit so großer Leidenschaft, dass ihr gleich dreimal die Saiten reißen, was aber ihren Elan nicht drosseln kann. Sie entfacht ein Feuer auf der FM4-Bühne, das sogar den Industrie-Hochofen erblassen lässt. Unterstützt wird sie von einer ausgezeichnet eingespielten Band an Schlagzeug, Gitarre, Bass, Trompete, Klarinette und Aerophon.
Spätestens bei "Gloria" ist der Regen wurscht, bei dem Hit "Hardly Hardly" hat kurzfristig auch der Himmel ein Einsehen, es hört auf zu schütten. "Danke Linz. Ihr seid alle geil! Vergesst das nie!" wünscht sie dem Publikum zum Abschluss eines mitreißenden Konzerts. Lächelnde Gesichter und klatschende Hände überall. So soll es sein.
Alex Hertel über Samy Deluxe & Band
Nachdem er vor kurzem seine umfangreiche "Männlich"-Tour durch den deutschsprachigen Raum abgeschlossen hat, hat sich Samy Deluxe mit seiner neuen DLX-Band gestern Nacht gleich wieder in den Tourbus von Hamburg Richtung Österreich gesetzt um extra zum Linzfest zu kommen.
Das trübe, feuchtkalte Wetter haben Samy Deluxe und seine Musiker mit guter Laune und einem akustischen Streifzug durch die vielen Stationen in der Karriere des Hamburger MCs kompensiert.
Roots Reggae und akustische Gitarren-lastige Stücke waren da genauso zu hören wie alte Klassiker à la "Füchse" und viel Material vom neuen Album "Männlich" bzw. von seinen Mixtapes.
Laut Samy Deluxe hat sich seine Fanbase von Release zu Release verändert, heute ist sein Publikum gemischter denn je: von 12-jährigen Kids in der ersten Reihe bis zu angegrauten B-Boys in ihren Vierzigern, die entspannt das Geschehen aus der Entfernung betrachten. Samy Deluxe hat einmal mehr gezeigt, warum er zurecht als einer der besten Live-Performer der deutschsprachigen Hip Hop-Szene bezeichnet wird.