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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

17. 5. 2014 - 16:08

Good Vibrations

Während in Cannes die roten Teppiche glitzern, ist in den Berliner Off-Kinos ein ganz spezielles Biopic angelaufen...

In Cannes regt man sich gerade über „Grace“, den schlechtesten Eröffnungsfilm aller Zeiten auf, in Berlin ist in den kleinen Off-Kinos „Good Vibrations“ angelaufen, das Biopic über Terri Hooley, den Plattenladenbesitzer aus Belfast, der half, die irische Punkbewegung in die Gänge zu bringen und deshalb auch „Godfather of Punk“ genannt wird.

Terri Hooley wurde 1948 natürlich nicht als Punk geboren, der idealistische DJ verehrt in den Siebzigern Hank Williams, kifft gerne und glaubt mit jamaikanischem Reggae Harmonie und „Onelove“ nach Belfast zu bringen. Dazu will er ausgerechnet in der Great Victoria Street – einer als „Bomb Alley“ bekannte, von Bürgerkriegern umkämpfte Hauptstraße in Belfast einen Plattenladen eröffnen.

Good Vibrations Filmplakat

Good Vibrations

Bald entdeckt er aber eine absolut neue Musik: Punk. Sein Plattenladen „Good Vibrations“ wird zum Treffpunkt der lokalen Musikszene und er selbst wird zum wichtigen Musikproduzenten und Konzertveranstalter, der etlichen jungen Punkbands den Durchbruch ermöglicht.

„Good Vibrations“ von den Filmemachern Lisa Barros D'Sa und Glenn Leyburn erzählt aber nicht nur die Geschichte des Mannes, der Teil einer Jugendbewegung wurde, sondern auch die Geschichte eines Songs, dem Klassiker „Teenage Kicks“ von den Untertones. Wie jeder weiß, war „Teenage Kicks“ das Lieblingslied des berühmtesten Radiomannes aller Zeiten, John Peel, und auch ihm wird in „Good Vibrations“ ein Denkmal gesetzt. Letztendlich war er es, der den Undertones zum Durchbruch verholfen hat. Er war so in das Stück verliebt, dass er es im Radio sogar zweimal hintereinander spielte und verfügte, es solle auf seiner Beerdigung gespielt werden.

1978 in London hatte man jedoch bei den Plattenfirmen zuerst wenig Verständnis für die Musik der Untertones.

„Wo sind die Knarren, Bomben, Panzer? Wo ist die Wut?“, fragt ein Plattenboss, „mir wurde Belfast-Punk versprochen, aber das hört sich an, als ginge es denen zu gut".

FIlmstill aus "Good Vibrations"

unben

„Teenage Kicks“ ist tatsächlich eine Ode an die Lebensfreude, vielleicht auch, weil Punk im von Gewalt beherrschten Belfast anders funktionierte, weil für „No Future“-Manierismen kein Platz ist, wenn man im Bürgerkrieg lebt. Wie sagte Joe Strummer von The Clash: „Punk war hart, aber Nordirland war härter“, („If punk was hard, Ulster was harder.“) . Erklärt und bebildert wird der Nordirland-Konflikt im Film mit historischem Nachrichtenmaterial im Zeitraffer:

Auf harmlose Volksfeste und Prozessionen folgen Demonstrationen, aus Gerangel werden Straßenschlachten, die Spannungen zwischen den irisch-nationalistischenKatholiken und den pro-britischen Protestanten eskalieren. Soldaten patrouillieren,Panzer fahren durch die Stadt. Bomben explodieren, Tote liegen auf den Straßen. Als die Spielfilmhandlung wieder einsetzt, ist das gesellschaftliche Leben in Belfast erloschen. Zwischen Straßenschlachten und Bombenattentaten gibt es keinen Platz mehr für Popmusik und Jugendkultur.

Trotzdem ist „Good Vibrations“ eher ein Feel-Good -Movie als ein Bürgerkriegsdrama, was zum Großteil an dem unverwüstlichen Optimismus seines Protagonisten, der Musikeuphorie und dem guten Soundtrack liegt: David Bowie, The Animals, The Shangri-Las, Hank Williams, The Upsetters, The Undertones und natürlich Punk aus Belfast.

Der Witz des Films bezieht sich dabei nicht auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund, sondern auf die Standardsituationen in die Musiker geraten können, als da wären: die Ignoranz der Musikindustrie, die schönen Ausflüge im Tourbus, die Konzerte „in the middle of nowhere“, bei denen 20 Leute gelangweilt im leeren Saal herumlungern. Die finanziellen und personellen Unwägbarkeiten beim Führen eines Indie- Labels, die Euphorie, das erste Mal den eigenen Song im Radio zu hören, die erste eigene Platte in den Händen zu halten, das Problem „Gästeliste“, die betriebswirtschaftliche Absurdität, bei einem ausverkauften Konzert ein Minus zu machen…

Eine Überraschung bietet dann sogar noch der Abspann: Produziert wurde „Good Vibrations“ unter anderem von Chris Martin (Coldplay). Und den Plattenladen „Good Vibrations“ in Belfast gibt es nach mehreren Schließungen und Wiedereröffnungen immer noch.