Erstellt am: 20. 5. 2014 - 17:30 Uhr
Radio für Syrien - aus Berlin
Eigentlich lacht Majid al Bunni viel. Auch on air. Aber wenn der 26-jährige Syrer an seine Heimatstadt Homs denkt, dann wird ihm sichtlich unwohl. Die Stadt wurde mehrmals von verschiedenen Konfliktparteien eingenommen, evakuiert und belagert. Majid al Bunni ist geflohen. In die Türkei, nach China, wieder in die Türkei zurück. Heute sitzt er in einem Dachgeschoßzimmer im Berliner Stadtteil Mitte. Auf seinem Schreibtisch liegen ein Laptop und ein Mikrophon. Was Majid al Bunni in dieses Mikro spricht, kommt auch in Homs aus dem Radio.
"Innenpolitik, Außenpolitik und Musik"
Majid al Bunni moderiert für den Sender BaladnaFM viermal die Woche eine einstündige Sendung. Darin, so Majid, "geht es um Innenpolitik oder auch um internationale Verträge, wie das Abkommen von Genf. Eben alles was politisch mit Syrien zu tun hat. Und natürlich spielen wir auch Musik aus Syrien."
Statt Werbung spielt BaladnaFM kurze Einspieler: "Was soll ich tun, wenn...?": Die Hörer lernen beispielsweise, wie man Wunden versorgt, oder mit dem wenigen, was im Kühlschrank ist, eine ganze Familie ernährt.
In Majid al Bunnis kleinem Schlafzimmer und Aufnahmestudio in Berlin Mitte liegt - fein zusammengefaltet im Buchregal - auch die Flagge der syrischen Opposition. Wirklich unvoreingenommen ist das Programm des jungen Mannes aus Homs also nicht. Trotzdem heißt der Sender Baladna, zu Deutsch in etwa: "Für unser aller Land".
Privat
"Was wir machen, kann man nicht als Journalismus bezeichnen", stellt Majid klar. "Aber unser Programm ist auch kein blinder Aktivismus. Wir versuchen jeden bei uns sprechen zu lassen." Beide Seiten, das sind im Bürgerkrieg Syriens - zumindest für den Oppositionellen Majid - die beiden Gegenseiten zu ihm, nämlich die Syrische Regierung und die Islamisten/ Djihadisten. Sie ins Programm zu nehmen versucht Majid immer wieder, aber es klappt nur selten. Eine knarzende Telefonverbindung zu Regierungssprechern und Ministern hat er schon herstellen können. Bei den Islamisten aber Fehlanzeige. Die wollen keine Interviews geben, sondern ihre Wahrheit verbreiten. Darauf hat Majid keine Lust. "Extremismus, egal welcher Seite, hat bei uns nichts verloren. Wir bei Baladna versuchen unsere Gemeinsamkeiten als Syrer in den Vordergrund zu stellen."
"Gemeinsamkeiten statt Extremismus - das ist Baladna"
Radio Baladna hat eine Soundcloud-Seite, einen Stream und eine App, mit der verschiedene syrische Radiosender empfangen werden können (darunter Radio ANA und Radio Rozana). Zusätzlich hat Anja Wollenberg von der Nichtregierungsorganistion MiCT, die Medien in Transformationsländern unterstützt, BaladnaFM in ein 24 Stunden Radioprogramm für Syrien aufgenommen.
"In dem Programm haben wir kleine Sender, wie Radio Rouh aus Aleppo. Da sendet ein junger Mann mit Hilfe von einigen Freunden", erklärt Anja Wollenberg. "Dann kommen aber auch größere Sender wie z.B. Radio Rosana mit Hauptsitz in Paris dazu." Die oppositionellen Stimmen "werden hier in Berlin gesammelt, und dann per Satellit nach Syrien übermittelt", so Wollenberg. Denn auch wenn Radio-Apps und Streamingdienste noch so schön programmiert sind: Syrien ist ein Land, in dem das Internet strukturell überwacht wird und die Stromversorgung immer wieder abbricht. Deswegen sendet BaladnaFM (zusammen mit den anderen Sendern) klassisch auf UKW. Radiogeräte kann man zur Not auch mit Handkurbel oder Solarzellen betreiben.
Katina Sostmann
Nach Syrien sendet man am einfachsten per Internet - am effektivsten per UKW
Deshalb wird das Radioprogramm von Baladna und Anja Wollenberg in Syrien der UKW ausgestrahlt. Dazu hat das MiCT mehrere große Radiomasten an der syrischen Grenzen aufstellen lassen. Zusätzlich hat die Designerin Katina Sostman (ebenfalls aus Berlin) eine kleine Zauberbox entwickelt, das PocketFM.
"Das PocketFM sieht aus wie ein Autoradio. So deklariert haben wir es auch nach Syrien schmuggeln können." Vor Katina Sostmann liegt ein schwarzer Kasten, mit tiefen Rillen am Gehäuse. Es gibt ein paar Knöpfe, ein kleines Display und das war es dann auch. "Es gibt wirklich keine Anschlüsse, die verraten, dass das Ding sendet. Es hat einen An- und Ausschalter und es hat drei Knöpfe, die nicht weiter beschrieben sind. Das ist auch der Vorteil, die sind so klein, dass man sie auch verstecken kann." Dass die Sender so unauffällig sind, ist kein Zufall, meint die Designerin. Im Gegenteil . "Wir versuchen natürlich, die Sender so klein wie möglich zu halten. Das hat auch den Vorteil, dass die Antennen entsprechend kleiner sind. So kann man alles schnell zusammenpacken und mitnehmen. So muss man keine Angst haben, dass jemand die Sender entdeckt."
Katina Sostmann
Klein und unscheinbar müssen Sender und Antennen sein, denn sie werden immer wieder angegriffen. Sowohl von syrischer Regierungsseite, als auch von Islamisten. Beiden ist das oppositionelle Radio ein Dorn im Auge. Und das obwohl Majid al Bunnis Programm BaladnaFM eigentlich eine sehr vorbildliche Haltung vermittelt. "Ich sage meinen Hörern immer: Glaubt mir kein Wort! Ich bin eine Seite in dieser Geschichte. Sucht nach den anderen Wirklichkeiten."